Stühle und Tische in Schulen oft „völlig unpassend“
Studie an den Schulen der Region: So schlecht steht es um die Motorik der Erstklässler
Die Studie der TU München zur Gesundheit und den motorischen Fähigkeiten der Grundschüler in der Region liefert die ersten Ergebnisse. Und diese sind beunruhigend. Vor allem ein Punkt bereitet den Experten große Sorgen. Es gebe aber auch Grund zur Hoffnung.
Rosenheim - Krumme Rücken, Nackenschmerzen und Fehlstellungen - die Gesundheit der Grundschüler in der Region ist gefährdet. Und das durch falsches Sitzen und Schreiben in der Schule. Das ist das Ergebnis der ersten Untersuchungen im Rahmen der Studie „Gesunde Schule“ des Lehrstuhls für „Biomechanik im Sport“ der Technischen Universität München, geleitet von Professor Dr. Ansgar Schwirtz in Zusammenarbeit mit der Rosenheimer Osteopathin Simone Lüders.
Ergebnisse wissenschaftlich belegen
Mit der Studie wollen sie die ungesunde Sitz-und Stifthaltung bei Schulkindern nachweisen und langfristig verbessern (wir berichteten). Allerdings gebe es in vielen Schulen ein „gravierendes Problem“.
„Auch wenn die Ergebnisse zum Teil so schlecht, wie befürchtet sind, sind wir froh, die erste Phase der Studie geschafft zu haben“, sagt Schwirtz. Der Start der Untersuchung sei schwierig gewesen, berichtet der Professor. „Wir waren uns nicht sicher, ob wir das zeitlich schaffen, da es im Vorfeld viele Rückfragen von Lehrkräften und Eltern gab“, berichtet der Hochschullehrer.
190 Schüler aus dem Landkreis
Es habe sich jedoch gezeigt, dass die Studie auch „während des Unterrichts unproblematisch durchzuführen ist,“ und es keine Nachteile für die Beteiligten gebe. Inzwischen seien 190 Erstklässler an acht Grundschulen aus dem Landkreis zweimal - nach Allerheiligen und Anfang Dezember - untersucht worden.
Darunter auch 42 Schüler der Grundschule Bernau am Chiemsee. Einige derer klagten nach längeren Schreibübungen über Schmerzen in der Hand oder im Nacken, berichtet Petra Henz, Schulleiterin der Grundschule. Zudem sei zu beobachten, dass die Grob- und Feinmotorik der Kinder gravierend abgenommen habe. „Wir müssen die Schüler hier mehr fördern und unterstützen“, sagt die Schulleiterin.
Übungen für den Unterricht
Hierfür sind die teilnehmenden Kinder durch Studenten der TU München zunächst im Stehen, im Sitzen und beim Schreiben vermessen worden. Damit die Schüler keine Angst davor hatten, seien ihnen die Geräte ausführlich und spielerisch gezeigt worden. „Die Mitarbeit und das Interesse der Kinder war toll, und viele waren stolz, als sie es geschafft haben“, sagt Astrid Sauer, Rektorin der Grundschule Aschau im Chiemgau. An ihrer Schule machen zwölf Erstklässler bei der Studie mit. Der Schulleiterin zufolge kommen viele Kinder bereits aus dem Kindergarten mit einer ungünstigen Stifthaltung. „Ihnen das bei uns wieder abzutrainieren, ist schwierig“, sagt Sauer.
Das erste Training an den Schulen leitete ein Team um Simone Lüders, je einen Vormittag pro Klasse. „Es gab beispielsweise Übungen zum richtigen Sitzen mit einer Schwimmnudel oder für Schreibtechniken, bei denen die Hand entlastet wird“, sagt Petra Henz. Dabei sei den Experten ein Problem aufgefallen: Die Stühle und Tische in den Schulen seien für die Größe der Erstklässler „völlig unpassend“.
Unpassende Schulmöbel
„Wenn das nicht passt, können die Kinder beide Beine nicht auf dem Boden abstellen“, sagt Lüders, „und das auf Dauer körperlich auszugleichen, ist anstrengend und ungesund.“ Zudem behindere die schiefe Körperhaltung das Lernen der Kinder. „Wir brauchen höhenverstellbare Schulmöbel“, sagt sie. An der Grundschule in Bernau gebe es diese bereits. So konnten die Tische und Stühle individuell für jedes Kind angepasst werden. „Das ist bei vielen anderen Schulen in der Region aber noch nicht möglich“, sagt Lüders.
Sie berichtet, dass die ergonomische Ausstattung eines Klassenzimmers zwischen 10.000 und 20.000 Euro koste. Da die Kommunen die Kostenträger für die Schulen sind, seien die Unterschiede zwischen den Gemeinden groß. Die Gesundheit der Kinder dürfe jedoch nicht davon abhängen, wo die Eltern leben. „Bei der Finanzierung dürfen die Kommunen nicht alleine gelassen werden, da ist auch der Freistaat Bayern gefragt“, sagt auch Schwirtz.
Besserung bereits in Sicht
Man könne vom Kultusministerium aber nichts verlangen, was nicht wissenschaftlich begründet ist, sagt Schwirtz. Deswegen sei wichtig, dass die Lehrkräfte, Eltern und Kinder die erlernten Übungen stets wiederholen. „Es gilt jetzt dranzubleiben, dann könnte das Ergebnis etwas bewegen“, betont der Professor, „am Ende Ende der Studie sollten alle teilnehmenden Kinder richtig sitzen und schreiben können und das wissenschaftlich belegt“.
Ein Punkt macht sowohl Schwirtz und Lüders als auch den Schulleiterinnen Hoffnung: „Die Kinder lernen schnell“, sagt Lüders. So habe sich die Haltung und Beweglichkeit nach wenigen Übungen bereits verbessert. „Das war beeindruckend“, berichtet Astrid Sauer, „wenn wir es schaffen, das dauerhaft in Unterricht zu bekommen, könnte die Studie helfen, dass die Kinder in weiterführenden Schulen flüssiger und länger schreiben können.“

