Wahlkreis Traunstein-BGL
Bundestagswahl 2025: Helmut Kauer (ÖDP) im Steckbrief und zu den wichtigsten Fragen
Bei der Bundestagswahl stehen im Wahlkreis Traunstein-Berchtesgadener Land neun Erststimmenkandidaten zur Wahl. Wir stellen alle Bewerber für das Direktmandat einzeln vor. Dieses Mal: Helmut Kauer (ÖDP).
Traunstein – Bei der Wahl am 23. Februar 2025 wollen im Wahlkreis Traunstein-Berchtesgadener Land neun Kandidatinnen und Kandidaten direkt nach Berlin – sechs Männer und drei Frauen. Wer die meisten Erststimmen für sich verbucht, ist „drin“. chiemgau24 stellt die Kandidaten einzeln im Steckbrief vor und hat sie mit einigen Kernfragen konfrontiert. Hier sehen Sie die Antworten von Helmut Kauer (ÖDP).
Steckbrief und politische Schwerpunkte
Helmut Kauer, gebürtiger Traunreuter, bei der Wahl 64 Jahre alt, Service-Techniker, ledig. Ich bin stellvertretender Bundesvorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) und dort auch Mitglied in der Bundesprogamm- und Satzungskommission. Im Landkreis Traunstein war ich zwölf Jahre Vorsitzender der ÖDP-Kreistagsfraktion.
Besonders liegt mir die Jugend am Herzen. Ich war über 30 Jahre ehrenamtlich in der (verbandlichen) Jugendarbeit aktiv, dazu gehören auch zwei Jahre Kreisvorstand beim Bund der Katholischen Jugend (BDKJ) und danach sechs Jahre als dessen Vertreter im Vorstand des Kreisjugendrings Traunstein.
Ich war acht Jahre Zeitsoldat, studierte anschließend Religionspädagogik und wechselte nach dem Vordiplom an die Uni zum Theologiestudium. Dieses schloss ich aber nicht ab. Ich betrieb einige Jahre ein Fotogeschäft, welches ich aber mit dem Aufkommen der digitalen Fotografie aufgab.
Meine Hobbys sind Fotografieren, wenn ich dazu Zeit hätte, als Veganer habe ich einige fleischfressende Pflanzen und arbeite an OpenStreetMap mit, einer freien Weltkarte als Alternative zu Google Maps. Da ich seit 1999 nur Linux als Betriebssystem auf dem PC habe, kann man auch dies noch als Hobby ansehen.
In Traunreut setze ich mich seit vielen Jahren für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum ein. Ebenso setze ich mich für die Gleichberechtigung von Fußgängern und Radfahrern gegenüber dem Autoverkehr ein. Das kommt auch daher, weil ich seit über 20 Jahren kein Auto mehr besitze.
Ich kandidiere, weil mir Nachhaltigkeit und Menschenrechte wichtig sind und die ÖDP eine echte Alternative ohne Rechts zu den Bundestagsparteien ist. Demokratie braucht alternative Angebote.
Klimawandel und Extremwetter
Klimawandel und Extremwetter mit katastrophalen Folgen für Mensch und Natur sind ein globales Problem. Was können Sie als Abgeordneter tun?
Antwort: Die Menschen auf dem Weg zur CO₂-neutralen Gesellschaft mitnehmen: Die „Medaille Klimaschutz“ hat zwei Seiten. Die zweite Seite, der soziale Frieden, ist genauso wichtig wie Klimaschutz. Eine Kompensation der Mehrkosten durch die notwendige CO₂-Steuer führt bei richtiger Ausgestaltung sogar zu einer Umverteilung von oben nach unten, von Reich nach „Ärmer“.
Unter dieser Voraussetzung kann man durch die Verteuerung von fossiler Energie mit marktwirtschaftlichen Mitteln den notwendigen und überfälligen Umstieg auf erneuerbare Energie erreichen und gleichzeitig einen sozialen Ausgleich schaffen. Beim Klimaschutz müssen die Bereiche Verkehr und Gebäude endlich ihrer Verantwortung gerecht werden.
