So lehrt man Fledermäuse das Fliegen
Wie Georg und Herta Rechenauer aus Waldheim abgestürzte „Mini-Batmen“ retten
Dass sie Batman einmal das Fliegen lehren würden, hätten sich Georg und Herta Rechenauer aus Waldheim nicht träumen lassen. Kürzlich war eine kleine Gruppe von Zwergfledermäusen bei ihnen in den Dachstuhl eingezogen ist, um hier in der „Wochenstube“ ihre Jungen aufzuziehen. Warum die Rechenauers die Flugstunden übernehmen musste, erfahren Sie hier.
Bruckmühl – Durch eine winzige, kaum sichtbare Spalte oberhalb einer Pfette am Dachstuhl bahnten sie sich den Weg ins Haus der Rechenauers.
Als die Kleinen flügge wurden, starteten sie ihre ersten Flugversuche – natürlich im Freien, denn die engen Wochenstuben der Zwergfledermäuse taugen dafür meistens nicht. Leider waren sie noch nicht sonderlich geübt und stürzten ab. Die winzigen Tiere landeten im etwa sechs Meter tiefer gelegenen Zugang zum Keller. Von hier konnten sie nicht wieder zurück, da die Wände zu glatt waren, um daran Richtung Wochenstube hochzuklettern.
Tiere sitzen hilflos im Kellerabgang
Die Waldheimer Tiere hatten Glück im Unglück. Georg Rechenauer entdeckte sie, als sie hilflos im Kellerabgang saßen. Er wusste, dass es wichtig ist, die Kleinen so schnell wie möglich in Bereiche zu bringen, wo sie Fressfeinden wie Katzen oder Mardern nicht schutzlos ausgeliefert sind.
Also barg er sie und brachte sie gemeinsam mit seinem Nachbarn erst einmal in einem leeren Nistkasten auf einem erhöhten Holzstapel unter. Danach kontaktierten sie das Naturerlebnis Bruckmühl. „Zwergfledermäuse wiegen nur so viel wie ein Stück Würfelzucker und sind im Flug in etwa so groß wie ein Spatz“, erklärt Biologe Harry Klottig den Fund. „Von den weltweit circa 35 Arten leben nur vier bei uns in Deutschland: die eigentliche Zwerg-, Rauhaut-, die Weißrand- und Mückenfledermaus.“
Gemeinsam suchte das Rettungsteam für die winzigen „Findelkinder“ eine Lösung. Sie befestigten einen Nistkasten nahe der Wochenstube an der Pfette als Zwischenstation. Hier setzte Georg Rechenauer die Kleinen ab, die auch an den Folgetagen immer wieder im Kellerabgang saßen. Er hob sie vorsichtig auf, kletterte auf die Leiter und setzte sie wieder vor ihrer Wochenstube ab. Von dort konnten sie dann flink zurück in ihre gute Stube klettern.
„Fledermäuse stören sich am Geruch des Menschen bei Jungtieren nicht, wie viele andere Säugetieren“, erklärt Klottig. Trotzdem setzte Rechenauer Handschuhe an, wenn er die Tiere für den Transport anfassen musste, denn Fledermäuse können auch beißen.
„Als Alternative zur Leiter hätte man auch Kletterhilfen wie ungehobelte Holzbretter oder straff gespannte feine Netze als Überbrückung an den glatten Kellerwänden befestigen können“, erklärt Klottig.
Doch warum haben sich die Eltern nicht selbst um ihre Jungen gekümmert? „Leider verhalten sich Fledermäuse nicht wie viele Vogelarten, die ihre Jungen außerhalb des Nestes weiter versorgen“, erläutert der Leiter des Bruckmühler Naturerlebnisses. „Die kleinen Fledermäuse müssen selbst wieder zurück in ihre gute Stube finden und werden eher selten von den Müttern aus der Umgebung abgeholt.“
Jedes Weibchen bringe ein oder zwei Junge zur Welt. Nach etwa vier Wochen sei der Nachwuchs flugfähig, nach sechs bis sieben Wochen werde er entwöhnt. Danach verlassen alle Tiere die Wochenstuben. „Junge Zwergfledermäuse verirren sich auch schon mal in Wohnungen auf der Suche nach neuen Quartieren“, kündigt Klottig mögliche „Batman-Besuche“ an und entwarnt gleich wieder, denn: „Die Tiere merken schnell, dass das nicht der geeignete Platz zum Verstecken ist und verlassen bei geöffnetem Fenster und ausgeschaltetem Licht die Wohnung wieder.“
Team berät gern in Naturschutzfragen
Hätten sie dann eine passende Stelle für ihre Wochenstuben, Sommer- oder Winterquartiere gefunden, seien Zwergfledermäuse ziemlich ortstreu.
Fledermäuse sind geschützt. Deshalb sollte vor Bautätigkeiten oder Baumfällarbeiten immer ein Fachmann hinzugezogen werden, wenn dort ihr Lebensraum vermutet wird. „Plant man rechtzeitig, ist es ohne viel Aufwand möglich, die Zeiten zu berücksichtigen, zu denen die Fledermäuse bestimmte Quartiere nutzen und die Arbeiten darauf abzustimmen“, erklärt Klottig.
Zwergfledermäuse werden spät am Tag, aber spätestens, wenn es dämmert, aktiv. Sie jagen die ganze Nacht hindurch Fluginsekten wie Fliegen, Mücken oder Nachtschmetterlinge. „Man kann es sich kaum vorstellen, aber eine winzige Zwergfledermaus, die selbst nur so viel wiegt wie ein Würfelzucker, fängt etwa 500 Insekten pro Stunde“, stellt der Biologe die Tiere weiter vor. Für den Menschen seien sie deshalb extrem nützlich. Jeder, der einen Obstbaum im Garten habe oder gern länger auf der Terrasse sitze, könne sich glücklich schätzen, Fledermäuse zu beheimaten. Klottig: „Auch ihr Kot ist für unsere Kulturpflanzen nützlich – der ideale Dünger für Obst und Gemüse.“
Wer Fragen hat, kann sich jederzeit an das Naturerlebnis Bruckmühl wenden. „Wir sind immer gern bereit, in Fragen des Natur- und Umweltschutzes mit Rat und Tat zur Seite zu stehen“, betont Leiter Harry Klottig: „Wir haben auch Kontakt zu den unterschiedlichsten Fachleuten wie in diesem Fall zu Dr. Andreas Zahn von der Koordinationsstelle für Fledermausschutz Südbayern. Auch dieses Mal unterstützte er uns wieder schnell und kompetent.“
Den Fledermäusen auf der Spur
Auf eine nächtliche Entdeckungsreise mit dem Fledermausdetektor und mit Manfred Bohlmann geht es am Montag, 5. September, von 19 bis circa 20.30 Uhr. Sie startet am Parkplatz am Unterwasserbecken der Leitzachwerke in Vagen. Die Teilnehmer erfahren interessante Details über das Leben der nachtaktiven Tiere. Die Führung findet nur bei trockenem Wetter statt. Bitte eine Taschenlampe mitbringen. Anmeldung unter der 0 80 31/8 61 14 bis Donnerstag, 1. September.
(Re)


