Pilzliebhaber erleben goldens Jahr
Schwammerlsaison im Chiemgau auf dem Höhepunkt: Wachstum wie nie zuvor
Schwammerlsucher erleben dieses Jahr im Chiemgau ein wahres Pilzparadies. Dank hoher Regenmengen wachsen Pilze in Hülle und Fülle. Doch wie lange hält insbesondere das Reherl-Glück noch an?
Landkreis Traunstein/Chiemgau – Für die Schwammerlsucher in der Region ist dieses Jahr ein ganz Besonderes: Noch selten zuvor in den letzten Jahrzehnten war das Pilzwachstum im Juli und August so üppig wie in diesem Jahr. Grund dafür dürfte wohl in erster Linie die große Regenmenge sein, die in den vergangenen Monaten im Voralpenland niedergegangen ist. Die Böden sind gut durchfeuchtet, was das Pilzwachstum fördert. Nachdem im Juni und Juli die Frühsommerpilze die Körbe der Sammler gefüllt hatten, sind in den letzten Augusttagen die Steinpilze mancherorts in großer Zahl erschienen. Die meisten wachsen im Landkreis Traunstein südlich der Autobahn in den Wäldern der Chiemgauer Vorberge vom Hochberg, Teisenberg und Zinnkopf hinein in die Chiemgauer Alpen mit Zwiesel, Staufen, Hochgern und wie unsere Berge alle heißen. Richtung Süden sind die Wälder rund um die Winklmoosalm und am Geigelstein ergiebige Pilzgründe.
Nördlich der Autobahn München–Salzburg kann man zwar auch Steinpilze finden; meist aber deutlich weniger als in den Bergwäldern. Dafür gab es aber heuer ein mehr als dickes „Trostpflaster“. Seit Juni wachsen hier die Reherl in großer Zahl. Pilzsammler berichten übereinstimmend, dass sie noch nie so viele der unverwechselbaren gelben Pilze gefunden haben wie in diesem Jahr.
Schwammerl im Chiemgau: Reherlsammeln früher und heute
Noch vor einem halben Jahrhundert suchte man in den Wäldern rund um Kienberg, Obing, Schnaitsee, Palling und Freutsmoos in den allgegenwärtigen Fichtenkulturen nach den kleinen gelben Speisepilzen. Durch den dichten Bestand erreichte das Sonnenlicht nicht den Waldboden, wodurch jegliches Pflanzenwachstum verhindert wurde. Der dichte Boden mit der Nadelstreu war ein gutes Substrat für die Pfifferlinge oder Eierschwammerl, wie man Reherl außerhalb Bayerns bzw. in Österreich nennt. Auf diesem Substrat blieben die Pilze jedoch meist winzig klein und es war schon etwas Besonderes, wenn sie einen Kappendurchmesser von zwei Zentimeter erreichten. Ein voller Korb blieb deshalb meist ein Wunschtraum.
Und heute? Die Wälder schauen ganz anders aus, Fichten-Monokulturen gibt es kaum noch, fast überall erreicht das Sonnenlicht den Waldboden. Es wachsen Farne, Brombeeren im Übermaß und an den Rändern mannshohes Springkraut – alles Voraussetzungen, welche es früher kaum gab. Vor allem aber ist es eine Bodenbeschaffenheit, bei der niemals ein Schwammerlfreund auf die Idee gekommen wäre, dort nach Reherln zu suchen. Jetzt findet man die begehrten Speisepilze sowohl unter Farnen, in Brombeerschlägen und selbst am Rande ausgedehnter Springkrautflächen. Oft werden die Reherl handtellergroß und mit ein paar Dutzend Exemplaren hat man eine Familienmahlzeit beisammen.
Viele Steinpilze in den letzten Wochen
Schon in der ersten Juniwoche wurde über die ersten Steinpilzfunde im Großraum Traunreut berichtet. Seither herrschte jedoch weitgehend Flaute, was den König der heimischen Speisepilze betrifft. In der vergangenen Woche ist es dann aber richtig losgegangen. Vor allem in den Bergwäldern konnte man sehr viele der begehrten Speisepilze ernten. Besonders häufig ist heuer auch der dunkelhütige Steinpilz, der meist besonders kompakt ist und nach Einschätzung von Fachleuten weniger von Maden befallen wird als Fichten- und Kiefernsteinpilze. In dieser Woche, so berichten Schwammerlsucher, ist aber so gut wie nichts nachgewachsen. Es ist momentan vielerorts zu trocken
Feinschmecker schwören darauf, dass eine bunte Mischung von Pilzen eine zumindest ebenso gute Mahlzeit ergibt wie ein Gericht, das nur aus Reherln und Steinpilzen besteht. Zuletzt war die Vielfalt in unseren Wäldern besonders groß: Perlpilze, Reifpilze, Riesenschirmlinge, Hexenpilze und Täublinge in allen Variationen füllen die Körbe jener Sammler, die sich die Sachkunde angeeignet haben, die Schwammerl sicher bestimmen zu können. Eine Besonderheit in diesem Jahr für Pilzsammler, die sich etwas besser auskennen: das üppige Wachstum von Leistlingen (Craterellen und Cantharellen). Der Vorteil dieser Pilzgattung: alle Arten sind essbar.
Der bekannteste Leistenpilz ist das Reherl, von dem es allerdings auch einige Unterarten gibt. Neben unserem gelben Reherl findet man immer mehr Amethyst-Pfifferlinge, die man daran erkennt, dass sie einen leicht violetten Schimmer im Schirmzentrum haben. Es gibt außerdem den blassen Pfifferling, der cremefarbig-weiß ist, den Samtigen Leistling, der fast wie ein Reherl ausschaut, farblich aber intensiv orange schimmert. Begehrte Speisefilze sind auch die Trompetenpfifferlinge und allen voran die Herbsttrompeten, die man in den heimischen Wäldern schon seit mehreren Wochen finden kann. Meist übersieht man den Pilz aber wegen seiner grau-schwarzen Farbe. Herbsttrompeten werden vorwiegend getrocknet angeboten zu Preisen nicht unter hundert Euro pro Kilo.
Schwammerlsaison 2024: Beste Bedingungen für eine starke Ernte
Die Beobachtung bezüglich der Leistlinge bestätigt auch Pilzexperte Till Lohmeyer aus Petting. Er schreibt: „Die Beobachtungen entsprechen fast wortgleich jenen von unserem AMIS-Mitglied Stefan Grafetstetter, der oft im Raum Schleching unterwegs ist: Massenvorkommen von Craterellen und Cantharellen in den Buchen-Tannenwäldern.“
Wer das Erlebnis Pilze selbst genießen will, der sollte sich sputen: Man weiß nicht, ob und wie lange es so weitergeht, wie es in den letzten Julitagen begonnen hat. Etliche Tage ohne Regen können das Pilzwachstum schnell wieder zum Erliegen bringen. (obk)
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