Beim Verkehr brauchen wir eine Verkehrswende hin zu mehr ÖPNV und Radverkehr. Bei Baumaßnahmen müssen neben den Radfahrern auch die Fußgänger in die Mitte der Planungen gestellt werden. Bei der Energieversorgung für Gebäude ist massiv auf Geothermie zu setzen, sowohl die Tiefengeothermie als auch die oberflächennahe Wärmegewinnung ist für mich die richtige Quelle. Voraussetzung für das Gelingen ist eine Effizienzsteigerung der Energieverbraucher und Einsparung von Energie, auch durch den Lebenswandel. Alle klimaschädlichen Subventionen müssen schnellstens abgebaut werden.
Migration und Integration
Der Zustrom von Flüchtlingen ist ein großes Thema in Deutschland. Was kann aus Ihrer Sicht bei der Migration und der Integration der Menschen verbessert werden?
Antwort: Das wichtigste ist, Fluchtursachen zu bekämpfen. Aber solange wir Freihandelsverträge und nicht Fairhandelsverträge abschließen, schaffen wir selbst weitere Fluchtursachen. Zu den Fluchtursachen wird auch immer mehr der Klimawandel werden. Flüchtlingen müssen bessere Möglichkeiten zum Überleben in der Nähe ihrer Heimat geboten werden. Da ist die UN mit ihren Hilfswerken wie UNHCR oder UNICEF gefordert.
Damit werden die Mitgliedsstaaten der UNO, besser gesagt die reichen Industriestaaten, über die Finanzierung der Hilfswerke in die Verantwortung genommen. Die Beiträge an diese müssen verpflichtend und in ausreichender Höhe angesetzt werden und dürfen nicht länger als freiwillige Spenden angesehen werden.
Wir brauchen aber bei uns im Land endlich eine ehrliche und transparente Diskussion zu diesem Themenkomplex. Wir erwarten Integration, gleichzeitig bringen wir Asylbewerber so unter, dass sie keinen Zugang zur „einheimischen“ Gesellschaft haben. Ebenso erwarten wir, dass die bei uns integrierten Menschen wieder in ihre Heimat zurückgehen. Und in dieser Diskussion werden laufend Asyl, Arbeitsmigration und Flucht vor Krieg in einen Topf geschmissen, was nicht zur Lösung beiträgt.
Ich war stolz, ein Deutscher zu sein, als Bundeskanzlerin Merkel sagte: „Wir schaffen das.“ Und wir schaffen das, wenn wir endlich aufhören, Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten schlecht zu reden. Viele Probleme werden uns eingeredet und niemand steht auf und nimmt „den Rattenfängern die Flöte“ weg. Unser Grundgesetz beginnt mit: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das gilt für alle Menschen weltweit und nicht nur für Deutsche. Für mich gilt: „Kein Millimeter nach rechts.“
Inflation und Wohlstandsverlust
Ob Heizungsrechnung, Miete oder frisches Gemüse – alles wird teurer. Immer mehr Menschen können sich das nicht mehr leisten. Wie lassen sich Inflation und Wohlstandsverlust stoppen?
Antwort: Was ist Wohlstand? Das Zweitauto, damit man die Kinder in die Schule fahren kann? Dreimal im Jahr in den Urlaub fliegen? Oder sich die Weintrauben aus Chile kaufen können? Natürlich sind die Grundbedürfnisse wie Wohnen, Essen oder Mobilität für alle zu befriedigen. Die Bayerische Verfassung sagt in Artikel 158: „Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit. Offenbarer Missbrauch des Eigentums- oder Besitzrechts genießt keinen Rechtsschutz.“
Hier muss der Staat endlich handeln. Es gibt kein Recht des Eigentümers auf unsanierte, ungenutzte Wohnungen, es gibt kein Recht auf Subventionen ohne Gegenleistungen für die Gesellschaft. Der Staat muss aber auch mehr auf Anspruchsberechtigte zugehen und darf nicht warten, bis diese zu ihm kommen. Wer Leistungen für die Gesellschaft erbringt, muss wie andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer behandelt werden.
