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Sprecher beim Tischtennis in Kolbermoor führt Interviews

Schwärzeste Tage der Olympia-Geschichte: Zeitzeugen erinnern an Attentat 1972 in München

Offenbar vollkommen entspannt: einer der Terroristen des „Schwarzen September“ auf dem Balkon eines israelischen Mannschaftsquartiers.
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Offenbar vollkommen entspannt: einer der Terroristen des „Schwarzen September“ auf dem Balkon eines israelischen Mannschaftsquartiers.

Es sind Erinnerungen, die keiner der Beteiligten je vergessen wird: Das Olympia-Attentat 1972 in München, bei dem 17 Menschen starben, hatte die heiteren Spiele binnen kurzer Zeit zu einer Tragödie gemacht. Der ehemalige Hallensprecher beim Tischtennis in Kolbermoor hat mit Zeitzeugen gesprochen.

Kolbermoor/München – Als Hallensprecher der Kolbermoorer Tischtennis-Damen in der Bundesliga hatte Joachim Day jahrelang eher mit den unterhaltsamen Aspekten von Sport zu tun. Mit dessen tragischen Seiten befasste er sich in den vergangenen drei Jahren intensiv. Er führte für den Online-Auftritt „Erinnerungsort Fürstenfeldbruck“ Interviews mit zwölf Zeitzeugen des Terror-Anschlags 1972 bei den Olympischen Sommerspielen in München mit zwölf getöteten Opfern und fünf toten Attentätern. Noch vor dem Jahrestag des Anschlags am 5. und 6. September sollen die Aufzeichnungen zu hören sein.

Terror trifft die „heiteren Spiele“

Joachim Day, früherer Hallensprecher des SV-DJK Kolbermoor

„Niemand konnte sich vorstellen, dass der Sport instrumentalisiert werden könnte“: So beschreibt Joachim Day die Unschuld der „heiteren Spiele“, die am Morgen des 5. September 1972 schlagartig ihr Ende fand. Acht bewaffnete Palästinenser überfielen das Wohnquartier des israelischen Teams im olympischen Dorf, beim Angriff starben zwei Sportler, neun wurden als Geisen genommen.

Weltberühmt wurde das Schwarzweißbild eines Terroristen, den Kopf mit einer Skimütze vermummt, der sich vom Balkon des israelischen Quartiers aus mit aller Gelassenheit umschaut, als genieße er die Aufmerksamkeit der Kameras und die Öffentlichkeit. Die Bilder brannten sich dem elfjährigen Joachim Day ein, der das Drama im Fernsehen verfolgte.

Die Terroristen wollten ausgeflogen werden – ein Befreiungsversuch auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck mündete in eine wüste Schießerei. Alle israelischen Geiseln und ein deutscher Polizist starben, auch fünf der insgesamt acht Attentäter kamen ums Leben.

So wie die Olympischen Winterspiele in Peking von der Macht Chinas und der Unfehlbarkeit der Staatspartei künden sollen, so hatten auch die Spiele von 1972 in München eine Botschaft. „Generell wurden die Sicherheitsvorkehrungen während der Olympischen Spiele bewusst locker gehalten, um mit heiteren Spielen die positive Veränderung zu demonstrieren, die sich in Deutschland seit den Olympischen Spielen 1936 vollzogen hatte“, sagt Day.

„Verheerende Zustände“

So war Deutschland schlecht auf die Szenen exzessiver Gewalt vorbereitet. Die deutschen Sicherheitskräfte blamierten sich vor den Augen der Welt tödlich. Die Zeitzeugen – von Ex-OB Hans Jochen Vogel über Olympiasieger Klaus Wolfermann bis zum Bruder des erschossenen Polizisten Anton Fliegerbauer „berichteten alle von verheerenden Zuständen“, erinnert sich Day an seine Gespräche.

Die Ausrüstung sei mangelhaft gewesen, es fehlte an gut ausgebildeten Scharfschützen, den Ablauf der Befreiungsaktion hätten sie als „amateurhaft und lächerlich“ wahrgenommen. So hatten die Verantwortlichen in München offenbar vergessen, den Strom in der besetzten Unterkunft abzuschalten, „sodass die Terroristen alle Vorbereitungen zur Befreiung über TV und Hörfunk mitverfolgen konnten“, sagt Day.

Es waren Stunden, die niemand vergessen wird, der sie erlebte. Bundesgrenzschützer Andreas Zenglein und Sanitäter Axel Kaiser, die beide im Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck tätig waren, behielten schreckliche Bilder von verkohlten Leichen in den Hubschrauber-Wracks in ihren Köpfen.

Kaiser erzählte Joachim Day aber auch von seiner Dankbarkeit dafür, dass eine auf ihn gezielte Kugel knapp den Kopf verfehlte. „Er sieht den 5. September 1972 als seinen zweiten Geburtstag an“, sagte Day den OVB-Heimatzeitungen. Beleibe nicht das einzige, was den Interviewer berührte. Die Gespräche hätten ihn teilweise „emotional enorm“ mitgenommen, sagte Day.

„Teil unseres Lebens“

50 Jahre später sagt er: „Die Geschichte ist Teil unseres Lebens und darf nicht in Vergessenheit geraten.“ Mit seinen Zeitzeugeninterviews trägt er seinen Teil dazu bei. Wenn die Aufzeichnungen auf der Seite „Erinnerungsort Fürstenfeldbruck“ in den nächsten Wochen oder Monaten online gehen, werden das Hans-Jochen Vogel und Walther Tröger, Bürgermeister des olympischen Dorfes und späterer IOC-Präsident, nicht mehr erleben – sie starben 2020, kurz nach den Interviews.

Aber ihre Stimmen werden weiter an die dunkelste Stunde der Geschichte der Olympischen Spiele erinnern. Einen Termin, wann die Interviews letztlich online gehen sollen, gibt es nach Auskunft des Landratsamts in der Stadt Fürstenfeldbruck noch nicht.

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