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Postgebäude birgt Gedächtnis Kolbermoors

„Von außen nicht schön und innen marode“: Aus den wilden Zeiten einer Hundertjährigen

Diese Hundertjährige hat wahrlich wilde Zeiten erlebt. Bankräuber erbeuteten hier einst 2000 Mark, doch clevere Postmitarbeiter sorgten dafür, dass sie schnell gefasst wurden.
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Diese Hundertjährige hat wahrlich wilde Zeiten erlebt. Bankräuber erbeuteten hier einst 2000 Mark, doch clevere Postmitarbeiter sorgten dafür, dass sie schnell gefasst wurden.

Diese Hundertjährige hat wahrlich wilde Zeiten erlebt. Einst erbeuteten Bankräuber bei ihr 2000 Mark und wurden mit der „Schneckenpost“ geschnappt. Dann stand sie wegen ihres Zustandes in der Kritik. Heute ist sie das Gedächtnis der Stadt Kolbermoor.

Kolbermoor – „Echt gelungen!“, mag sich mancher denken, der heute auf dem Bahnhofsvorplatz steht. Das dortige Bauensemble gehört ganz sicher zu den Schmuckstücken Kolbermoors, und dazu trägt neben dem Bahnhof zweifellos auch das inzwischen 100-jährige Postgebäude bei, das heute das Heimatmuseums beherbergt. Doch das war nicht immer so.

Berühmt durch seine Miss-Stände

Bürgermeister Peter Kloo erinnert sich noch gut an eine „Jetzt-red-I“-Sendung des Bayerischen Rundfunks irgendwann Anfang der 90er-Jahre. Er war damals für die Sicherstellung der Stromversorgung während der Sendung verantwortlich.  In der Life-Ausstrahlung beklagte sich ein Postbeamter bitter über den Bauzustand des Hauses, in dem damals noch die Post beherbergt war: „Von außen nicht schön, innen mehr oder weniger marode und insgesamt eigentlich ein Sicherheitsrisiko.“

Die Kritik am Postgebäude hat eine lange Tradition: Schon in den 1930er-Jahren beschrieb Johann Wipper, einer der damaligen Kolbermoorer Ortschronisten, den Bau alles andere als wohlwollend, obwohl dieser da gerade einmal zehn Jahre alt war: Er sei in den Inflationsjahren 1922/23 schnell und günstig, um nicht zu sagen billig hochgezogen worden, so meinte er. Ein schmuckloses Gebäude und zudem von der Raumaufteilung für seinen Verwendungszweck eigentlich nicht optimal. Wipper war als Postbeamter und Oberpostschaffner ein Insider, und so war seine Kritik an dem Haus wohl auch ein Ergebnis der allgemeinen Postsituation in Kolbermoor. 

War Postversorgung schon immer schlecht?

Wenn man dem Chronisten glauben darf, dann war die Postversorgung von jeher ein Kampf: Ein Kampf um eine vernünftige Einstufung – man schaffte es bis 1919 immerhin bis zum Postamt dritter Klasse. Ein Kampf um ausreichend Personal und später auch um angemessene technische Versorgung. Denn über lange Jahre musste das ganze Stadtgebiet von nur zwei Postboten versorgt werden. Die Ausrüstung mit Telefonzellen wie auch privaten Telefonanschlüssen war ebenfalls mau: Auf einen Anschluss wartete man bis Ende der 60er-Jahre so lange wie auf den Sankt Nimmerleinstag. Öffentliche Telefonzellen gab es im Jahr 1968 in ganz Kolbermoor sage und schreibe nur drei Stück. 

Auszug statt Sanierung

Doch zurück zum Gebäude selbst. Nach der besagten „Jetzt-red-I“-Sendung und der dabei geäußerten Kritik sei dann doch Bewegung in die Sache gekommen, erinnert sich Bürgermeister Peter Kloo. Doch nicht etwa mit einer Sanierung des Hauses. Nein. Die Post zog einfach um und zwar in das Gebäude, in dem heute das Geschäft für Second-hand-Mode des BRK untergebracht ist.

Endlich ein Domizil für Heimatmuseum

Der alte Postbau stand Anfang der 90er also für eine neue Nutzung zur Verfügung. Und dies wiederum war ein Hoffnungsschimmer für Horst Rivier und eine Schar Gleichgesinnter, die sich in einem Förderverein für ein Heimatmuseum zusammengeschlossen hatten, wie Stefan Reischl, der jetzige Vorsitzende des Vereins erzählt. 

Heute ist die Alte Post mit dem historischen Briefkasten das Gedächtnis der Stadt Kolbermoor. Sie beheimatet das Museum.

Rivier hatte eine Mission: Er wollte die Geschichte der jungen Stadt Kolbermoor bewahren, hatte schon seit Jahren Dokumente, Fotos und Gegenstände gesammelt. So eine Sammlung aber will präsentiert werden. Deshalb suchten er und seine Freunde unablässig nach passenden Räumen. Der alte Postbau schien dafür geradezu ideal – groß genug, um doch einiges unterzubringen und noch dazu mitten in der Stadt. 

Lange Zeit aber schien es, als würde es auch hier heißen „Wieder nix“, denn für das Gebäude gab es noch einen anderen möglichen Verwendungszweck: die Einrichtung eines Jugendtreffs. Die Entscheidung für eine der beiden Nutzungsmöglichkeiten muss ein hartes Ringen gewesen sein – schon im Vorfeld und auch bei der alles entscheidende Stadtratssitzung im Februar 1997. Sie dauerte bis spät in die Nacht. Danach aber ließ sich die Stadt nicht lumpen, steckte fast 600.000 Mark in die Sanierung des Gebäudes. Seit 1998 beherbergt es nun das Heimat- und Industriemuseum Kolbermoor. 

Räuber gehen wegen „Schneckenpost“ ins Netz

Dass sich das Haus damit wohlfühlt, glaubt man ihm ansehen zu können. Und auf jeden Fall „lebt es sich“ als Heimatmuseum wohl unaufgeregter als zur Zeit der Postnutzung. Denn auf die ehemalige Post hatte es 1980 sogar einmal einen Raubüberfall gegeben. Allerdings von einem Ganoven-Trio, das gute Chancen auf den Preis „Bayerns dümmste Räuber“ gehabt hätte. Schon eine halbe Stunde nach dem Überfall wurde der erste der drei Täter geschnappt, die beiden anderen noch im Lauf des selben Tages.

Dabei war ihre Beute mit 2000 Mark gering gewesen, denn die Drei hatten sich am falschen Schalter angestellt, wo sie vom Schalterbeamten auch noch bewusst langsam „bedient“ worden waren: Zeit genug für einen Kollegen, um den Alarmknopf zu drücken. Der Schalterbeamte wurde übrigens belohnt: Er bekam für seine Gelassenheit ein Dankschreiben der Oberpostdirektion München und zusätzlich doch immerhin 150 Mark.

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