Nach Festnahme auf Mallorca
„Kein blutiges Messer“: Warum Ermittlungen im Kiefersfeldener Giftmord so schwierig sind
Der Fall sorgte im April weit über Kiefersfelden hinaus für Aufsehen: Eine 63-jährige Frau soll in Kiefersfelden ihren Vater (89) über Monate hinweg vergiftet haben. Noch ermittelt die Polizei. Warum die Nachforschungen so heikel sind.
Rosenheim – Fünf Monate sind seit der Festnahme einer 63-Jährigen auf Mallorca vergangen, grob gesagt also 150 Tage. So lange schon müht sich eine Ermittlungsgruppe von Rosenheimer Polizeibeamten mit den Ermittlungen im Kiefersfeldener Giftmordfall ab. Zehn Beamte waren es zu Beginn, zusammengefasst in der „EG Erbe“. Hunderte von Tagen Arbeit haben sie zusammengerechnet in den Fall investiert.
Ergebnisse aber legt die Polizei noch nicht vor. Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, bittet auch im Namen der Staatsanwaltschaft um Verständnis. Doch die Polizei könne „aufgrund der nach wie vor andauernden Ermittlungen in dem Verfahren“ keine Resultate bekanntgeben. Derzeit sei nicht absehbar, wann die Untersuchungen von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in der Sache abgeschlossen seien.
Tausende von Seiten Ermittlungsakten
Eine Vorsicht, für die die Gegenseite Verständnis äußert. Harald Baumgärtl, einer der beiden Rechtsanwälte der 63-Jährigen, sagt: „So ganz klar ist der Sachverhalt ja doch nicht.“ Es sei ja nicht wie im Idealfall, dass da „ein blutiges Messer neben der Leiche liegt, und der mutmaßliche Täter gleich daneben steht“.
Rund 3000 Seiten, so schätzt der Rosenheimer Anwalt, umfassen die Ermittlungsakten bislang. Baumgärtl spricht von
umfangreicher Ermittlungstätigkeit. Schon bei einfacheren Fällen seien Ermittlungen über fünf, sechs Monate nicht eben die Ausnahme, hier aber handele es sich um einen komplizierten Sachverhalt.
Frühestens im September rechne er mit dem Abschluss der Nachforschungen. „Da muss die Polizei das gesamte Umfeld abklopfen“, sagt er, „das ist nicht so wie bei einer einfachen Körperverletzung, wo A dem B auf die Nase haut, und nicht weit weg stehen zwei Zeugen, die gleich aussagen.“
„Höchstes Gut“: Deswegen ermittelt die Polizei besonders gründlich
Polizeisprecher Stefan Sonntag bestätigt: „Tötungsdelikte sind immer aufwändig. Staatsanwaltschaft und Polizei ziehen da alle Register.“ Zwar sei die Ermittler-Gruppe „Erbe“ schon wieder reduziert worden.
Doch ist immer noch genug Arbeit für Spezialisten zu tun. So seien elektronische Medien auszuwerten. Zudem sei der Fall auch aus medizinischer Sicht anspruchsvoll. „Wir sind auf Gutachten angewiesen“, sagt Sonntag, „in die Ermittlungen sind also auch Sachverständige eingebunden.“
Die Tat soll sich über Monate hingezogen haben
Die Tat, die der 63-jährigen Frau vorgeworfen wird, hatte für Aufsehen gesorgt. Zwischen Mai und November hat sie nach Ansicht der Behörden ihrem pflegebedürftigen Vater in dessen Wohnung in Kiefersfelden regelmäßig Diazepam und Morphin verabreicht.
Im November vergangenen Jahres starb der 89-Jährige schließlich im Klinikum in Rosenheim, ein paar Tage nur, nachdem er in das Krankenhaus eingeliefert worden war. Sein Tod warf Fragen auf. Und bald hatten die Ermittler die Tochter im Visier. Sie soll, so der furchtbare Verdacht, ihren Vater wegen des Erbes umgebracht haben. Nach Ansicht der Behörden ging es um genau 112.875 Euro.
Die deutschen Ermittler kontaktierten schließlich ihre spanischen Kollegen. Anfang April nahmen die Spanier im Beisein eines Staatsanwalts aus Deutschland die Frau auf Mallorca fest, wo sie in der Wohnung ihrer Tochter im Palma lebte. Wenige Wochen darauf wurde sie an Deutschland ausgeliefert. Und zwar auf Antrag der Staatsanwaltschaft Traunstein.
Warum die Ermittlungen kompliziert sind
Was die Angelegenheit so kompliziert macht: Es war nicht einfach ein Gift wie Arsen, das die Frau verabreichte, sondern offenbar ein Cocktail aus Diazepam und Morphin. Wie sich bei diesen Beruhigungs- und Schmerzmitteln Wirkung und Gegenwirkung entfalten, muss ein medizinischer Gutachter klären.
Zudem gehen die Behörden davon aus, dass die Frau die Tat nicht unmittelbar und selbst erledigt habe, sondern die fatale Mixtur durch die ahnungslosen Pflegekräfte habe verabreichen lassen. Sie soll ihnen weisgemacht haben, es handele sich dabei um ganz normale Medikamente. Die Ermittler müssen folgerichtig auch die Pflegekräfte befragen und ihr Umfeld abklopfen.
Ermittlungen gegen die Tochter der 63-Jährigen sollen ruhen, dafür soll zwischendurch ein Bruder aufs Radar der Ermittler geraten sein. Doch wollten sich Polizei und Staatsanwaltschaft zu diesen Gerüchten nicht äußern. Eine Kapitalstrafsache eben, und eine besonders vertrackte, da will auch Rechtsanwalt Baumgärtl nicht hudeln. „Das kostet seine Zeit“, sagt er, „da bin ich ganz entspannt.“