Tatverdächtiger in Untersuchungshaft
Verfolgungsjagd in Söchtenau: So haben die Nachbarn den dreisten Dieb geschnappt
Ein Schrei, ein Sprint, ein Haltegriff. Es waren Sekunden, in denen Untershofener am Dienstagabend (30. Juli) einen Dieb dingfest machten. Einer von ihnen berichtet nun, wie die Heldentat gelang.
Söchtenau – Untershofen in der Gemeinde Söchtenau ist ein beschaulicher Ort. Ein dreister Dieb hat die Dorfbewohner wegen dieser idyllischen Ruhe aber wohl gewaltig unterschätzt. Denn auch wenn die Nachbarn am Abend gemütlich auf ihren Terrassen sitzen oder ihren Garten gießen: Einen Einbrecher lassen sie so leicht nicht entkommen.
Nachbar ruft um Hilfe
Der Einbrecher kam am Dienstagabend (30. Juli) gegen 21 Uhr gerade von seinem Beutezug über die Terrassentür aus einer Wohnung an der Hauptstraße, als die Untershofener Alarm schlugen. „Ich habe den Schrei meines Nachbarn gehört und den Fremden durch den Garten meiner Eltern laufen sehen“, berichtet Karl M. (Name von der Redaktion geändert). Er möchte weder seinen Namen noch sein Foto in den Medien sehen, erzählt aber gern die Geschichte der erfolgreichen, nachbarschaftlichen Verfolgungsjagd.
Dieb durchwühlt gesamte Wohnung
Dann der nächste Schrei: „Lauft ihm nach. Er hat uns die Bude ausgeräumt.“ Karl M. rennt los: durch Gärten, über Zäune. „Nach drei Häusern hatte ich ihn. Da war ihm wohl die Puste ausgegangen“, erzählt der 43-jährige Untershofener. Er ist zwar fast 20 Jahre älter als der Dieb, dafür aber sportlich. Vor allem aber kennt er sich im Ort aus. „Und so konnte ich ihm den Weg abschneiden und auf einem Hof in die Enge treiben. Er kam nicht mehr raus.“
In der Dämmerung erkennt Karl M., dass der Mann kein Messer in der Hand hat. Schließlich bekommt er den 24-jährigen Polen am Arm zu packen und fixiert ihn mit einem Haltegriff: „Ich habe nichts gemacht, hat er gesagt“, berichtet der Untershofener. Warum er dann weggelaufen sei, wollte er nicht beantworten.
Im Rucksack findet sich auch ein Beil
Zwei weitere Nachbarn erreichen den Dieb und helfen Karl M. dabei, ihn so lange festzuhalten, bis die Polizei kam. Etwa 15 Minuten später treffen die Beamten ein. „Wir sind dann gemeinsam den Fluchtweg des Diebes abgegangen, haben den Rucksack und das Diebesgut auf der Wiese gefunden“, berichtet Karl M. Dabei finden sie auch ein Beil, das der Einbrecher aus dem Keller des Hauses mitgehen lassen hat.
Wurde der Ort ausspioniert?
Wie sich später im Gespräch unter den Nachbarn herausstellt, muss der Dieb gemeinsam mit anderen die Gegend ausspioniert haben. „Etwa eine halbe Stunde zuvor, wir saßen gerade beim Essen, hörten wir einen Passanten, der in einer Fremdsprache telefonierte“, erinnert sich Karl M. Die Untershofener dachten sich nichts dabei, schließlich sind durch Simssee und Campingplatz oft Gäste im Dorf.
Doch dieser Besucher, so vermuten sie nach dem Vorfall, spähte möglicherweise das kleine Dorf aus. Als er beobachtete, dass die Rollläden eines Hauses geschlossen waren, muss er vom Garten aus sein Glück versucht haben. Offenbar drückte er die Terrassentür der Erdgeschosswohnung auf. Sie war geschlossen, aber nicht verriegelt. Und so konnte er sich ins Haus schleichen.
In Windeseile durchwühlte er alle Räume und Etagen der Wohnung und sogar den Keller, packte Wertgegenstände und Bargeld sowie ein Beil in den Rucksack, zog sich eine Jacke der Nachbarn über und wollte unerkannt wieder das Weite suchen. Doch er hatte nicht mit den couragierten Untershofenern gerechnet, die seinen Beutezug vereitelten.
Die Polizei nahm den 24 Jahre alten polnischen Staatsangehörigen vorläufig fest. Das Fachkommissariat K2 der Kriminalpolizei Rosenheim hat die Ermittlungen wegen Diebstahls mit Waffen – aufgrund von Werkzeug und Beil im Rucksack – und Hausfriedensbruch aufgenommen. Ein Einbruch kann dem Dieb nicht zur Last gelegt werden, da die Wohnung offen zugänglich war.
Tatverdächtiger in Untersuchungshaft
Weil der Tatverdächtige keinen festen Wohnsitz im Bundesgebiet hat, wurde er auf Antrag der Staatsanwaltschaft Traunstein – Zweigstelle Rosenheim – am Mittwoch (31. Juli) dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Der erließ Haftbefehl. Der 24-Jährige kam in Untersuchungshaft.
Nach Informationen des Bayerischen Justizministeriums sind unter den 8.714 in bayerischen Justizvollzuganstalten Inhaftierten (Stand März 2022) etwa 2148 Untersuchungsgefangene im Alter von über 21 Jahren. Etwa 6,7 Prozent aller Strafgefangenen sind polnische Staatsbürger.
Zurück bleibt ein unsicheres Gefühl
In Untershofen hat der Dieb ein unsicheres Gefühl hinterlassen. Es ist nicht das erste Mal, dass das vertrauensvolle Leben in der dörflichen Gemeinschaft von Dieben ausgenutzt wird. Doch seit mindestens zehn Jahren ist in Untershofen nichts mehr passiert. Mit der neuen schlechten Erfahrung werden die Einwohner an Sommerabenden ihre Wohnungen wohl nicht mehr unbeobachtet lüften. „Man überlegt sich schon, ob man die Terrassentür noch offen lässt, wenn man am Abend die Kinder ins Bett bringt. Wohl eher nicht“, sagt Karl M.
