Untätigkeit der Gemeinde?
Jodl-Ehrenmal auf der Fraueninsel: Klage gegen leeres Grab eines NS-Kriegsverbrechers
Nach der gescheiterten Petition gegen das Ehrenmal für Alfred Jodl auf dem Inselfriedhof folgt eine Klage gegen die Gemeinde Chiemsee: Ihr wird Untätigkeit vorgeworfen. Der Anwalt ist eingeschaltet.
Frauenchiemsee – Das Ehrenmal am Grab der Familie Jodl auf dem Friedhof der Fraueninsel bleibt. Die Petition eines Ehepaars aus Niedersachsen, es entfernen zu lassen, lehnte der Bayerische Landtag ab, weil Jodls Name verdeckt sei, wie Bürgermeister Armin Krämmer (FWG) die Chiemseer Gemeinderäte auf der jüngsten Sitzung informierte: „Der Chiemseer Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit betrachtet nun diese Petition als erledigt.“
Klage gegen die Gemeinde
Dennoch ist die Gemeinde derzeit mit einer Klage konfrontiert, eingereicht beim Bayerischen Verwaltungsgericht München: Dieselben Personen, welche die Petition angestrengt hatten, haben die Kommune wegen „Untätigkeit“ in Sachen Jodl-Grab verklagt, wie die Verwaltung auf Anfrage der Chiemgau-Zeitung erfährt. Die Klägerseite beharrt darauf, dass das Ehrenmal beseitigt werden soll. Die Klageschrift wurde dem Gemeinderat zur Kenntnis vorgelegt.
Das Gremium beschloss einstimmig, in dieser Sache einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Der Antrag auf Rechtsschutz wurde gestellt und bereits bewilligt.
Thuje verdeckt Inschrift
Des Weiteren informierte Armin Krämmer die Gemeinderäte über ein Treffen mit Professor Dr. Jörg Skriebeleit, Kulturwissenschaftler und Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, auf dem Inselfriedhof. Die Gemeinde hatte bei ihm angefragt, eine Informationstafel für das Jodl-Grab zu erstellen. Angedacht ist laut Krämmer auch ein Mediationsgespräch zwischen Gemeinde, dem grabnutzungsberechtigten Großneffen und Professor Skriebeleit.
Zwischenzeitlich verdeckt eine gepflanzte Thuje den Namen Alfred Jodls. Gemeinde und Hinterbliebene einigten sich darauf, dass die Nutzung verlängert wird, der Name und die Lebensdaten Jodls künftig unter einer Platte verborgen bleiben, und die neutrale Inschrift „Familie Jodl“ angebracht werden soll.
Kampf um das Familiengrab
Viel Aufhebens ist bereits um das „Jodl-Grab“ gemacht worden, obgleich es sich nur um ein Scheingrab handelt, in welchem der einstige Generaloberst der Wehrmacht, Alfred Jodl, 1946 als Kriegsverbrecher hingerichtet, nie bestattet wurde. Wohl aber sein Bruder Ferdinand Jodl, dessen Frau Maria sowie seine beiden Ehefrauen Irma und Luise.
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Ungeachtet dessen wollte die Gemeinde das immer wieder als Gedenkstätte missbrauchte Grab 2018 auflösen, damit Ruhe einkehrt auf dem Insel-Friedhof. Doch der Großneffe von Jodls zweiter Ehefrau, der sich um das Grab kümmert, klagte erfolgreich auf Verlängerung des Nutzungsrechts. Über seinen Rechtsbeistand lässt er erklären: „Zur Gedenkstätte wurde das Grab erst durch diverse strafrechtlich relevanten Aktionen.“ Als Erbe habe er für das Familiengrab Sorge zu tragen. Er sei weder mit dem General verwandt, noch identifiziere er sich mit dessen Taten.
Asche in den Fluss gestreut
Am 16. Oktober 1946 wurde Alfred Jodl im Rahmen der Nürnberger Prozesse mit neun weiteren NS-Kriegsverbrechern hingerichtet. Sein Leichnam wurde einen Tag später im Städtischen Krematorium auf dem Münchner Ostfriedhof eingeäschert; die Asche wurde in den Wenzbach, einen Zufluss der Isar, gestreut.
Steigt man etwas tiefer in die Familiengeschichte ein, erfährt man Einiges über die Angehörigen, die leibhaftig im Grab auf der Fraueninsel bestattet sind. Beim Blick von ihrer Gstadter Terrasse auf die gegenüberliegende Fraueninsel wird sich Maria Jodl wohl gedacht haben, „auf dem Eiland möchte ich ebenfalls einmal begraben sein.“ Sie war die Frau von Ferdinand, dem Bruder von General Alfred Jodl.
Die Familie Jodl am Chiemsee
Die Brüder Alfred (*1890) und Ferdinand (*1896) sind in die Familie von Johannes Jodl und Therese Baumgärtler hineingeboren worden. Drei Schwestern starben bereits im Kindesalter. Die Buben trugen bis zum achten Lebensjahr den Geburtsnamen der Mutter. Die Eltern waren nicht verheiratet, weil Therese als Bauerntochter für einen bayerischen Offizier nicht standesgemäß war. So nahm der Vater Abschied vom Militär, um sie 1899 heiraten zu können. Die familieneigene Villa in Gstadt – sie gehörte einem Onkel – besuchten die Familienangehörigen sporadisch. Dort traf Alfred seine erste Frau Irma von Bullion, die er 1913 heiratete. Auch sie hielten sich später immer wieder in der Villa am Chiemseeufer auf.
Süßigkeiten vom Oberst
Viele Jahre später, Anfang September 1946, so kann man es der Historie entnehmen, schrieb Alfred Jodl seiner zweiten Frau Luise, sie solle doch zur Erholung ein paar Tage an den Chiemsee fahren – dorthin, „wo immer ein Teil meines Herzens ist“. Ein Gstadter Zeitzeuge, der namentlich nicht genannt werden will, erinnert sich daran, dass er 1944 beim Sammeln fürs Winterhilfswerk an der Villa geklingelt habe. Einige amerikanische Wachtposten verwehrten ihm den Zutritt, bis Oberst Jodl auf ihn aufmerksam geworden sei und ihn zu sich gerufen habe. „Er gab mir 100 Mark und ganz viele Süßigkeiten“, weiß der Senior noch heute.
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Nach Jodls Tod wurde dessen Vermögen historischen Quellen zufolge für die Erben freigegeben, seine zweite Frau Luise durfte ihren Besitz in Gstadt behalten. Mitte der 1950er Jahre wurde das Gstadter Anwesen der Familie Jodl – das waren zu dem Zeitpunkt Eherau Luise sowie Bruder Ferdinand mit Frau Maria – verkauft. Der Erlös soll unbestätigten Informationen zufolge zur Renovierung eines Kirchendaches verwendet worden sein.