Energiekrise verführt zum Horten
Preise gehen „durch die Decke“: Wird Brennholz im Wasserburger Land jetzt zum neuen Klopapier?
Brennholz verzweifelt gesucht: Die Lager sind leer, die Preise explodieren. Die Menschen im Wasserburger Land rüsten sich für einen schwierigen Winter. Das hat Folgen - sowohl für die Kunden als auch für die Händler.
Wasserburg/Haag/Edling – Alexander Graßl nennt es den „Klopapiereffekt“: Die Bürger horten diesmal nicht das für die Toilettenhygiene so wichtige Papier, sondern Brennholz, berichtet der Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung (WBV) Wasserburg-Haag.
Wer vor dem Ukraine-Krieg fünf Ster für den Winter bestellt habe, frage derzeit häufig zehn nach. Für den Fall, dass Öl und Gas ausgehen, wird so oft vorgesorgt, berichtet Graßl.
Preise gehen teils durch die Decke
Die starke Nachfrage wirkt sich auf die Preise aus, „die gehen zum Teil durch die Decke“, sagt der WBV-Geschäftsführer. Als Richtwert für einen Ster (Raummeter) Holz, der ofenfertig ist, steht in der Brennholzbörse der WBV-Mitglieder, die ihr Kaminholz selber vermarkten, für Buche und Eiche 130 Euro. Doch im Münchener Umland gibt es schon Lieferanten, die 200 Euro verlangen, berichten Waldbauern. „Der Markt ist in einigen Bereichen fast leergefegt“, sagt Graßl.
Das bestätigt auch Robert Kaindl, Brennholzhändler aus Edling. „Ich bin komplett ausverkauft“, bedauert er. Kaindl muss selbst Stammkunden derzeit absagen – eine Entwicklung, die ihm große Sorgen bereitet, „denn ich kann nur hoffen, dass sie mir trotzdem treu bleiben“.
Händler fordert Planungssicherheit
Die Nachfrage sei so groß wie noch nie zuvor: Ständig klingele das Telefon, sogar Anrufer aus dem Großraum München seien dabei. „Die fragen nicht mal mehr nach dem Preis, die sagen, sie würden alles zahlen. So etwas habe ich noch nie erlebt“, so Kaindl.
„Sehr frustrierend“ sei derzeit die Situation, denn nachkaufen, das sei einfacher gesagt als getan. Holz sei ein nachwachsender Rohstoff, er brauche seine Zeit. Ein Waldbauer, der heute pflanze, tue dies für seine Kinder und Enkel. Erst sie könnten die Ernte einfahren.
Die Arbeit im Holz sei nicht mehr beliebt, weil schwer, gefährlich und aufwendig. Das geschlagene Holz könne außerdem nicht sofort verwendet werden als Baustoff und als Nebenprodukt für die Energiegewinnung. Es müsse gelagert und getrocknet werden. Die industrielle Trocknung funktioniere zwar schneller, benötige aber wieder einen hohen Energieeinsatz.
Großhändler könnten die instabile Lage auf dem Brennholzmarkt vielleicht stemmen, kleinere Betriebe hätten ein Problem. Sie müssten extrem teuer einkaufen und die Gefahr einkalkulieren, dass sie nach dem Ende der Energiekrise auf den Kosten und dem Produkt sitzenbleiben würden. Denn Kaindl geht davon aus, „dass die meisten wieder zu Öl und Gas zurückkehren, wenn die Krise vorbei ist.“
Deshalb fordert er von der Politik mehr Verlässlichkeit. Die aktuelle Krise als Folge des Ukrainekriegs zeige, dass immer nur kurzfristig reagiert werde, statt langfristig zu agieren. Die Energiewende benötige jedoch Planungssicherheit. Auch beim Brennholzmarkt: Der habe vor Ausrufung des Gasalarms niemanden interessiert, jetzt stehe er auf einmal im Fokus.
