Die Rückkehr der Gipsbüste Luitpolds
Städtisches Museum in Rosenheim präsentiert Schaufensterausstellung mit einem der „letzten Monarchen“
Da thront er, der Prinzregent Luitpold im Schaufenster des Städtischen Museums. Das Mittertor, der Torbogen, in dem sich der Eingang zu den Ausstellungsräumen und besagter Guckkasten befinden, ist ein viel begangenes Nadelöhr. Und so ist der Luitpold auch als Büste noch so volksnah, wie es seinem Ebenbild aus Fleisch und Blut nachgesagt wird.
Rosenheim – Das Städtische Museum Rosenheim greift mit dieser Fensterausstellung den Themenkomplex der diesjährigen Bayerischen Landesausstellung auf, die heuer vom Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg durchgeführt wird. Es geht um die „letzten Monarchen“ in den Jahren um die Jahrhundertwende. Dabei konzentriert sich die Schau nicht nur auf die bayerischen Protagonisten, wie den Märchenkönig Ludwig II., den letzten König von Bayern Ludwig III. und den in Rosenheim ausgestellten Prinzregenten. Auch Sissi und der Kaiser Franz Joseph, das russische Zarenpaar, Queen Victoria und der deutsche Kaiser Wilhelm II. sind Teil der in der Landesausstellung als „Götterdämmerung“ betitelten letzten Herrschergeneration vor der Revolution 1918.
Eine Zeit des Friedens und Fortschritts
Unter einem weniger prätentiösen Namen kennt man die 25-jährige Regentschaft Luitpolds von 1886 bis 1912: die „Prinzregentenzeit“. Eine Epoche, der man angesichts des brutalen Ersten Weltkrieges als der „guten alten Zeit“ nachtrauerte, erklärt der Leiter des Städtischen Museums Walter Leicht. Einer Zeit des Friedens, einer Zeit des technischen und zivilisatorischen Fortschritts.
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Unter anderem auf dem Gebiet der Hygiene sei man Ende des 19. Jahrhunderts auch in Rosenheim entscheidend vorangekommen, weiß der Museumsleiter. So habe der Chemiker Max von Pettenkofer das hygienische Gutachten für den Bau des Krankenhauses erstellt, das 1875 in Rosenheim in Betrieb genommen wurde. Als Begründer der wissenschaftlichen Hygiene bekämpfte der Forscher erfolgreich die Cholera in München.
Breite Sympathie für Prinzregent Luitpold
Es sei natürlich nicht alles eitel Sonnenschein gewesen, die Prinzregentenzeit werde im Nachhinein in vielerlei Hinsicht verklärt. Trotzdem, mit dem Luitpold, mit dem könne er sich ganz gut im Schaufenster arrangieren, meint Walter Leicht.
Die Gipsbüste hat außerdem schon so einiges gesehen. Die breite Sympathie, die Luitpold auch zu Lebzeiten erfuhr, wurde besonders anlässlich seiner Geburtstage deutlich, die auch in Rosenheim alljährlich im Hotel „Deutscher Kaiser“ gefeiert wurden. Das „bewegliche Monument“ war immer mit auf Partie – die Rosenheimer schleppten es sogar zu Festsitzungen des Stadtrats oder dem großen Tamtam, der im gesamten Reich jedes Jahr zum Sedantag veranstaltet wurde, um die Kapitulation der französischen Armee 1870 zu feiern.
Bronzeabguss der Gipsbüste verschollen
Doch mit der Zurschaustellung des „Vater Luitpold“ war pünktlich zur Machtübernahme der Nationalsozialisten Schluss. Die Figur habe das Dritte Reich eingelagert überdauert. Der Bronzeabguss, der nach der Gipsbüste gefertigt worden war, und anlässlich des 80. Geburtstags des Prinzregenten im Rosenheimer Rathausfoyer aufgestellt wurde, sei dagegen seit der Machtübernahme des NS-Regimes verschollen. „Da gibt es nichts“, beteuert Leicht. Kein Schriftstück dokumentiere das Verschwinden.
Die Rückkehr der Gipsbürste Luitpolds
Auch von den Tafeln, die zu Ehren Kaiser Wilhelm I., König von Preußen, und König Ludwig II. links und rechts der Bronzebüste im Rathausfoyer aufgestellt waren, fehlt jede Spur. Warum? In den frühen 30er Jahren, erklärt Leicht, habe es bayernweit Bestrebungen gegeben, die Wittelsbacher Monarchie als Bollwerk gegen die Nazidiktatur neu zu errichten.
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Diese Widerstandsbewegung hätte für das NS-Regime durchaus gefährlich werden können, weshalb alles, was an die Monarchie erinnerte, entfernt werden sollte. Die Gipsbüste Luitpolds kehrte Ende der 80er zurück, als Walter Leicht den Prinzregenten im Speicher des Städtischen Museums entdeckte und wieder „unters Volk mischte“.
Wilhelm II. noch im „Originalspeicherzustand“
Ganz anders sieht es mit der zweiten Gipsbüste aus, die im Museum eingelagert ist: ein stattlicher Schnauzer, militärisch zurückgekämmtes Haar. Es ist der letzte Deutsche Kaiser Wilhelm II., der da abgebildet ist. Im Gegensatz zum Prinzregenten, der im Bayerischen Nationalmuseum restauriert wurde, sei Wilhelm II. noch im „Originalspeicherzustand“, so formuliert es Leicht. Die Großmachtansprüche des Monarchen und Mitschuld am Beginn des Ersten Weltkriegs führen dazu, dass Wilhelm II. in Rosenheim keinen „Platz an der Sonne“ bekommt.
Schwarz-Weiß-Fotografie des Trios
Dessen Großvater Wilhelm I. hat Leicht dagegen einen Platz im Guckkasten zugedacht. Die Passanten entdecken ihn auf der kleinen Schwarz-Weiß-Fotografie unter der Büste, auf dem das Trio im Rathausfoyer abgelichtet ist, so wie es vor der Umgestaltung durch die Nationalsozialisten aussah. Links neben dem Prinzregenten und dem Kaiser war auch eine Tafel für den Märchenkönig Ludwig II. angebracht.
„Faul war der nicht. Der hat viel unterzeichnet zu seinen Lebzeiten“, meint Leicht und spricht damit das vom König unterzeichnete Dokument an, mit dem der Markt Rosenheim 1864 zur Stadt erhoben wurde. Getan war es damit aber nicht. Der Onkel Luitpold übernahm nach der Unmündigkeitserklärung und dem Tod seines Neffen 1886 das Regierungsgeschäft in Bayern. Erst im Zuge der Prinzregentenzeit entwickelte sich der frühneuzeitliche Markt zu einer modernen Stadt.