Schlusspunkt hinter langem Gerichtsstreit
Es bleibt beim Freispruch im Samerberg-Prozess: Familien entscheiden sich gegen Revision
Es ist der Schlusspunkt hinter einer quälend langen Auseinandersetzung vor Gericht: Die Hinterbliebenen werden im so genannten Samerberg-Prozess den Freispruch für Sebastian M. nicht anfechten. Sie verzichten viereinhalb Jahre nach der Tragödie darauf, als Nebenkläger Revision zu beantragen.
Samerberg/Rosenheim – Viereinhalb Jahre nach der Tragödie an der Miesbacher Straße in Rosenheim findet der so genannte „Samerberg-Prozess“ seinen Abschuss. Zumindest juristisch: Die Hinterbliebenen werden keine Revision beantragen.
Damit bleibt es beim Freispruch für Sebastian M., der bis dahin als einer der mutmaßlichen Mitverursacher des schweren Verkehrsunfalls am 20. November 2016 gegolten hatte, bei dem Melanie Rüth (21) und Ramona Daxlberger (15) getötet worden waren.
Verblassende Erinnerungen als einzige Stütze? Sinnlos, sagt der Vater
Vater Ralf Rüth sagte den OVB-Heimatzeitungen, die beiden Familien hätten sich eingehend erkundigt und sich schließlich „definitiv dagegen entschieden“, Revision einzulegen. In der jüngsten Hauptverhandlung hätten die in der die in Protokollen und Aktenvermerken festgehaltenen ursprünglichen Aussagen keine wirkliche Rolle mehr gespielt.
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Dafür hätten die nachlassende Erinnerung von Beteiligten und Zeugen gezählt. Somit sehe man keinen Sinn mehr in einer weiteren Neuauflage der Verhandlung gegen Sebastian M.
Es bleibe bei ihm bei der Enttäuschung über ein Gericht, das den in den Augen der Familien Hauptschuldigen freispricht.
Freispruch als ein „falsches Signal“
Die Mädchen seien durch kein Urteil wieder ins Leben zurückzurufen, aber ein solcher Spruch sei ein „falsches Signal an die ganze Szene“.
Es ist das Ende einer quälend langen juristischen Auseinandersetzung im Gefolge eines verheerenden Unfalls am 20. November 2016 auf der Miesbacher Straße in Rosenheim. Ein Golffahrer war bei dem Versuch, zwei BMWs zu überholen, frontal in einen Kleinwagen gerast, in dem drei junge Frauen saßen.
Malenie Rüth starb noch am Steuer, Ramona Daxlberger kurz darauf im Klinikum.
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Melanie Daxlberger überlebte schwer verletzt, wie auch Unfallfahrer Simon H. und seine Beifahrerin. Simon H. äußerte bereits kurz nach dem Unfall sehr überzeugend seine Version der Geschichte: die beiden BMW-Fahrer – darunter Sebastian M. – hätten ihn nicht mehr einscheren lassen, als er den Überholvorgang im Angesicht des Gegenverkehrs abbrechen wollte. Die Familien als Nebenkläger und ebenso der Staatsanwalt erkannten darin ein für die Raserszene typisches Verhalten. Ralf Rüth sieht sich durch zwei Instanzen bestätigt, immerhin hätten je mehrere Richter Sebastian M. schuldig gesprochen.
Ein Freispruch, der die Familien verstört
Der Freispruch für Sebastian M. vor zwei Wochen hatte denn auch die Öffentlichkeit überrascht und die Familien bestürzt. Für den 28-Jährigen war es tatsächlich bereits der dritte Auftritt vor Gericht wegen des tödlichen Unfalls gewesen.
In erster Instanz waren er und Daniel R. vor dem Amtsgericht Rosenheim zu Freiheitsstrafen von jeweils über zwei Jahren verurteilt worden, während der eigentliche Unfallfahrer Simon H. 20 Monate auf Bewährung erhielt.
Ein Formfehler machte die Neuauflage nötig
Während H. seine Strafe akzeptierte, legten Sebastian M. und Daniel R. Berufung ein. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Traunstein wurden die Strafen bestätigt, beziehungsweise verschärft. Daniel R.s Strafe von zwei Jahren und fünf Monaten ist rechtskräftig, der Anwalt von Sebastian M. jedoch legte seinerzeit, im November 2019, erfolgreich Revision ein. Wegen eines Formfehlers überwies das Bayerische Oberste Landesgericht erneut an das Landgericht Traunstein.
Zuvor hatte der Staatsanwalt auf Rechtsmittel verzichtet
Nach acht Verhandlungstagen und dem Auftritt von über 40 Zeugen sah die Vorsitzende Richterin Heike Will die Zweifel an der Mitschuld M.s an dem tödlichen Unfall für einen Urteilsspruch nicht ausreichend ausgeräumt. Sie sprach Sebastian M. vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei.
Als einen „Schlag ins Gesicht“ bezeichnete Ralf Rüth diesen Freispruch. Ob die Wunden jemals heilten, ist „nach diesem Urteil schwer zu sagen“. Es seien zwei junge Frauen gestorben, das Leben vieler Menschen sei dramatisch beschädigt worden. Aber „der für uns Hauptschuldige kommt mit einem Freispruch davon“.
Vor den Familien hatte bereits die Staatsanwaltschaft in Rosenheim auf Revision verzichtet. Auch Oberstaatsanwalt Gunter Scharbert hatte in einer Neuauflage mit nach über vier Jahren zunehmend unzuverlässigen Zeugenaussagen keine Aussicht auf Erfolg gesehen.