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Eine Hütte mit Hochgefühl

Eine Malaktion im Kindergarten als Therapie für suchtkranke Bewohner des Hauses Schwarzenberg

Strahlende Gesichter wegen der neu bemalten Hütte: (von links) Anna Aigner (Therapeutin im Haus Schwarzenberg), Meike Spahl und Andy Brandt sowie Marianne Sirkiä (Leiterin des Kindergarten Purzlbaam in Au bei Bad Feilnbach) mit den Kindergartenkindern.
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Strahlende Gesichter wegen der neu bemalten Hütte: (von links) Anna Aigner (Therapeutin im Haus Schwarzenberg), Meike Spahl und Andy Brandt sowie Marianne Sirkiä (Leiterin des Kindergarten Purzlbaam in Au bei Bad Feilnbach) mit den Kindergartenkindern.

Andy Brandt ist seit 15 Jahren kokainabhängig. Acht Jahre war er abstinent. Dann starb sein Großvater, und er wurde rückfällig. Seit fünf Monaten lebt er im Haus Schwarzenberg in Bad Feilnbach. Dort lernen Menschen mit Suchterkrankung, ohne Drogen zu leben. Mit zwei anderen Bewohnern hat Brandt nun den Geräteschuppen des Kindergartens „Purzlbaam“ in Au bemalt.

Bad Feilnbach/Au – Der 37-Jährige spielt mit seinen Händen und lächelt schüchtern. Er blickt zu den Mädchen und Jungen, die vor dem bemalten Schuppen sitzen, zeigt ihnen den Daumen nach oben. Die Nervosität und der Stolz sind ihm ins Gesicht geschrieben. „So ein Hochgefühl kannte ich nicht mehr“, sagt Brandt. In den vergangenen Jahren habe er „nur Negatives“ erlebt. Erst starb sein Großvater, dann seine Großmutter. „Ich habe mich aufgegeben.“ Dann kam es noch schlimmer: Er ist neben seiner toten Freundin aufgewacht – Überdosis. Eigentlich wollten sie zusammen zur Therapie. Seit ihrem Tod ist er allein „am kämpfen“. Nun lebt er im Haus Schwarzenberg.

Eine Woche Arbeit

„Wir wollen den Bewohnern zurück zur Normalität helfen und einen Sinn geben“, sagt Therapeutin Anna Aigner. Ein Jahr Aufenthalt sei das Minimum, um dieses Ziel zu erreichen, sie empfiehlt zwei. Doch wie finden Menschen wieder Sinn nach Lebenskrisen? Indem sie sich in die Gemeinschaft einbringen. Andy Brandt und die Bewohner Meike Spahl und Tobias Bayerlein haben deshalb den Geräteschuppen des Kindergartens bemalt.

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Zuerst haben sie die Hütte zwei Tage lang grün grundiert. Den Schuppen, die Farben und Pinsel hat die Gemeinde Bad Feilnbach bezahlt. Die Kinder haben die Motive gewählt, die Sterne hat sich Brandt ausgesucht. Eine Woche hat er an dem Gesamtwerk gearbeitet – sogar am Wochenende. Vor neun Uhr hat er jeden Tag angefangen und vier bis sechs Stunden durchgemalt. Er wollte sein Kunstwerk in „einem Rutsch“ und so schnell wie möglich fertig bekommen – das schöne Wetter ausnutzen.

Kinder beobachten Künstler bei Arbeit

Die Kinder hat Brandts Talent fasziniert. Therapeutin Aigner erzählt, dass sie ihm schon zugewunken haben, wenn sie ihn im Bus der Einrichtung entdeckten. Dauernd hätten sie aus dem Fenster gesehen, um ihn bei der Arbeit zu beobachten. In der Hofpause standen sie hinter ihm. „Andy war sehr geduldig und hat alle Fragen der Kinder beantwortet“, sagt Marianne Sirkiä, Leiterin des Kindergartens „Purzlbaam“. Nun ist die Hütte mit einem Pferd, einer Katze, einem Feuerwehrauto, einem Jungen und einem großen Regenbogen mit Wolken verziert. Das Ergebnis kommt an. „Die Kinder freuen sich, also habe ich alles richtig gemacht“, sagt Brandt. Leiterin Sirkiä gefallen die Bemalung und die „lebendigen Tiere“. Auch im Haus Schwarzenberg hat die Aktion Aufmerksamkeit erregt. Viele Bewohner wollten mitfahren und sich die Hütte ansehen.

Mit Pinseln zu arbeiten war neu für Brandt

Es ist nicht das erste Mal, dass Brandts Arbeit auffällt. Kreativ war der 37-Jährige schon immer. „In Mathe habe ich immer meine Hefte vollgemalt“, erinnert er sich an seine Schulzeit. Auch die Wände seines Kinderzimmers habe er bemalt. In seiner Freizeit fertigt er Porträts, Graffitis und Schriften. Im Haus Schwarzenberg hat er eine Wand gestaltet und Bilder für die Büros der Therapeuten gemalt. Auch andere Bewohner leitet er beim Malen an. „Das geht mir leicht von der Hand“, sagt Brandt. Seit fünf Jahren ist er Tätowierer, hatte einen eigenen Laden mit einem Kollegen. Da habe er den ganzen Tag frei Hand gemalt. Mit Pinseln an dem Schuppen zu arbeiten, sei neu für ihn gewesen. Deshalb hat er die Motive mit Bleistift und Kreide vorgezeichnet.

„Das hat was Therapeutisches“

Das Werkzeug spielt aber keine große Rolle. „Wenn man malt, macht man den Kopf aus – das hat was Therapeutisches“, sagt Brandt. „Genau deswegen bin ich deine Praktikantin geworden“, entgegnet Meike Spahl. Die Arbeit an der Hütte hat ihr gutgetan. Sie habe Spaß gehabt, obwohl sie sich momentan zu allem anderen zwingen müsse. „Da dachte ich, beim Andy bleibe ich“, sagt die 53-Jährige. Auch sie ist von seinem Können fasziniert. Es sehe so einfach aus, wie er „das aus dem Handgelenk schüttelt.“ Brandt beeindruckt die Menschen nicht nur mit seinen Malereien.

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Er hat sich für den Weg aus der Sucht entschieden, will sein Leben in den Griff bekommen und arbeitet täglich daran. „Man kann es schaffen, aber man muss Ehrgeiz und ein Ziel vor Augen haben“, sagt der 37-Jährige. Ein Ziel hat er jedenfalls: Wieder tätowieren, irgendwann vielleicht sogar ein eigenes Studio aufmachen. Zurück zur Normalität.

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