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Kulturtacheles im Stellwerk 18

Werksviertel für Rosenheim? Was aus dem Ausbesserungswerk werden soll – Blick ins Innere

Das alte Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn steht seit vielen Jahren leer. Jetzt gibt es erste Ideen, was damit passieren könnte.
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Das alte Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn steht seit vielen Jahren leer. Jetzt gibt es erste Ideen, was damit passieren könnte.

Das Werksviertel in München gilt als ein städtebauliches Vorzeigeprojekt. Würde ein solches Konzept auch in Rosenheim funktionieren? Und wie sieht die Zukunft des Ausbesserungswerks auf dem südlichen Bahngelände aus. Beim „Kulturtacheles“ im Stellwerk 18 gibt es erste Antworten.

Rosenheim – „Lost Places“ heißen Gebäude, die lange leer stehen und mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Ein solcher „Lost Place“ ist wohl auch das Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn, das sich südlich der Bahngleise befindet. Zahlreiche Wände und Fenster wurden mit Graffiti besprüht. Überall bröckelt der Putz von der Wand. Auf einer Etage liegen zwei Matratzen, im Erdgeschoss steht noch ein Lastkran. Viel hat sich hier in den vergangenen Jahren nicht getan. Das soll sich jetzt ändern.

120.000 Quadratmeter große Fläche

Denn geht es nach den Stadträten, soll auf der Fläche entlang der Enzensberger- und Klepperstraße ein neues Stadtquartier entstehen. Neben Wohnraum sind auf der knapp 120.000 Quadratmeter großen Fläche auch Gewerbe, Büros, ein Parkhaus sowie eine sechsgruppige Kita vorstellbar. Zudem ist der Bau einer Fuß- und Radewegebrücke geplant, die die Flächen nördlich und südlich der Gleise verbinden soll. All das ist Teil des Rahmenplans, den die Verwaltung bei der Bahn eingereicht hat.

In der Halle befindet sich auch ein alter Kran. Auch dieser könnte einer neuen Nutzung zugeführt werden.

Bereits 2011 sicherte sich die Stadt per Satzung ein Vorverkaufsrecht für die Flächen. Seitdem laufen die Verhandlungen mit den drei Eigentümern – der Deutschen Bahn, der DB Netz sowie dem Bundeseisenbahnvermögen (BEV). „Noch befindet sich das Gelände im Besitz der Bahn“, sagte Gabriele Leicht, Dritte Bürgermeisterin der Stadt Rosenheim.

Im Rahmen der Veranstaltung „Kulturtacheles“ im Stellwerk 18 informierte sie die zahlreichen Besucher über den aktuellen Stand der Planungen und mögliche Ideen für das Areal. Organisiert wurde der Abend von Andrea Hailer. Sie ist die Vorsitzende des Rosenheimer Kulturforums und setzt sich schon seit Jahren dafür ein, mehr Raum für die Kultur zu schaffen. Ein Ort, der dafür Potential bietet, ist in ihren Augen das alte Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn.

Ein Blick auf das Dach des Ausbesserungswerks.

Dass es für die Halle zahlreiche Ideen gibt, wurde während der rund zweistündigen Veranstaltung mehr als deutlich. An dieser nahmen neben zahlreichen Stadträten auch Dr. Ulrich Schäfert, Vorstandsmitglied des Rosenheimer Kulturforums, sowie Architekt Johannes Ernst teil. Seit 2015 ist Ernst Geschäftsführender Gesellschafter von „Steidle Architekten“ und realisiert Projekte in allen Größenordnungen. Zu seinen bekanntesten Projekten gehören das Olympische Dorf der Winterspiele 2006 in Turin, der Wohnturm in der der Siemensstadt München, die städtebauliche Planung für die Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn sowie das städtebauliche Konzept für das Werksviertel am Münchner Ostbahnhof.

Münchner Werksviertel als Ideengeber

„Wir müssen alles, was wir haben schätzen“, sagte Ernst während der Veranstaltung. Sein Fokus liege deshalb darauf, im Bestand zu bauen und sich Gedanken darüber zu machen, wie Gebäude umgenutzt werden könnten. Bestes Beispiel dafür sei das Münchner Werksviertel. Auf dem rund 50 Hektar großen Areal am Ostbahnhof hatten lange Zeit die Pfanni-Werke ihren Sitz. Die Firma wurde 1993 verkauft, das Fabrikgelände blieb jedoch im Besitz der Eigentümerfamilie Eckart. Statt dem ursprünglich geplanten Bau von Wohnungen und Büros entschied sich die Familie, das Gelände für eine Zwischennutzung zu verpachten.

