Künstler Daniel Westermeier alias Mister Woodland
Graffiti-Workshop in Stephanskirchen – Die Jugendlichen lernen nicht nur „sprayen“
13 Workshops hat Graffiti-Künstler Daniel Westermeier alias Mister Woodland heuer gegeben. Und bisher hat keiner „voll verkackt“. Nun durften Jugendliche den Jugendtreff „Die Box“ in Stephanskirchen besprühen. Dabei haben sie nicht nur Graffiti-Techniken gelernt.
Stephanskirchen - Die Kugeln in den Sprühdosen klackern. Die Jugendlichen schütteln sie hin und her, damit sich das Lösungsmittel und der Farbstaub verbinden. Die Pigmente setzen sich am Boden der Dosen ab, erklärt Daniel Westermeier alias Mister Woodland. Seit 30 Jahren sprüht er Graffiti, seit zehn Jahren verdient er sein Geld als Künstler. Sein Wissen gibt er in Workshops an Jugendliche weiter – nun auch am Jugendtreff „Die Box“ in Stephanskirchen.
Keine Kleinkriminellen heranziehen
„Das aller Wichtigste vorne weg: Fragt mich einfach“, sagt Daniel Westermeier. Die Kinder sollen ihn duzen. Ein Workshop ohne Barrieren, aber mit Regeln: Nicht den Boden ansprühen und nirgends malen, wo es verboten ist. „Ich will nicht, dass eure Eltern sagen: Jetzt ist mein Kind ein Kleinkrimineller“, betont der Künstler. Er habe illegal gesprüht – schiebt aber sofort nach: „Das ist blöd.“
Die acht Jugendlichen nicken. Mister Woodland gibt weitere Tipps: Sonnencreme und Trinken in der Hitze nicht vergessen. Pause machen, wenn der Finger wehtut. Die Aufsätze der Sprühdosen – die „caps“ – nicht liegen lassen. Und nie ohne Skizze und ohne Plan sprühen.
„Ich hoffe, ihr habt alle Klamotten dabei, die dreckig werden dürfen“, sagt Westermeier. In den Dosen ist eine Volltonfarbe, die im Vergleich zu Wasserfarben gut deckt. Fehler können übermalt werden. Die Kinder arbeiten ohnehin mit „skinny caps“, also dünnen Sprühköpfen. Das ist am besten für Anfänger, betont der Graffiti-Experte.
Er greift eine Dose, legt sie mit dem Bauch an die Wand, kippt sie nach vorne und zieht einen Strich nach unten. Erst kommt die untere Rundung, dann die obere. Ein giftgrünes „B“ ziert den weißen Container.
Weil der Sprühkopf rund ist, kann Daniel Westermeier keine Ecken ziehen. Deshalb müssten Sprayer immer wieder absetzen, in Strecken malen. Die „first lines“ – ersten Linien – seien das Gegenstück zu den Bleistiftstrichen auf Papier. Wer nicht schnell genug ist, dem verlaufe die Farbe.
„Ein Bild mit Läufern ist immer ein Zeichen, dass einer nicht gut ist“, sagt Mister Woodland. Um eine Fläche zu füllen, sollen die Kinder von rechts nach links sprühen, kein Zickzack. Nach jeder Linie kurz runter vom „pusher“, nächste Linie. So enstehe ein gutes „fill in“. Das sei das Basiswissen. „Wir lernen erstmal gehen und dann fliegen“, sagt Westermeier.
Graffiti-Slang auf Englisch
Neben den Graffiti-Techniken lernen die Kinder auch Graffiti-Slang auf Englisch: „can“ für Dose, „piece“ für Stück und „throwups“ für schlampige Stücke. Doch schludern wollen die Jugendlichen ohnehin nicht. Sie holen ihre Skizzen, zeigen sie dem Experten. Er drückt ihnen jeweils eine Dose in die Hand und teilt ein, wer was bemalt.
