Wurde Bauausschuss der Gemeinde erneut übergangen?
Wieder Streit um Bauvorhaben in Feldkirchen-Westerham - Bürgermeister und CSU im Clinch
Was ist los in der Gemeinde Feldkirchen-Westerham? Nachdem schon die nachträgliche Genehmigung für den Schwarzbau des Gesindehauses auf Gut Irnberg auf dem Verwaltungsweg ans Landratsamt weitergeleitet wurde, ging nun auch ein zweiter Bauantrag am Bauausschuss vorbei.
Feldkirchen-Westerham – Diesmal geht es um ein Bauvorhaben am Lindenweg in Feldkirchen, das nach Informationen des Landratsamtes das gemeindliche Einvernehmen vom Bürgermeister bekam. „Das darf er nicht“, betont Wilfried Schober, Direktor des Bayerischen Gemeindetages.
CSU fragt schon seit August nach
Schon in der Gemeinderatsitzung am 17. August hatte Anton Kammerloher (CSU) nachgefragt, wer diesem Bauvorhaben das Einvernehmen gegeben habe. „Damals wurde gesagt, dass die Gemeinde keine Einflussmöglichkeiten mehr habe, da das Landratsamt die Genehmigungsbehörde sei“, informiert er.
Der CSU-Fraktion reichte diese Begründung nicht. „Wir haben deshalb den Antrag gestellt, dass Auskunft über die Baugenehmigung gegeben wird“, informiert Fraktionsvorsitzender Bernhard Neumaier. In der Sitzung am Dienstag, 26. Oktober, steht der Antrag nun auf der Tagesordnung. Doch schon auf der Bürgerversammlung am 14. Oktober wurde das Thema öffentlich. Klaus Dank, ein Nachbar vom Lindenweg, fragte an: „Wie kann die Gemeinde zu solch einem Bauvorhaben ihr Einvernehmen geben?“
Acht Parkplätze für acht Wohnungen
Das Bauvorhaben wird auf einem 720 Quadratmeter großen Grundstück am Lindenweg realisiert: Hier entstehen zwei Gebäude mit fünf beziehungsweise drei Wohnungen und acht Stellplätzen. Der Bauausschuss hatte in seiner Sitzung am 13. April über einen Bauantrag für das gleiche Grundstück beraten: Da ging es allerdings um ein Gebäude mit sechs Wohnungen und zwölf Stellplätzen. Mit einer knappen Mehrheit von 6:5 Stimmen erhielt das Bauvorhaben damals das gemeindliche Einvernehmen.
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Nun soll im Gemeinderat die Frage geklärt werden, wer dem veränderten Bauvorhaben das Einvernehmen erteilt hat, denn: „Wir haben dieses Bauvorhaben nicht gesehen und ihm auch nicht zugestimmt“, kritisiert Kammerloher. Das bestätigt auch Dritter Bürgermeister Josef Hupfauer (FW Feldolling): „Ich habe damals gegen diese Nachverdichtung gestimmt. Jetzt wird etwas Neues geplant und taucht im Bauausschuss gar nicht mehr auf.“
In der Bürgerversammlung gaben weder Bürgermeister Hans Schaberl (parteilos) noch Bauamtsleiter Hermann Weber klare Antworten darauf, wer das gemeindliche Einvernehmen gegeben habe oder warum der geänderte Bauantrag am Bauausschuss vorbeiging. Auch Nachfragen des Mangfall-Boten blieben mit Verweis auf die Gemeinderatssitzung am Dienstag unbeantwortet.
Stellplatzsatzung und Bebauungsplan fehlen
Bauamtsleiter Hermann Weber erläuterte in der Bürgerversammlung lediglich, dass es für dieses Gebiet keinen Bebauungsplan mehr gebe. Deshalb richte sich die Bebauung in dieser innerörtlichen Lage nach den Vorgaben des Paragraphen 34 des Baugesetzbuches. Das Bauvorhaben müsse sich also in die Umgebungsbebauung einfügen und städtebaulich vertretbar sein.
