Branchentreffen im Hotel Gut Ising
Hotel- und Gastronomiebranche macht gute Erfahrungen mit der Vier-Tage-Woche
Beim Tourismusforum Oberbayern in Ising diskutieren Experten über neue Wege, wie sich Mitarbeiter für die Hotel- und Gastronomiebranche gewinnen lassen. Auch das Thema Nachhaltigkeit wird für die Branche immer wichtiger.
Von Axel Effner
Ising – Wie kann sich die Gastronomie- und Tourismusbranche in Oberbayern nach den Lehren aus der Corona-Pandemie besser für künftige Herausforderungen wappnen? Erfahrungen, Strategien und Best-Practice-Beispiele für mehr Nachhaltigkeit vermittelte am Montag das Tourismusforum Oberbayern bei einem Branchentreffen mit 90 Teilnehmern im Hotel Gut Ising am Chiemsee.
Veranstalter waren neben dem Verein Tourismus Oberbayern München e.V. auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern sowie der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern e.V. Mit dem vernetzten Auftritt wollten die Vertreter der Branche auch politisch ein Zeichen setzen für die Anliegen des Tourismus in Oberbayern, der 15,3 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 190 000 Arbeitsplätze ausweist.
Gute Erfahrungen mit 36-Stunden-Modell
Drei wesentliche Fragen standen im Zentrum der Diskussion mit Experten: Wie lassen sich angesichts des sich zuspitzenden Fachkräftemangels neue Mitarbeiter gewinnen und langfristig an das Haus binden? Welche Chancen bietet die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland? Und wie sieht die Situation an den Berufsschulen aus? Ebenso ein Thema waren passende Investitionsstrategien im Zeichen schärferer Umwelt- und Klimaschutzauflagen der EU.
Den erfolgreichen Umgang mit Mitarbeitern beleuchtete Jens Wucherpfennig, Moderator und Leiter der IHK-Geschäftsstelle in Rosenheim, im Gespräch mit den Direktoren und Chefinnen dreier unterschiedlich großer, innovativer Hotelbetriebe. Gute Mitarbeiter seien rar, gingen oft unter der Hand weg und seien heute am besten über Empfehlungen oder Social-Media-Plattformen zu rekrutieren, erklärten Christoph Leinberger vom Hotel Gut Ising am Chiemsee und Katharina Hörterer vom Familienhotel „Der Hammerwirt“ in Siegsdorf.
Frank Beiler vom „Royal Bavarian“ der „25hours Hotel“-Kette berichtete für das von ihm geleitete Haus in München in einem umgebauten Telegrafenamt über „sehr gute Erfahrungen“ mit der Vier-Tage-Woche. Das 36-Stunden-Modell sei besonders bei Mitarbeitern mit jungen Familien gefragt. Bei Engpässen würden Kollegen mit Fünf-Tage-Woche einspringen. „Mitarbeiter wollen gesehen und gewertschätzt werden“, zeigte sich Katharina Hörterer zudem überzeugt. Deshalb baue man die Dienstpläne „nach Möglichkeit um die Beschäftigten“ herum.
Leinberger und Beiler sahen wiederum in der Digitalisierung und in Social-Media-Plattformen für Hotels wie „hotelkit“ moderne Möglichkeiten für den schnellen Austausch mit dem Personal und die moderne Hotelorganisation. Eigens angemietete Wohnungen oder Belohnungen für die „Mitarbeiter des Monats“ seien motivationsfördernd.
Wie eine sozial nachhaltige Mitarbeitergewinnung in Tourismus und Gastronomie aussehen kann, thematisierte Wucherpfennig in einer zweiten Interviewrunde mit Experten. Mit aktuell 190 000 Beschäftigten habe man trotz zeitweiser Abwanderung in andere Branchen wieder fast den Stand wie vor Corona erreicht, sagte Harald Leubender von der Regionaldirektion der Agentur für Arbeit in Nürnberg. Von einer „aktuell guten Situation mit 52 Schülern in den 10. Klassen“ berichtete Dr. Martin Brunnhuber, Leiter der Staatlichen Berufsschule in Freilassing. Um angesichts von Sprengelbildung auch weiterhin ein möglichst breites Spektrum an Berufsausbildungen in der Gastronomie anbieten zu können, seien „starke regionale Partner“ notwendig.
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Arbeitskräfte aus Mexiko und dem Iran
Die unterschiedlich kostspieligen Möglichkeiten für die Rekrutierung von Arbeitskräften aus Europa und dem ferneren Ausland wie Mexiko und Iran stellte Susanne Droux, Geschäftsführerin für Berufsbildung beim Dehoga Bayern e.V. vor. Brunnhuber forderte hier insbesondere Fördermöglichkeiten für bessere Deutschkenntnisse, da dies sonst den Unterricht stark belaste.
Wichtig sei auch die Begleitung und richtige Anleitung im Betrieb. Leubender ergänzte, angesichts internationaler Gäste und weltweiter Konkurrenz dürften ausschließliche Englischkenntnisse kein Ausschlusskriterium bei Bewerbern sein.
Droux verwies auf Online-Deutschkurse der Dehoga ab September. Damit reagiert der Verband auf den akuten Mangel an Deutschlehrern. Ermutigend sei das neu erwachte Interesse junger Leute an der Gastronomiebranche: „Die wollen als Chef gestandene Persönlichkeiten zum Anfassen.“
Wie sich die verschärften Klimaschutzbestimmungen der EU auf künftige Betriebsinvestitionen im Zeichen der Nachhaltigkeit auswirken, beleuchtete die dritte Fragerunde. Wolfgang Wadlinger, betriebswirtschaftlicher Berater der IHK, zeigte die Zusammenhänge zwischen der EU-Taxonomie und verschärften Kreditvergaberichtlinien und Offenlegungspflichten bei Banken auf. So müssen etwa Hotelbetriebe ab 50 Mitarbeitern ein eigenes Umweltmanagementsystem einführen. Ebenso sollten langfristig 80 Prozent der Ge- und Verbrauchsgüter umweltzertifiziert sein.
Nachhaltigkeit als Grundphilosophie
Stefan Zahnbrecher von der Sparkasse Traunstein-Trostberg berichtete, die Kreditgeschäfte liefen aktuell wie bisher „mit der einen oder anderen Frage zur CO2-Reduzierung“. Vieles sei noch unklar, aber das Abklopfen von Kreditvergaben auf grüne Nachhaltigkeitsziele hin werde kommen.
Denise Amrhein vom Hotel Fuchsbräu in Beilngries, die das Hotel in fünfter Generation führt, sagte, „Nachhaltigkeit und das Denken in Generationen“ sei die Grundphilosophie ihrer Familie. In den letzten 15 Jahren habe man zwei Baudenkmäler nachhaltig saniert und dafür unterschiedliche Fördertöpfe genutzt. Investitionen seien klug abzuwägen. Die Zertifizierung des Hauses durch das freiwillige europäische Umweltmanagementsystem EMAS sei konsequent, „um das geforderte Umweltmanagement in Struktur zu bekommen.“
