Angst vor Strom-Kollaps
Städte sollen vom Netz genommen werden: Wie groß ist das Risiko in unserer Region?
Ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden des Energieversorgers EON machte jüngst Schlagzeilen. Leonhard Birnbaum warnte darin vor kontrollierten Stromabschaltungen in Deutschland. Wäre das auch bei uns in der Region möglich? Dr. Ulrich Schwarz, Geschäftsführer der Kraftwerke Haag, sowie Robert Pypetz, Chef der Stadtwerke Wasserburg, geben Auskunft.
Wasserburg/Haag – Ganze Städte sollen vom Netz genommen werden, um einen Kollaps des Systems zu verhindern. Wie groß ist die Gefahr, dass dies auch bei uns in der Region geschieht?
Dr. Ulrich Schwarz, Geschäftsführer der Kraftwerke Haag, verweist auf den Notfallplan „Gas und Strom der Bundesrepublik Deutschland“, das zumindest bei „Gas auf die erste Frühwarnstufe gesprungen“ sei, so Schwarz. Durch die Mangellage könnte es also zu „gezielten Abschaltungen“ kommen, sagt der Geschäftsführer.
Lage in Ukraine ist ungewiss
„Es ist aber sehr schwer einzuschätzen, ob es wirklich so weit kommt. Auch im Hinblick auf den Ukraine-Krieg ist alles sehr ungewiss. Wenn Russland wirklich das Gas abdreht, haben wir sicher ein Problem. Jetzt kommt der Sommer, da wird zwar kaum geheizt, aber im Herbst und Winter könnte es schwierig werden“, berichtet er. Der Strom sei davon aber nicht in der gleichen Weise betroffen.
Vor zwei Jahren habe niemand gedacht, dass der Notfallplan jemals gebraucht werden würde. „Wir haben uns in Sicherheit gewogen, dass das Gas immer weiter fließt. Nun sind wir eines besseren belehrt“, gesteht der Geschäftsführer. Dennoch: Schwarz sieht „die Gefahr von Abschaltungen relativ gering, aber es ist eben nicht auszuschließen.“ Die Politik müsse sich jetzt um Alternativen kümmern. Möglich wären hier Gaslieferanten wie die USA oder Katar. Aber auch hier stünde Deutschland vor Schwierigkeiten. Das Gas in Amerika werde unter anderem durch Fracking – also ein sehr umstrittenes, umweltschädliches Verfahren – gewonnen. Das Gas in Katar zu beschaffen würde wiederum bedeuten, den Rohstoff von einem Land zu kaufen, das wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehe, so Schwarz. Eine „gute Alternative“ gebe es hier also nicht. „Auf mittlere Sicht gilt es die erneuerbaren Energien und die Wasserstofftechnologie auszubauen, um die Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen zu verringern“, meint der Geschäftsführer. Doch die Umsetzung brauche Zeit – ganz zu schweigen von den steigenden Kosten, die der Verbraucher bezahlen müsse.
Auch die Kraftwerke Haag kamen um eine Preiserhöhung nicht herum. Momentan liegt der Preis bei etwa 34 Cent pro Kilowattstunde. Inwieweit der Beitrag steigen wird, sei noch nicht absehbar, sagt der Geschäftsführer.
Der Chef der Stadtwerke Wasserburg, Robert Pypetz, sieht zurzeit „keinen Engpass“ im Stromnetz. Es gebe zwar den „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“, wo bei Überlastung zuerst die Abschaltung von Schwimmbädern und Industrie vorgesehen sei, „aber private Haushalte und Krankenhäuser sind davon nicht betroffen“, erklärt der Werksleiter.
Mehrkosten für die Verbraucher
Sollte wider Erwarten das Gas abgestellt werden müssen, könnten Blockkraftheizwerke keinen Strom mehr liefern, aber selbst bei diesem Szenario seien die Stadtwerke Wasserburg nur unwesentlich betroffen, so Pypetz. Die Abschaltung würde sich allerdings beim Preis bemerkbar machen, da der Strom dann nachgekauft werden müsste.
Ab 1. Juli werde zwar durch die EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) der Strom um 3,72 Cent pro Kilowattstunde günstiger, aber die Verbraucher müssten grundsätzlich eher mit Erhöhungen rechnen. Die Stadtwerke Wasserburg heben zum Jahreswechsel 2022/23 ebenfalls die Preise an. Zurzeit liegen die Kosten bei rund 32 Cent pro Kilowattstunde. Inwieweit die Preise steigen, könne Pypetz momentan aber noch nicht abschätzen.
Einen Wechsel zu einem „sogenannten Billigstromanbieter“ empfiehlt der Stadtwerkechef derzeit nicht. Da viele Unternehmen tagesaktuell einkaufen würden und die Preise so hoch seien wie nie, könnte es sein, dass viele solcher Stromanbieter pleite gehen würden. Das bedeute für die Verbraucher, sie würden in die Grundversorgung fallen – hier liege der Grundpreis bei bis zu einem Euro pro Kilowattstunde, so Pypetz.