Der erste Bauantrag wurde vom Bauausschuss am 13. April befürwortet. Das Landratsamt lehnte ihn aber ab: „Die Prüfung des Erstantrages ergab, dass sich das Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht einfügt“, informiert Michael Fischer, Pressesprecher des Landratsamtes und erklärt weiter: „Nach einer Besprechung mit den Bauherrn am 22. Juni wurde dem Landratsamt am 26. Juli eine neue Planung vorgelegt.“
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Der Bauwerber – Pro-Bürger-Gemeinderat Martin Oswald – war für eine Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung nicht zu erreichen. Die Bauverwaltung der Gemeinde informiert in den öffentlichen Sitzungsvorlagen für die Gemeinderatssitzung: „Er hat im Gespräch direkt mit dem Landratsamt abgeklärt, was genehmigungsfähig ist.“ Im Ergebnis habe man sich auf zwei Gebäude mit acht Wohneinheiten verständigt.
Die Verwaltung muss die veränderten Pläne zweimal auf dem Tisch gehabt haben, denn in der Vorlage wird auch erklärt, dass „Verwaltung beziehungsweise der Bürgermeister“ den ersten Planungen mit einem Krüppelwalmdach „das Einvernehmen verweigert“ hätten. Die geänderte Planung mit einem normalen Satteldach habe das Landratsamt dann als „rechtssicher“ eingestuft.
Landratsamt hätte Einvernehmen ersetzt
Wiederum schriftlich erklärt die Verwaltung: „Aufgrund der Aussage, dass das Landratsamt das nicht erteilte Einvernehmen der Gemeinde ersetzen wird, wurde der Bauantrag im Büroweg behandelt und an das Landratsamt übermittelt.“ Das Landratsamt ergänzt auf Nachfrage des Mangfall-Boten: „Der Bürgermeister hat mit Formblatt vom 19. Juli das Einvernehmen als Angelegenheit der laufenden Verwaltung erteilt. Er konnte das Einvernehmen schon so früh erteilen, weil die neue Planung in der Gemeinde eingereicht wurde.“
Doch seit wann lag die geänderte Planung in der Gemeindeverwaltung? Auf Nachfrage des Mangfall-Boten lehnt der Bürgermeister eine Auskunft ab – wieder mit dem Verweis auf die Gemeinderatssitzung.
Doch durfte der Bürgermeister das Einvernehmen überhaupt erteilen? An dieser Frage scheiden sich die Rechtsauffassungen. Der Pressesprecher des Landratsamtes erklärt, dass Schaberl es durfte, weil das geänderte Bauvorhaben kleiner als das erste war. Der Direktor des Bayerischen Gemeindetages vertritt die Meinung, dass auch ein geänderter Bauantrag dem Gemeinderat vorgelegt werden muss.
Und auch CSU-Gemeinderat Kammerloher sagt: „Es handelt sich hier um eine erhebliche Änderung des ursprünglichen Bauantrages. Diese muss dem Bauausschuss vorgelegt werden.“ Er verweist auf die Geschäftsordnung der Gemeinde Feldkirchen-Westerham. Dort sind die Befugnisse des Bürgermeisters klar definiert. Nach Paragraph 12, Absatz 4 darf er nur dann das gemeindliche Einvernehmen geben, wenn es sich um „untergeordnetes Bauvorhaben“ handelt. „Und das ist hier nicht der Fall“, betont Kammerloher, „denn aus einem Gebäude mit sechs Wohnungen wurden zwei Gebäude mit acht Wohnungen“.
Neue Satzung wird nicht wirksam
Das Landratsamt erteilte die Baugenehmigung am 30. Juli, also nur vier Tage nach Einreichung des geänderten Bauantrages: Nach Informationen des Amtes war das möglich, da das Bauvorhaben der Genehmigungsbehörde schon seit April bekannt, die alternative Bebauung mit dem Bauwerber abgestimmt war, und das gemeindliche Einvernehmen am 19. Juli erteilt wurde. „Wenn baurechtlich alles in Ordnung ist, hat der Bauwerber ein Recht auf die Genehmigung“, betont Fischer.
Gemeinderat Kammerloher hinterfragt aber auch die zeitliche Abfolge dieses Verwaltungsaktes: „Der Bauausschuss hat am 13. Juli und am 3. August getagt.“ Es war also keine sitzungsfreie Zeit wie seinerzeit beim Bauantrag für das Gesindehaus auf Gut Irnberg. Den hatte wie berichtet der Sohn des Bürgermeisters gestellt.
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Diesmal geht es um ein ganz anderes Problem: „In diesen Sitzungen wurde eine neue Stellplatzsatzung für unsere Gemeinde vorberaten und beschlossen.“ Demnach müssen seit 11. August zwei Stellplätze pro Wohneinheit nachgewiesen werden. Für den Bauantrag am Lindenweg kann die neue Stellplatzsatzung nicht mehr angewandt werden.
