Bauherr Heinz Wallner lässt der Archäologie den Vortritt
Alt, älter, uralt: Warum die neuen Ausgrabungen in Chieming für Furore sorgen
Chieming ist ein beliebtes Ziel bei Touristen und Einheimischen: einfach mal den Blick über den Chiemsee schweifen lassen und das Panorama genießen. Das war wohl schon bei unseren Vorfahren so. Neben Römern und mittelalterlichen Rittern ist jetzt klar – auch die Steinzeitmenschen fühlten sich scheinbar wohl.
Chieming – Dass der Ort geschichtsträchtig ist – das ist bereits bekannt. Historische und prähistorische Funde in Chieming ziehen jedes Jahr viele Hobby-Archäologen und auch Wissenschaftler in die Region. Und auch, dass bereits in der Steinzeit Menschen im Gebiet des Chiemsees siedelten, ist nicht neu. Martina Pauli vom Institut für Denkmalpflege verweist hier bei einer Infoveranstaltung am Montag (19. Dezember) auf Funde auf der Krautinsel, die dies belegen. Aber der Fund an der Grabenstätter Straße überrascht nun doch:
Bauherr muss Ausgrabungen zahlen
„Das Ausmaß, damit haben wir überhaupt nicht mit gerechnet.“ Heinz Wallner, dem das Grundstück an der Grabenstätter Straße gehört, gibt sich gefasst. Für ihn bedeutet der Fund nämlich nicht nur Gutes: „Ich bin ja da selber interessiert. Natürlich mit dem Beigeschmack, dass das der Grundstückseigentümer dann bezahlen muss – zu hundert Prozent.“ Eigentlich wollte Wallner einen Neubau mit vier Ferienwohnungen errichten, wo jetzt archäologische Funde gesichert werden. Er muss nun per Gesetz die Bergungsarbeiten finanzieren.
Siedlungen vor zirka 4500 Jahren
Schon im Vorfeld der Bauarbeiten war aber klar: das Grundstück ist eine sogenannte Bodendenkmal-Verdachtsfläche. Das Areal, das an den Uferbereich des Chiemsees angrenzt, ist umgegeben von historischen und prähistorischen Funden. Und deshalb musste Heinz Wallner auch vorab mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Kontakt treten und eine archäologische Ausgrabungsfirma beauftragen. Nachdem im Oktober die oberste Erdschicht des Grundstückes abgetragen war, wird schnell deutlich: Der Fund ist viel älter als angenommen.
Tierknochen von Ziegen, Schweinen und Rindern, aber auch Keramikscherben ließen keinen Zweifel: Das sind Zeugnisse aus dem Neolithikum – der Jungsteinzeit. Martina Pauli vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München erklärt, wie die Funde unter anderem datiert werden können: „Durch die Leistenverzierungen der ausgegrabenen Keramiken können Archäologen die Kulturstufe einordnen.“ Bei den Funden in Chieming handle es sich um die sogenannte Chamer Kultur. Zwischen 3500 und 2700 vor Christus waren die Menschen also schon im jetzigen Gebiet von Chieming sesshaft. Die Funde werden auf ein Alter von zirka 4500 Jahren geschätzt.
„Wir haben nur Fetzen“
Auf der Krautinsel, so Martina Pauli, habe man noch ältere Funde aus der Mittelsteinzeit gefunden. Sie vermutet, dass die Insel schon damals als Handeslumschlagsplatz und Treffpunkt genutzt wurde. Die Ausgrabungsgegenstände an der Grabenstätter Straße seien aber im Chieminger Gebiet die ältesten. Leider fehle trotz der vielen Funde für das Dorf noch ein Gesamtbild: „ oft weiß man nicht mehr wohin welcher Fund gehört. Wir haben nur Fetzen“, bedauert die Gebietsreferentin für Denkmalpflege. Die teils schlechte Dokumentation der Fundstätten aus älterer Zeit mache es schwer.
Schnee verhindert Abschluss der Grabungen
Für eine gute Dokumentation der neuen Fundstätte sorgt jetzt ein Expertenteam der Ausgrabungsfirma X-Cavate Archaeology. Auch diese hat der Bauherr beauftragt und bezahlt seit Oktober die andauernden Ausgrabungen: „Jetzt hat es natürlich genau fünf Tage bevor die Maßnahme abgeschlossen waren, zu schneien begonnen und dann haben sie das jetzt einstellen müssen.“ Heinz Wallner ist wirklich bemüht, das Gute des archäologischen Fundes auf seiner Baustelle zu sehen: „Ich finde es auch wichtig, das ist ja die Geschichte von Chieming, das sowas dokumentiert wird.“
Bauvorhaben wird teurer und dauert
Und trotzdem: Wallner gibt zu bedenken, dass nun durch die Verzögerung wesentlich mehr Kosten auf ihn zukämen: durch den Anstieg von Baumaterial im Zuge der CO2- Steuer ab 2023 und inflationsbedingten, steigenden Handwerkerkosten im nächsten Jahr müsse er nun anders kalkulieren. Er werde auf Anraten des Landesamtes für Denkmalpflege das Baufenster auch nochmal um zwei Meter nach Süden verrutschen – auch das mache man gern, so Wallner.
Die Ausgrabungen gehen nach der Winterpause weiter. Bislang sind es fast 300 Fundstellen auf dem Grundstück. Und Heinz Wallner wird geduldig abwarten müssen, bis die wertvollen archäologischen Funde geborgen sind. Danach, so Wallner, könne er zumindest Ferienwohnungen anbieten mit Steinzeituntergrund „ zum Kraft schöpfen“.