Warum ist zum Beispiel die familiäre Pflegearbeit, meist geleistet von Frauen, weniger wert als die Pflege in einer Einrichtung? Dadurch schafft man Armut spätestens im Rentenalter. Einkommen sind gerecht zu besteuern. Warum werden Kapitalerträge nicht mit dem gleichen Steuersatz wie das Erwerbseinkommen belegt, sondern nur mit 25 Prozent? Die Bundestagsparteien wollen keine Änderungen in dem Bereich, denn von den Konzernen und Verbänden kassieren sie Millionen an Parteispenden. Nur die ÖDP nimmt von Anfang an keine Konzern- und Verbandsspenden an.
Um es mit Mahatma Gandhi zu sagen: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“
Wirtschaft und Arbeitsplätze
Der Status Deutschlands als Exportweltmeister, Wirtschaftsmacht und Industrienation scheint zu wackeln. Was muss man tun, damit Deutschlands Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt und attraktive Arbeitsplätze erhalten bzw. schaffen kann?
Antwort: Mut haben und wieder „Made in Germany” schaffen. Wir lassen uns die ganzen Innovationen „klauen“, indem wir etwas entwickeln und dann anderen die Produktion überlassen, weil es aufgrund niedrigerer Sozial- und Umweltstandards vermeintlich billiger in der Produktion ist. Deshalb ist die Einführung des CO₂-Grenzausgleichssystems durch die EU ein richtiger und wichtiger Schritt.
Ein fortgeschriebenes Lieferkettengesetz kann etwas Vergleichbares im sozialen Bereich anstoßen. Hier sind wir auch wieder bei den Freihandelsverträgen, an deren Stelle wir Fairhandelsverträge brauchen.
Das grundsätzliche Problem ist aber, dass nicht nur unser Wirtschaftssystem rein auf Wachstum ausgelegt ist, sondern alle weltweit. Wir leben aber in einer endlichen Welt mit endlichen Ressourcen, sodass es kein endloses Wachstum gibt. Ein Beispiel, was Wachstum bedeutet: Im ersten Jahr werden 100 Autos verkauft. Bei zwei Prozent jährlichem Wirtschaftswachstums müssen nach 20 Jahren jährlich fast 150 Autos verkauft werden, oder man verkauft weiterhin 100 Autos, dann aber zum 1,5-fachen Preis.
Die Bürokratie muss runter, nicht aber die Kontrolle von sozialen und ökologischen Auflagen. Das Lieferkettengesetz ist eine äußerst positive Errungenschaft in diesem Bereich. Wichtige Sparten wie die Arzneimittelproduktion müssen wieder in die EU und damit auch nach Deutschland zurück. Wir brauchen eine ausgeglichene Handelsbilanz und nicht einen Exportüberschuss. Womit wird dieser eigentlich bezahlt? Mit Krediten aus Deutschland.
Kein Geld für Rente und Medizin
Jahrzehntelang ist Deutschland für sein Renten- und Gesundheitssystem beneidet worden. Nun sind die Kassen leer und viele Krankenhäuser pleite. Halten Sie an der Krankenhausreform von Karl Lauterbach fest? Welche Änderungen sind notwendig?
Antwort: Die Umstellung, weg von den Fallpauschalen und hin zur Finanzierung der Bereitstellung, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die geforderte Spezialisierung ist gerade für ländliche Gebiete mit ihren kleineren Häusern von Nachteil. Hier kann Telemedizin zum Erhalt beitragen.
Auch haben Untersuchungen ergeben, dass es besser ist, Herzinfarkte vor Ort zu behandeln und die Spezialisten einzufliegen als den Patienten zum Spezialisten zu fliegen. Das spart wichtige Zeit, da die OP-Vorbereitungen schon abgeschlossen sein können, bis die Spezialisten eintreffen. Die wohnortnahe Versorgung ist wichtig, da auch die familiäre Bindung zur Genesung beiträgt.