Auch Hackschnitzel werden teurer
Der Rohstoff aus dem Wald wird nicht nur für klimaschonendes Bauen und – als Nebenprodukt – für Brennholz in Ofen und Kamin benötigt, sondern auch für die Herstellung von Hackschnitzeln. Die Waldbesitzervereinigung vertreibt diese selbst. Unter anderem beliefert die WBV das Gymnasium Wasserburg und das Klinikum in Gabersee. Die Nachfrage nach Hackschnitzeln ist nach wie vor auf relativ normalem Niveau, berichtet WBV-Geschäftsführer Graßl. Neue Anlagen lassen sich schließlich nicht einfach aus dem Boden stampfen. Auch die Preise für Hackschnitzel würden jetzt jedoch steigen – nicht sprunghaft, sondern moderat. Denn für auch Fällung, Holzbearbeitung und Transport hätten sich die Material- und Energiekosten erhöht.
Beim Heizen mit Hackschnitzeln sieht Graßl noch kräftig Potenzial nach oben: Nach wie vor werde viel Material nach Österreich exportiert, weil das Nachbarland in diesem Bereich viel weiter sei. „Wir hinken hinterher in Deutschland.“
Forst spielt eine Schlüsselrolle
Eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spiele der Wald auf jeden Fall, ist Graßl überzeugt. Aufforsten ist das Gebot der Stunde – auch wenn es dauert, bis der nachgepflanzte oder per Naturverjüngung herangewachsene Baum bereit für die Verwertung ist. Doch fest stehe auch: Nur etwa 20 Prozent der Einschläge könnten für die Energiegewinnung genutzt werde, so Graßl.
Der waldreiche Freistaat Bayern – 30 Prozent der Fläche ist Forst – habe trotzdem ein großes Potenzial für die Lösung der Energie- und Klimakrise – nicht nur jetzt, weil Gas knapp wird und Heizöl teuer, sondern langfristig gesehen.
Elektrische Heizlüfter erleben ebenfalls einen Boom
Die drohende Gasknappheit hat einen Run auf elektrische Heizlüfter ausgelöst – mitten im Hitzesommer auch im Wasserburger Land. Viele Bürger wollen auf Nummer sicher gehen – aus Sorge, sie könnten im Winter im Kalten sitzen, weil der Vermieter die Heizung herunterdrehen könnte oder Gas und Öl unbezahlbar werden.
Die sich anbahnende Energiekrise in Deutschland ist deshalb auch für den Wasserburger Hagebaumarkt ein Thema. Es sei zu spüren, dass die „Angst umgeht“, sagt Marktleiter Bernhard Christoph.
In seiner Filiale sieht er freilich elektrischen Heizlüftern noch keine gravierenden Lücken in den Regalen. „Natürlich haben wir einen erhöhten Abverkauf festgestellt, ich möchte aber nicht von einem Umsatzmaximum sprechen.“ Außerdem verfüge sein Markt noch über Restbestände vom vergangenen Jahr. Neue Ware komme Mitte, Ende September, so Christoph.
Er warnt davor, mit elektrischen Heizlüftern die Hauptheizung ersetzen zu wollen. „Das ist nicht optimal, das wäre von den Stromkosten aus berechnet extrem ungünstig.“ Heizlüfter seien jedoch sinnvoll, wenn sie kurzfristig eingesetzt würden. Auch Brennholz sei derzeit noch ausreichend vorrätig. „Wir haben zwölf Kisten da, und wir haben an unsere Stammkunden auch schon Holz verkauft. Die anderen kommen wohl erst, wenn es kalt wird. Momentan können wir unsere Kunden bedienen.“
Diebstahl kein Thema: „Der Privatwald hat Augen und Ohren“
Die Sorge, im Winter frieren zu müssen, führt zu kuriosen Entwicklungen: Unter anderem vermelden die bayerischen Staatsforsten, dass vermehrt auch Holzdiebe im Wald unterwegs sind. Das ist laut WBV Wasserburger-Haag bei den Mitgliedern zwar ebenfalls ein Thema, das die Waldbesitzer umtreibt, Fälle hat es im WBV-Gebiet, das 13.000 Hektar umfasst, jedoch noch nicht gegeben. „Der Privatwald hat mehr Augen und Ohren“, nennt Geschäftsführer Alexander Graßl als Grund. Will heißen: Hier steht der Forst auf kleineren Flächen viel mehr unter Beobachtung. Diebe, die das Holz mit Lkw abtransportieren müssten, fallen in der Regel auf.
