Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

„Fundament der Kirche erodiert“

Exodus im Achental – So wirkt sich die Krise der katholischen Kirche aus

In den Gemeinden südlich des Chiemsees zweifeln derzeit viele Menschen an ihrem Glauben.
+
In den Gemeinden südlich des Chiemsees zweifeln derzeit viele Menschen an ihrem Glauben.

Auch im beschaulichen Achental zweifeln und verzweifeln einige Menschen an der katholischen Kirche. Was Standesämter, Pfarrer und ein Pfarrgemeinderat zu den Kirchenaustritten und dem Missbrauchsskandal sagen.

Achental – Der Missbrauchsskandal, die Rolle von Joseph Ratzinger, Schwule und Lesben, die sich im Rahmen der Aktion „Out in Church“ geoutet haben, die Ablehnung des Zölibats durch Kardinal Marx – die Liste der jüngsten Entwicklungen in der katholischen Kirche ist lang. Die Erschütterungen sind auch im Achental spürbar – mit unterschiedlichen Auswirkungen.

„Es waren schon 2021 deutlich mehr Austritte, aber allein im Januar 2022 haben schon 33 Personen den Austritt beantragt“, sagt Claudia Zerfass, die im Rathaus in Grassau arbeitet. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Marquartstein: 50 Austritte waren es im Jahr 2021, 17 sind es allein schon in diesem Jahr, so die Information aus dem Standesamt.

Und es sind eben nicht nur die Jungen, die vielleicht nun erstmals Kirchensteuer zahlen müssten und mit Jesus nicht so viel am Hut haben. „Es ist bunt gemischt“, so Zerfass im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.

„Es trifft mich ins Mark“

Dies bestätigt auch Andrea Maier vom Standesamt in Unterwössen. Sie nimmt wahr, dass darunter viele ältere Menschen seien – „und das ist schon auffällig“. Die Tendenz sei sogar steigend, denn nach wie vor werden Termine für den Verwaltungsakt im Rathaus vereinbart, die Liste ist lang.

Dr. Martin Metz, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats in Übersee beobachtet ebenfalls, dass sich derzeit Menschen abwenden, die eigentlich in der Kirche tief verwurzelt sind. Metz ist sichtlich erschüttert über die jüngsten Entwicklungen im Missbrauchsskandal: „Es trifft mich ins Mark. Wie kann ich einer solchen Kirche vertrauen?“, fragt er sich.

Er fürchtet, dass das Fundament der Kirche erodiert. „Der Missbrauchsskandal ist ein solcher Verlust an Glaubwürdigkeit“, findet Metz. Es ist ihm anzuhören, wie ihn die Enthüllungen schmerzen. Denn den Glauben nimmt er als etwas sehr Positives wahr und dass auch immer mehr Menschen nach einem tiefen Sinn im Leben suchen: „Das treibt die Leute doch um.“ Dieses spirituelle Bedürfnis müsse befriedigt werden. „Die Frage ist, ob sie das ‚bei unserer Firma‘ künftig noch tun wollen“, sagt Metz resigniert und seufzt.

„Demütigend und doppelbödig“

Konkreten Nachholbedarf sieht er nicht nur bei der Transparenz zum Thema Missbrauch. Es müsse endlich aufhören, dass die Frau eine Person zweiter Klasse in der Kirche ist. „Demütigend empfinde ich das oft“, ärgert sich Metz. Er klagt auch die „Doppelbödigkeit“ der Kirche an, die Missbrauch nicht vernünftig aufarbeite, aber gleichgeschlechtliche Paare nicht segnen wolle.

Besonders die Person Ratzinger polarisiert. Metz will dessen Lebensleistung als Theologe nicht in Abrede stellen. Er sieht vielmehr das Problem im System der Amtskirche, das bereits in der Ausbildung den Grundstein für Hybris lege: „Schon im Priesterseminar wird den angehenden Pfarrer eingebläut, dass sie ganz was besonderes sind.“

Trotz der Krise nimmt Metz „eine erstaunliche Zahl von Menschen, die sich engagieren wollen“ wahr. Das zeige auch die lange Bewerberliste für die Wahlen zum Pfarrgemeinderat.

Leise Hoffnung, dass der Wandel gelingt, hat er. Ihm habe imponiert, dass der Überseer Pfarrer Konrad Roider, bei einer Aktion der Grünen Jugend an der Benedikt-Skultpur am Traunsteiner Stadtplatz vor Ort war. „So muss Kirche heute sein“, resümiert Metz.

Pfarrer Roider hatte an der Aktion nicht als Protestierender teilgenommen. „Mir war das wichtig, das Gespräch zu suchen“, sagt er im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.

Laufen auch der Überseer Kirche St. Niklaus dauerhaft die Gläubigen weg?

Auch Pfarrer Andreas Horn aus Grassau hat Gesprächsbedarf zur aktuellen Krise der katholischen Kirche. Obwohl jeder meine, dass er und seine Kollegen derzeit angegangen werden, sei das Gegenteil der Fall: Stille. Dabei würde Horn sich wünschen, über die Krise zu sprechen: „Lieber miteinander statt übereinander.“

In der Causa Ratzinger habe er seine Meinung geändert, von Erschütterung zu Verständnis. Denn die Rolle des ehemaligen Papstes im Fall des Pfarrers H. sei komplex. „Jemanden plakativ zu verurteilen, halte ich für falsch“, sagt Horn. Er räumt jedoch ein, dass die Kommunikation seitens der Kirche nicht glücklich gewesen sei.

Auch Horn schweigt nicht. „An Lichtmess hab ich den Missbrauchsskandal thematisiert. Das Versagen muss klar benannt werden, aber auch die Hoffnung, aus Fehlern schmerzlich zu lernen“, sagt Horn. Für Horn ist die Kirche seit 2010 in einem Wandel und er wünscht sich, dass das auch wahrgenommen wird. „Man muss auch sehen, dass die Fälle, die jetzt für so großen Wirbel sorgen, von vor 2010 sind“, sagt Horn.

Zur Forderung von Kardinal Marx, den Zölibat abzuschaffen, möchte er sich nicht äußern, ebenso wenig zu „Out in Church“, dem Outing von Homosexuellen und Menschen mit einer anderen sexuellen Identität, die ehrenamtlich oder hauptamtlich für die Kirche arbeiten. So viel verrät Horn: „Es ist gut, dass Stimmen laut werden, die vorher nicht gehört wurden. Oder gehört werden wollten.“

Kommentare