Nach Antrag von SPD und „Die Partei“
Straßennamen mit NS-Bezug in Rosenheim: Stadtrat will Umbenennung, Anwohner eher nicht
Straßennamen mit NS-Bezug sind in deutschen Städten bis heute zu finden – auch in Rosenheim. Die Stadt will jetzt einen Kriterienkatalog erstellen und anschließend entscheiden, ob einzelne Straßen umbenannt werden sollen. Doch schon jetzt wird deutlich: Ein Großteil der Anwohner hat darauf so gar keine Lust.
Rosenheim – So richtig versteht Ingrid Hoffmann die Aufregung nicht. Die Rosenheimerin wohnt seit 15 Jahren in der Langbehnstraße. Dass jetzt erneut darüber diskutiert wird, die Straße umzubenennen, kann sie nicht nachvollziehen. „Ich möchte den Straßennamen beibehalten“, sagt sie. Ähnlich äußert sich Dieter Müller. Er wohnt seit 1987 in der Straße, hält nichts von einer Namensänderung und erinnert an eine ähnliche Diskussion vor 33 Jahren.
1988 erstmals für eine Umbenennung ausgesprochen
So hatten sich die Rosenheimer Stadträte bereits im Dezember 1988 dafür ausgesprochen, die Langbehnstraße in Geschwister-Scholl-Straße umzubenennen. Ein Jahr später wurde der Beschluss aufgehoben – wegen scharfer Proteste der Anwohner, die sich über eine Umbenennung beschwerten, weil sie deshalb ihre Postanschrift ändern müssten.
Antrag von SPD und „Die Partei“
33 Jahre später wollen SPD und „Die Partei“ einen neuen Versuch starten. In einem Antrag an Oberbürgermeister Andreas März (CSU) fordern die Politiker die Verwaltung auf, eine Liste aller Straßennamen in Rosenheim zu erstellen, deren Namensgeber beziehungsweise Ursprung einen Bezug zum Nationalsozialismus aufweisen.
Drei Straßen mit Bezug zur NS-Zeit
In Rosenheim scheint es davon drei Straßen zu geben. Neben der Langbehnstraße – die nach dem völkischen-antisemitischen Philosophen und Autor Julius Langbehn benannt wurde – haben auch der Oberdonauweg und der Niederdonauweg einen Bezug zum Nationalsozialismus. Den Florian-Seidl-Weg hatte die Stadt bereits im Jahr 2000 aufgrund des nationalsozialistischen Hintergrunds des Dichters in Georg-Schauer-Weg umbenannt.
Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte
Gleiches erhoffen sich SPD und „Die Partei“ jetzt auch von den drei anderen historisch belasteten Straßennamen.
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„Für die SPD hat die Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte eine enorme gesellschaftspolitische Bedeutung“, heißt es in dem Antrag. Die Akzeptanz historisch belasteter Straßennamen aus Gründen der Bequemlichkeit sei mit dem Andenken an jene Menschen, die aus rassistischen und menschfeindlichen Motiven heraus vertrieben und ermordet wurden, nicht zu vereinbaren.
Gegenstimme von der AfD
Die Verwaltung hat in der jüngsten Sitzung des Schul-, Kultur- und Sportausschuss deshalb vorgeschlagen, einen Kriterienkatalog zur fachhistorischen Einordnung und Bewertung der Rosenheimer Straßennamen zu erstellen und in einem der kommenden Ausschüsse beschließen zu lassen. „Auf Grundlage des Kriterienkatalogs und einer breiten evidenzbasierten Quellengrundlage könnten dann ergebnisoffene Einzelfallprüfungen vollzogen werden“, heißt es aus dem Rathaus.
Ein Blick nach München
Auf eine ähnliche Vorgehensweise hat man sich in München geeinigt. Medienberichten zufolge gibt es in der Landeshauptstadt 6300 Straßennamen. Bei 45 davon hat ein Expertengremium einen erhöhten Diskussionsbedarf festgestellt. Dabei geht es beispielsweise um die Teuchertstraße, die Agnes-Miegel-Straße, die Nettelbeckstraße oder die Richard-Wagner-Straße. Ende 2022 wollen die Experten eine Empfehlung für das weitere Vorgehen abgeben.
Gibt es noch weitere Straßen?
In Rosenheim haben sich die Stadträte jetzt – gegen die Stimme von AfD-Politikerin Monika Fischbacher – für den Vorschlag der Verwaltung ausgesprochen, einen Kriterienkatalog zu erstellen.
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Grünen-Stadtrat Karl-Heinz Brauner begrüßte den Antrag, sagte, dass Namen mit einer NS-Vergangenheit nichts auf Straßenschildern zu suchen hätten. Er sei überzeugt, dass man durch die Recherchen auch noch auf andere Straßennamen stoßen werde, über die ebenfalls diskutiert werden müsste.
Anwohner miteinbeziehen
„Nationalsozialisten haben auf Straßen nichts zu suchen“, sagte Stadtrat Markus Dick (Freie Wähler/UP). Er regte aber auch an, die Anwohner mit ins Boot zu holen. „Es bringt nichts, wenn die Anwohner rebellieren und dagegen vorgehen“, sagte er. Wie das ausgeht, hat der Versuch vor 33 Jahren gezeigt. Viel hat sich seitdem verändert – nur die Meinung einiger Anwohner zur Umbenennung ihrer Straße offenbar nicht.
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Auch in Puch in Fürstenfeldbruck gibt es eine Langbehnstraße. 2015 stimmte der Stadtrat einstimmig für eine Umbenennung. Gegen diese Entscheidung protestieren zahlreiche Anwohner. 2018 entscheid sich der Stadtrat deshalb gegen eine Umbenennung und stimmte für das Anbringen einer erklärenden Informationstafel in der Straße. Sollte es in Rosenheim zu einer Umbenennung der Straßen kommen, würde sich die Stadt um die neuen Schilder kümmern. Das Umschreiben von Personalausweisen und Fahrzeugscheinen wäre laut Stadt kostenlos.