Nachbarn befürchten neues Parkchaos
Die Nachbarn machten ihrem Ärger auf der Bürgerversammlung Luft: Ihnen geht es um einen möglichen Wertverlust ihrer Grundstücke, aber auch um die Parksituation, da für acht Wohnungen nur acht Stellplätze geschaffen werden. Sie befürchten: „Wenn der Platz auf dem Grundstück fehlt, stehen die Autos auf der Straße, die Parksituation wird sich weiter verschlechtern.“
Auch dazu gibt es nun eine Antwort aus der Verwaltung: Auf Rückfrage habe das Landratsamt mitgeteilt, „dass auf zwei Stellplätze pro Wohneinheit kein Anspruch besteht“, da die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt keine Stellplatzsatzung hatte und am Lindenweg kein Bebauungsplan bestehe. „Das ärgert mich auch“, räumt der Bürgermeister ein: „Doch wir können dagegen nichts machen. Anordnung und Anzahl der Stellplätze werden nach den Vorgaben der Bauordnung vom Landratsamt beurteilt.“
Worum es im CSU-Antrag geht
Dass er den Bauausschuss übergangen haben soll, will Schaberl so nicht stehen lassen: „Das Landratsamt hätte das Bauvorhaben sowieso genehmigt. Unsere Stellplatzsatzung hätte sowieso nicht gegriffen.“ Er sieht in der Anfrage der CSU den Versuch, seinen Namen schlecht zu machen, sagte er gegenüber unserer Zeitung. „Uns geht es einzig und allein darum, zu klären, wo die Zuständigkeiten liegen“, reagiert CSU-Fraktionschef Neumaier. „Wir sind der Meinung, dass dieser Verwaltungsakt falsch behandelt wurde. Wir erwarten dazu eine klare Auskunft, mehr nicht.“
Die Nachbarn klagen gegen das Bauvorhaben. „Mit Schriftsatz vom 29. August wurde Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben“, bestätigt der Pressesprecher des Landratsamtes. Und die Gemeinde Feldkirchen-Westerham stellt klar: „Die gerichtliche Nachprüfung des Bescheids müsste über das Verwaltungsgericht München gegen den Freistaat Bayern in Form des Landratsamtes Rosenheim gerichtet werden.“
Wilfried Schober, Direktor des Gemeindetages, zur Bedeutung des „gemeindlichen Einvernehmens“
Welchen Stellenwert das gemeindliche Einvernehmen hat, erklärt Wilfried Schober, Direktor des Bayerischen Gemeindetages im Interview.
Darf der Bürgermeister das gemeindliche Einvernehmen allein erteilen?
Wilfried Schober: Das gemeindliche Einvernehmen hat eine grundlegende Bedeutung. Es ist keine Sache der laufenden Verwaltung. Daher ist es grundsätzlich die Aufgabe des Gemeinderates, das gemeindliche Einvernehmen zu erteilen. In der Geschäftsordnung der Gemeinde kann allerdings geregelt werden, in welchen Ausnahmefällen auch der Bürgermeister das Einvernehmen geben darf.
An wen kann sich der Gemeinderat wenden, wenn es dazu unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt?
Wilfried Schober: Beispielsweise an die Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamtes. Ihr gegenüber müsste der Bürgermeister dann begründen, warum er einen Bauantrag nicht dem Gemeinderat oder dem Bauausschuss vorgelegt hat, sondern das gemeindliche Einvernehmen selbst erteilt hat.
Wie oft kann zu einem Bauantrag das Einvernehmen erteilt werden? Nur einmal oder auch öfter?
Wilfried Schober: Wenn der Gemeinderat sein Einvernehmen bereits erteilt hat, und der Bauherr danach noch Änderungen vornimmt oder sogar noch einmal etwas ganz anderes plant, muss der Gemeinderat natürlich noch einmal draufschauen. Schließlich kann es ja sein, dass die neuen Pläne dem Rat nicht gefallen und er seine Meinung ändert.
Darf das Landratsamt das Einvernehmen ersetzen?
Wilfried Schober: Das gemeindliche Einvernehmen ist Teil des Baugenehmigungsverfahrens. Der Gemeinderat begutachtet ein Bauvorhaben vor allem in Bezug auf die Einfügung ins Ortsbild. Das Landratsamt als Genehmigungsbehörde kann dieses Votum auf Grundlage des Baugesetzbuches überstimmen oder aufheben.