In die leerstehenden Räume zogen Ateliers, Galerien, Bars und Spielhallen ein. Die Kartoffelsilos wurden zu Kletterhallen umfunktioniert, die Fabriken zu Konzerthallen umgebaut. Ein etwas anderes Bild zeigt sich seit einigen Jahren. 2009 übernahm das Büro „Steidle Architekten“ die Planungen, immer unter der Prämisse, dass die Industriebauten und die bereits vorhandenen Nutzungen erhalten bleiben. Entstanden ist ein Viertel, in dem „Altes neben Neuem“ existiert. Oder in den Worten von Architekt Johannes Ernst: „Anzug neben Malerkittel, Punk neben Klassik, Fünf-Sterne neben Backpackerhotel und ein Kindergarten neben einem Club“.

Das alte Badezimmer, dessen Wände mit Graffiti beschmiert wurde.

Der Weg dahin war laut Johannes Ernst nicht immer einfach. Auch weil verschiedene Vorstellungen, was aus dem Areal werden sollte, aufeinanderprallten. Doch mittlerweile ist fast jeder vom Ergebnis überzeugt. Die alten Eisenbahnschienen wurde ausgegraben und neu verlegt, die Originalsteine aus den Pfanni-Werken bedecken den Knödelplatz. Es gibt Clubs, Restaurants, Büros, Bühnen, eine Rooftopbar, Schafe, die auf Dächern grasen und ein Hotel. Zudem soll Wohnraum entstehen.

Künstler und Versicherungsfirma unter einem Dach

„Städte sind immer dann spannend, wenn nicht alles sofort im aufgeräumten Zustand ist“, sagt er. Oder wenn – wie im Werksviertel – verschiedene Nutzer aufeinandertreffen. Im Werk 3 beispielsweise teilen sich Mitarbeiter eines Versicherungsunternehmens die Fläche mit zahlreichen Künstlern – und übernehmen sogar einen Teil der Miete für die Ateliers. „Gegensätze ziehen sich an. Jeder profitiert von jedem. Kultur und Kunst waren die treibenden Kräfte“, sagte Ernst.

Es ist eine Situation, wie sie sich auch zahlreiche Rosenheimer für das südliche Bahnhofsareal vorstellen könnten. Kulturreferent Wolfgang Hauck beispielsweise träumt von einem „lebenswerten Viertel, in dem es bunt, laut und lebendig ist“. Peter Rutz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, hofft, dass der Fokus auf der Kultur liegt, auf dem „Leben und Erleben“. „Wir denken zu sehr in Mustern“, kritisierte er und plädierte dafür, „neue Wege zu gehen“. Stadträtin Anita Heinlein (CSU) will einen Ort schaffen, an dem sich „jeder wohlfühlt“ und „jeder gerne hinkommen möchte“. Robert Multrus, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler/UP, kann sich eine Kulturhalle vorstellen, zudem legt er Wert auf den Bau der Fuß- und Radewegebrücke über den Bahnhof. „Wir sollten das Ausbesserungswerk als zentralen Punkt sehen und darauf aufbauen“, ergänzte Ricarda Krüger (SPD).

Ein Blick in die große Halle des Ausbesserungswerks der Deutschen Bahn.

Was sich am Ende davon umsetzen lässt, ist im Moment noch ungewiss. So gibt es zwei unterschiedliche Planungen – einmal mit und einmal ohne Ausbesserungswerk. „Wir brauchen einen Betreiber, zudem ist es eine Frage der Wirtschaftlichkeit und Entwicklung“, sagte Gabriele Leicht. Trotz vieler offener Fragen sei geplant, die Bürger mit ins Boot zu holen. So soll im kommenden Jahr eine Bürgerbeteiligung stattfinden, bei der die Möglichkeit besteht, sich mit Wünschen und Anregungen einzubringen. 2025 könnte dann mit der Bauleitplanung begonnen werden.

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