Die Freundinnen Emely und Sarah, beide zwölf Jahre alt, sprühen „Die Box“ an die Rückwand. Nach und nach ziehen sie die hellbauen Linien. Manchmal verschwimmen die Ränder der Buchstaben. Die Mädchen probieren, wie es besser geht, lassen sich nicht unterkriegen. „Ist schon geil“, sagt Emely. Und Sarah schiebt nach: „Das macht voll Spaß.“
Der zwölfjährige Marinko findet die Aufgabe „sehr kreativ“. Er hat sich ebenfalls für den Schriftzug „Die Box“ entschieden. Das freut Sozialarbeiter Andreas Thoma: „Schön, dass sich die Jugendlichen mit ihrem Treff identifizieren und ihn mitgestalten.“ So übernähmen sie spielerisch Verantwortung – für ihre Box, ihren Jugendtreff.
Darum geht es dem Sozialarbeiter zufolge in der Jugendarbeit: Mitgestaltung, Demokratiebildung, Vermittlung von Wissen, Erkennen von Stärken und Fähigkeiten. „Durch Kunst könnten sie ihre Meinung in die Gesellschaft tragen“, sagt Thoma.
Imbissbude oder Currywurst-Stand?
Die Aktion ist auf Initiative des Stephanskirchener Bürgermeisters entstanden. „Es ist wichtig, dass wir da ein bisschen Farbe reinbringen“, sagt Karl Mair. „Manche Leute fragen, ob das eine Imbissbude ist und ob es hier Currywurst gibt.“ In Zukunft sollen die Passanten sehen, dass der weiße Container mit dem Holzdach ein Jugendtreff ist – „bunt und lebendig“.
Die Kosten für den Workshop übernimmt die Gemeinde: 500 Euro plus die Dosen. Eine kostet sechs Euro, 40 hat Daniel Westermeier gekauft. „40 Dosen und eine sechs Euro?“, staunt ein Junge. „Wie viel ist das?“, fragt der Künstler. Der Junge rechnet, tut sich schwer. Westermeier hilft ihm: Zwei mal sechs? Zwölf. Davon das Doppelte? 24. Und jetzt eine Null hintendran.
Mathe, Englisch und Graffiti-Techniken – Mister Woodland als Rundum-Lehrer. Auch Geduld lehrt er die Jugendlichen: „Verzweifelt nicht, wenn eure Bilder am Anfang nicht so aussehen wie meine.“ Sie sollen in das „Ding“ reinfühlen. Reflektieren, wieso es nicht klappt.
Wenn der Künstler mit jemandem spricht, kommen die Jugendlichen oft angelaufen. Daniel dies, Daniel das. „Ich unterhalte mich gerade“, antwortet er dann. Und die Kinder warten, respektieren ihn. Ein Junge sagt: „Du malst wirklich gut.“ Ein anderer bestaunt Westermeier für seinen „coolen Audi“.
Doch der Graffiti-Experte gibt die Workshops nicht, um zu gefallen. „Ich komm vom Land, mir hat keiner was gezeigt.“ Er habe sich alles selbst beigebracht – „aber falsch“. Als er das erste Mal in München gesprüht hat, hätten ihn die anderen ausgelacht. Das will er den Jugendlichen ersparen. Zudem verdiene er Geld damit - in Weißrussland, Bulgarien, Österreich, Norwegen, Frankreich und vielen anderen Ländern.
„Was Selbstgemachtes erfüllt einen mit Stolz“
„Das ist was für Zwischendurch“, sagt Daniel Westermeier über die Workshops. An Hausfassaden arbeite er meist mehrere Wochen, mit Vorbereitung und Umsetzung. Er male schon, seit er einen Stift halten kann. Die Arbeit mit einem Pinsel sei zehnmal leichter, als zu sprühen. Vier bis fünf Jahre habe es gedauert, bis seine Graffiti gut gewesen sind. Aber am Ende lohnt es sich: „Was Selbstgemachtes erfüllt einen mit Stolz.“






