Neubau der Grundschule in Stephanskirchen
Neues Lernen, neue Möbel - was sich im Lernhaus für Grundschüler ändert und was das kostet
Sitzmöbel von der Bodenmatte über Hocker und Sitzsack bis zur Tribüne, Regalen in verschiedensten Formen und Höhen, Rückzugsmuscheln, Totems - und das alles in bunten Farben. So kann Schule heute aussehen. Kostet aber.
Stephanskirchen - Der Lehrer steht vorne, an der Tafel oder gar am Pult, gegenüber sitzen in artigen Reihen die Kinder. So sieht Schule seit Jahrzehnten, ja Jahrhunderten aus. Eigentlich bis heute. Das ändert sich jetzt in Stephanskirchen. Die Otfried-Preußler-Schule (OPS) bekommt nicht nur eine neue Grundschule, sondern auch ein neues Konzept. Dafür greift die Gemeinde tief in die Tasche.
4,5 Millionen Euro - davon waren Architekt Richard Kröff, Gemeindeverwaltung und Gemeinderat bei der Vorstellung der Machbarkeitsstudie für den Neubau der OPS-Grundschule vor zwei Jahren ausgegangen. Dann kam eine Aula hinzu. Denn die bestehende Aula wird zugunsten der Mittagsbetreuung komplett umgestaltet. „Vermutlich das größte Bauprojekt in dieser Wahlperiode“, hielt Bürgermeister Karl Mair schon damals zur Gesamtmaßnahme fest.
Gruppenräume und Lernzentren statt langer Flure
Und schließlich brachte Schulleiter Florian Burggraf das „Lernhaus“-Konzept ins Spiel. Im „Lernhaus“, entworfen und umgesetzt in München, gibt es zwar immer noch klassische Klassenzimmer. Dazu kommen aber Flächen rund um die Klassenzimmer. Flächen, auf denen Kinder in kleinen Gruppen arbeiten können, auf denen Auszeiten genauso möglich sind, wie jahrgangsübergreifendes Lernen.
Flächen, die den Übergang von der traditionellen Halbtagsschule zur künftigen Ganztagsschule ermöglichen. Einer Ganztagsschule, auf die ab 2026 alle Eltern und Kinder ein Anrecht haben. Der Wandel der Schule hat auch bauliche Konsequenzen. Das „Lernhaus“ gliedert die Schule für Kinder und Erwachsene in überschaubare Einheiten. Die neue OPS-Grundschule wird viel mehr „eigene“ Schule, als es die alte war.
Lernbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt
„Mit diesem Konzept wird die soziale, zeitliche und räumliche Organisation eines Schultages konsequent von den Lernbedürfnissen des Kindes und Jugendlichen aus gedacht. Arbeit und Freizeit, Spannung und Entspannung, Bewegung und Ruhe, Lernen mit dem Kopf und Lernen mit Händen (und Füßen!) wechseln in einem organischen Rhythmus des Ganztags“, heißt es in einer Broschüre der Stadt München zum Lernhaus-Konzept.
Der Stephanskirchner Gemeinderat ging den Weg mit Burggraf und seinem Team, die OPS-Grundschule wird das erste „Lernhaus“ außerhalb Münchens. Was neben der Aula auch aufgrund der größeren Flächen außerhalb der Klassenzimmer die Baukosten auf über 7,5 Millionen Euro anwachsen ließ.
Im jüngsten Bau- und Planungsausschuss stellte Bauamtschef Wolfgang Arnst die Kosten für die letzten Arbeiten und Ausstattungen vor. Und die sind bei der Möblierung besonders hoch. Was, so Arnst, auch daran liegt, dass im September 2021, als die Kosten für die Möbel berechnet wurden, die Ausstattungsdetails vor allem bei den Gruppenräumen und Lernzentren noch nicht bekannt waren. Die stellten sich erst in den letzten Monaten heraus. Und hätten die Kosten für die Möblierung auf knapp 370.000 Euro hochgetrieben.
Sparen ja - aber nicht an der Qualität
Das war der Verwaltung zu viel. Also setzten sich Vertreter der Verwaltung und der Schule zusammen, suchten Sparmöglichkeiten, die dennoch eine sinnvolle Erstausstattung sicherstellen. Die Schulleitung schlug vor, die Möbel der beiden abgerissenen Klassenzimmer in den Neubau zu übernehmen, die Schranksysteme in den vier neuen Klassenzimmern zunächst in reduzierter Form anzuschaffen und auf eine neue Bestuhlung der Aula zu verzichten. Die 140 vorhandenen Stühle sollen vorerst ausreichen. Das spare insgesamt rund 110.000 Euro.
Noch weiter an der Möblierung der Gruppenräume und Lernzentren zu sparen, hielt Arnst nicht für zielführend. Das würde sicher auch die Qualität beeinflussen und sollte nicht weiter verfolgt werden. Allerdings schlug der Bauamtsleiter vor, zunächst einmal nur 80 Prozent der denkbaren Möbel anzuschaffen. Dann sehe man auch, was sich im Alltag bewähre und könne dann gezielter nachkaufen. „Das Lernhaus ist ja für alle Neuland.“
Eine Muschel als Rückzugsort
Warum die Möbel so vielfältig sind, erklärte Arnst damit, dass das eine Kind am liebsten bäuchlings liegend liest, das andere sich quer in einen Sessel hängt und das dritte auf Stufen lümmelt. Ein Kind kniet beim Schreiben gerne, das andere steht lieber und das dritte sitzt bevorzugt auf einem Hocker. All das geht am „Totem“, einem Holzgestell, an dem tablettartige Bretter in verschiedenen Höhen angesteckt werden können. Und wer gerade mal seine Ruhe braucht, für den gibt es eine „Muschel“ als Rückzugsort - vom Bürgermeister getestet und für gut befunden.
Gesamtkosten jetzt knapp 8,1 Millionen Euro
All diese Ausstattungsstücke - inklusive Mediensäulen, Garderoben und Schaukasten - kommen auf knapp 270.000 Euro. Angesetzt waren rund 150.000 Euro. Der Bau- und Planungsausschuss nickte die Mehrkosten gegen eine Stimme ab, der Gemeinderat muss nun über die Gesamtkosten von knapp 8,1 Millionen Euro für Um- und Neubau der OPS abstimmen.
Lehrer brennen für das Lernhaus-Konzept
Herbert Bauer (Parteifreie) war nicht der Einzige, dem das Konzept der Lernzentren gut gefiel. Er hofft, dass sich die Lehrer dann ab dem neuen Schuljahr auch schnell darauf einstellen. Da hat Wolfgang Arnst keine Bedenken: „Ich habe in letzter Zeit mit etlichen Lehrern zusammengesessen. Die sind total begeistert und brennen darauf, das Lernhaus-Konzept umzusetzen. Ganz egal, wie alt sie sind.“
