Altes Wissen fasziniert die Chiemgauer
Von der Personalerin zur Kräuterfee: Wie Babette Györi das Interesse an Bärlauch und Co. belebt
Die Samen der Brennnessel sind unsere heimischen „Chia-Samen“. Was in ihnen steckt, wie man sie am besten verarbeitet und welche essbaren Kräuter noch am Wegesrand „warten“, weiß eine Chiemgauer Kräuterfee.
Staudach-Egerndach – Als Ende August in Übersee das Chiemgau Outdoor Festival stattfand, lief nicht alles nach Plan. Starkregen und schlechte Prognosen führten dazu, dass weit weniger Menschen das neu konzipierte Festival – ein Mix aus Bergsportmesse, Musikfestival und Familienfest – besuchten, als es der Veranstalter und auch die Gemeinde Übersee erwartet hatten.
„Der Boom ist total spürbar“
Ein Aussteller jedoch merkte augenscheinlich nichts vom Besuchermangel: Wann immer Veranstaltungen wie „Kräuterlimonade und Kräuterbutter selbst gemacht“ am Stand des „Kräuterkranzl“ geplant waren – die Plätze waren stets belegt.
Über die neue Begeisterung am Thema „Kräuter erkennen und verarbeiten“ haben sich die OVB-Heimatzeitungen mit Babette Györi vom Kräuterkranzl unterhalten.
Györi sei direkt von den Veranstaltern des Chiemgau Outdoor Festivals angesprochen worden. Dort habe man die „Kräutersachen“ unterschätzt. Ganz so baff über den Erfolg der Kräuterlehrgänge war Györi selbst jedoch nicht. „Ich war nicht wirklich überrascht“, gibt die Wild- und Heilkräuterpädagogin freimütig zu, „Ich weiß ja, dass der Boom total da ist.“
Dieses Jahr sei die Nachfrage nach Kräuterwanderungen so hoch wie nie zuvor in den fünf Jahren seit Bestehen ihres Unternehmens. Übernachtungsbetriebe wie das Golf Resort Achental würden sie die ganze Sommersaison durchbuchen, und auch die über den Achental Tourismus angebotenen Führungen würden sehr gut angenommen.
Geburtstag feiern mit Kräutern
Besonders auffallend sei jedoch, wie das Interesse an Kräutern im privaten Eventbereich wachse. Veranstaltungen wie „Ich will meinen Geburtstag feiern mit Kräutern“ oder „Ich will an meinem Junggesellinenabschied an einer Kräuterführung teilnehmen“ hätten wahnsinnig zugenommen. Einer der Gründe dafür könnte, so Györi, auch in den vergangenen Coronajahren liegen, in denen das Interesse an persönlicher Gesundheitsvorsorge und generell guter und ausgewogener Ernährung gewachsen sei.
Auf ihre persönliche Motivation angesprochen schildert Babette Györi, dass sie den Großteil ihres beruflichen Lebens als Personalreferentin gearbeitet hat – . nicht immer für Auftraggeber, deren Geschäftsgebaren sie selbst für uneingeschränkt vertretbar hielt. Die Chiemgauer Berge und Kräuter hingegen hätten sie schon immer fasziniert. Doch das Selbststudium mithilfe von Büchern habe ihr rasch Grenzen aufgezeigt. Deshalb absolvierte Györi fast zwei Jahre lang eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin. Zunächst nur für sich selbst, doch „ich habe immer stärker gespürt, dass mir dieser Weg vorgegeben ist“.
Diesen Schritt zur pädagogisch arbeitenden Kräuterfee, wie sich Györi selbst am liebsten bezeichnet, habe sie nie bereut.
Den Teilnehmern ihrer Kurse gefalle vor allem, wie viele Kräuter es tatsächlich gibt, die man essen kann. Und auch, dass Kräuter überraschend viele Nährstoffe und Spurenelemente haben. Eine dieser von vielen unterschätzten Pflanzen ist die Brennnessel. Die könne noch viel mehr als brennen. „Die Samen der Brennnessel sind unsere heimischen ‚Chia-Samen‘, die viele für teures Geld einkaufen. Da ist so vieles an Spurenelementen drin, was man täglich braucht: Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen ...“ Und die Blätter lassen sich zu Tee verarbeiten. Als echte Kräuterfee wollte sich Györi einmal mit der Brennnessel „verbinden“ und verarbeitete sie mit bloßen Händen. „Seitdem“, erzählt Györi lachend, „weiß auch ich, dass Handschuhe bei dieser Arbeit eine gute Sache sind.“
Das Sammeln erfordert Achtsamkeit
Ganz ungefährlich ist das Kräutersammeln per se nicht. „Bei uns in den Bergen wächst mit dem Eisenhut die giftigste Pflanze Europas“, schildert Babette Györi die Gefahren. Sie bemerke immer wieder, wie selbstbewusst viele Teilnehmer vor der Kräuterwanderung sind. Danach kehre mit der Erkenntnis, dass bisher auch oft Glück dabei gewesen sei, eine gewisse Bescheidenheit ein.
Der Bärlauch sei so eine Pflanze, die man leicht mit dem giftigen Maiglöckchen verwechseln könne. Und so charakteristisch der Geruch des Bärlauchs auch sei: „Nach dem zehnten Mal Schnuppern riecht alles nach Bärlauch.“ Deshalb helfe auch bei vermeintlich leicht bestimmbaren Pflanzen nur ein achtsames Herangehen und Prüfen der typischen Merkmale. „Kräuterkunde ist nicht mal so schnell, schnell...“, so Györi über ihre Kräuterlehrgänge.