Nach dem Erdbeben in der Türkei
„Es ist furchtbar“: Semira aus Kolbermoor trauert um tote Familienangehörige in Antakya
„Antakya ist von der Landkarte gestrichen“, sagt Semira Bolat. Die Kolbermoorerin hat bei dem verheerenden Erdbeben im Südosten der Türkei Familienangehörige und Freunde verloren. Jetzt organisiert sie gemeinsam mit anderen Frauen Hilfe für ihre Landsleute.
Kolbermoor – Es war am Montagmorgen, gegen 5 Uhr, als Semira aus dem Schlaf gerissen wurde. Die ersten Live-Aufnahmen vom Erdbeben in der Heimat erreichten die türkischstämmige Kolbermoorerin. „Es ist furchtbar“, sagt die 56-Jährige, die seit 50 Jahren im Mangfalltal lebt und in der Carl-Jordan-Straße aufgewachsen ist.
Semira hat seit Montag kaum mehr Schlaf gefunden – aus Sorge um ihre Familienangehörigen in Antakya. Die Stadt in der türkischen Provinz Hatay mit ihren rund 200.000 Einwohnern hat das Erdbeben vom Montagmorgen, 6. Februar, besonders hart getroffen. „Antakya ist von der Landkarte gestrichen“, sagt sie und kämpft mit den Tränen. Die Gebäude fielen wie Kartenhäuser zusammen. Ganze Straßenzüge liegen in Schutt und Asche. „Alles ist dem Erdboden gleich“, beschreibt Semira.
Begraben unter den Trümmern
Erst am Dienstagnachmittag konnte sie ihren Bruder Ahmed Kizildag vor Ort in Antakya erreichen. Zu diesem Zeitpunkt beklagte die Stadt bereits 890 Tote – darunter auch Semiras Cousin Serkan, seine Frau Ayse und zwei ihrer Kinder. Von der jungen Familie überlebte nur eine kleine Tochter das Unglück. „Sie lebt jetzt bei ihrer Oma und ihrer Tante“, berichtet Semira voller Trauer.
Einer ihrer Neffen, seine Frau und ihre fünfjährige Tochter wurden unter den Trümmern ihres Hauses begraben. „Sie konnten sich zum Glück selbst befreien.“ Verschüttet wurden auch Semiras Schwester Hüsnülban und eine betagte Tante. „Meine Tante war eingeklemmt, konnte nicht mehr gerettet werden. Sie ist in den Armen meiner Schwester gestorben.“
Spenden für die Erdbebenopfer
Seit Montagmorgen organisieren Frauen wie Semira, Gönöl, Hava, Ayla und Zekye Spenden für die Menschen im Erdbebengebiet. „Sie haben alles verloren. Nach dem Erdbeben kamen die Flammen, dann das Hochwasser. Die Menschen haben nichts mehr, kein Dach über dem Kopf, keine Kleidung, keine Lebensmittel. Es herrschen Minusgrade“, beschreiben sie die dramatische Situation. Deshalb war das Treffen der türkischen Kolbermoorerinnen im Bürgerhaus „Mangfalltreff“ in dieser Woche von der Katastrophenhilfe für die Heimat geprägt. „Welche Spenden machen den meisten Sinn?“, diskutieren sie.
Sie haben warme Decken, Winterbekleidung, feste Schuhe, Windeln und Babynahrung schon ins Krisengebiet geschickt. Auch in der Moschee des türkisch-islamischen Kulturvereins im Aicherpark können noch bis Samstag Sachspenden abgegeben werden. „Doch viele Lkw kommen gerade an der bulgarischen oder serbischen Grenze nicht weiter“, weiß Ayla Balta. Sie ist überzeugt, dass „im Moment Geldspenden den meisten Sinn machen, mit denen gezielt vor Ort geholfen werden kann“.
Dafür hat der DITIB-Bundesverband, zu dem auch der türkisch-islamische Kulturverein Rosenheim-Kolbermoor gehört, ein Spendenkonto eingerichtet. „Wer den Opfern helfen will, kann das aber auch über das Rote Kreuz oder die Hilfsorganisation Roter Halbmond tun“, erklärt Hava Aruk und betont: „Es sind unsere Familien, unsere Leute. Wir danken allen Menschen, die sie unterstützen, für ihre große Hilfsbereitschaft und Solidarität.“
Zusammenhalt ist für die Kolbermoorerinnen wichtig. Deshalb treffen sie sich jeden Mittwoch im Bürgerhaus. „Hier kommen wir ins Gespräch, beten und singen. Wenn eine von uns Probleme plagen, dann lösen wir diese gemeinsam“, beschreibt Semira die Gemeinschaft der türkischstämmigen Frauen. Hilfe zu geben, wo sie gebraucht wird, ist ihnen ein Herzensanliegen. Ganz egal wo – in der türkischen Heimat, aus der sie vor vielen Jahren als Kinder von Gastarbeiter nach Kolbermoor kamen. Oder in der neuen, der deutschen Heimat, in der sie aufwuchsen und ihre Familien gründeten. Wer ihnen dabei helfen möchte, die dramatischen Folgen des Erdbebens zu lindern, kann sich jederzeit an Semira Bolant unter der Telefonnummer 0176/62 79 37 43 wenden.