Vollauf begrüße ich die Tarifkostenrefinanzierung. Wir müssen aber auch den Bereich der Finanzierung der Krankenkassen angehen: Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung ist auf alle Einkommensbezieher auszudehnen (Beamte, Freiberufler, Unternehmer und andere).
Die Krankenkassenbeiträge sind als einheitlicher Prozentsatz des Einkommens zu erheben. Es sind alle Einkommensarten einzubeziehen (zum Beispiel auch Miet- und Kapitaleinkünfte). Auch die Anzahl der Krankenkassen und die privaten Krankenkassen müssen überprüft werden.
Bei der Rente haben wir mehrere Probleme. Hier werden zu viele fremde Leistungen allein durch die Arbeitnehmer gezahlt, obwohl es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wäre. Auch müssen alle und auch alle Einkunftsarten Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen. Die Auszahlung wird aber gedeckelt. Zusätzliche private Vorsorge wird gefördert. Mit einer ökologisch-sozialen Steuerreform kann erreicht werden, dass die Versicherungen weniger vom Faktor Arbeit abhängig sind.
Ihr Thema
Es gibt ein Thema, das hier zu kurz kommt oder in der Liste gänzlich fehlt? Ein Thema, das für Sie jedoch eine große Bedeutung hat? Dann nur zu. Nehmen Sie Stellung zu einem Thema Ihrer Wahl.
Demokratie: Die steht für mich ganz oben. Dies fängt bei den Wahlsystemen an, geht über bundesweite Volksentscheide bis hin zum Einsatz gegen Rechts. Wir brauchen auf fast allen Ebenen eine Überarbeitung der Wahlsysteme. Die Bürgerinnen und Bürger haben zu wenig Einfluss auf die Zusammensetzung der gewählten Gremien.
Oft wissen sie nicht einmal, wen sie wählen, so bei der Europawahl. Dort werden nur die ersten zehn Kandidaten auf dem Stimmzettel abgedruckt und es hängt nicht einmal die vollständige Liste im Wahllokal aus. Ebenso hat man keinen Einfluss auf die Reihenfolge.
Als positives Beispiel nenne ich viele Kommunalwahlen mit der Möglichkeit zu Panaschieren und Kumulieren. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel stabilisiert nicht mehr die Regierungen, sondern gibt den Verfassungsfeinden mehr Macht, da sie dadurch einen höheren Anteil an den Mandaten bekommen. Eine Alternative bis zur Abschaffung der Sperrklausel ist die Ersatzstimme, bei der man angibt, welche Partei man bevorzugt, wenn sein Favorit an der Sperrklausel scheitert.
Direkte Demokratie bedarf dringend einer Stärkung und eben die Einführung auf Bundesebene, ohne Themeneinschränkung, unter Beachtung der „Ewigkeitsklausel“. Dass Volksbegehren und Volksentscheide die Bevölkerung zur Beteiligung an politischen Entscheidungen mobilisieren, zeigen die erfolgreichen Volksbegehren der ÖDP wie „Rettet die Bienen“ oder „Ja zu echtem Nichtraucherschutz“.
Neben dem Volksbegehren/Volksentscheid auf Bundesebene sollte es das fakultative Referendum geben. Dabei können die Bürgerinnen und Bürger, bei vereinfachten Bedingungen, ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz stoppen.
Der Kampf gegen Rechts und gegen Verfassungsfeinde ist eine Angelegenheit aller gesellschaftlichen Gruppen. Presse, Kirche, Sportvereine, Künstler: Alle müssen hier ihren Einsatz steigern. Und die Parteien müssen endlich aufhören, durch ihr undifferenziertes Gerede der AfD die Wählerinnen und Wähler zuzutreiben. Zu diesem Themenkomplex gehört auch Bildung, besonders die Medienkompetenz der Jugendlichen.
Anmerkung der Redaktion: Die Antworten des Kandidaten/der Kandidatin wurden 1:1 von der Redaktion übernommen, inhaltlich nicht überarbeitet und müssen deswegen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.