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Projekt von Startklar

Rosenheimer holen Kinder mit Sport von der Straße – und erhalten dafür 80.000 Euro

Haben in den kommenden Monaten viel vor: (von links) Christian Hlatky, Lena Bichlmaier und Özgür Yildirim.
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Haben in den kommenden Monaten viel vor: (von links) Christian Hlatky, Lena Bichlmaier und Özgür Yildirim.

Fußball und Kickboxen statt Vandalismus und Prügeleien: Im Rosenheimer Westen gibt es zahlreiche niederschwellige Angebote für Kinder und Jugendliche. Um die Gemeinschaft zu stärken, gibt es jetzt 80.000 Euro Fördergeld. Warum solche Angebote enorm wichtig sind.

Rosenheim – Es gibt Tage, an denen klingelt das Telefon von Özgür Yildirim ununterbrochen. Er bekommt Nachrichten von Kindern, die seinen Rat brauchen, und Anrufe von Eltern, die wissen wollen, wie es ihren Kindern geht. „Ich habe für jeden ein offenes Ohr“, sagt der Rosenheimer, der von allen nur Ötzi genannt wird.

Kostenloses und offenes Sport- und Freizeitangebot

Seit mehr als zwei Jahren kümmert er sich gemeinsam mit Christian Hlatky und Lena Bichlmaier um das Projekt „Bewegung im Westen“. Das Ziel: Rosenheimer Bürgern ein kostenloses und offenes Sport- und Freizeitangebot anzubieten. Es gibt Kick-Boxen, Fitnesstraining und Fußball.

Letzteres fällt in den Aufgabenbereich von Özgür Yildirim. „Es war mir wichtig, etwas für die Kinder in der Endorfer Au zu tun“, sagt er. Mittlerweile besuchen mehr als 70 Kinder seine Trainings. Fast alle haben einen Migrationshintergrund. Über eine Whatsapp-Gruppe werden die Trainingszeiten vereinbart. Sobald feststeht, wann und wo sich die Kinder treffen, macht sich Özgür Yildirim auf den Weg.

Kümmert sich um die Kinder und Jugendlichen in der Endorfer Au: Fußballtrainer Özgür Yildirim.

„Ich wohne selbst in der Endorfer Au und weiß, wie ich mit den Kindern umgehen muss“, sagt der Rosenheimer. Hinzu kommt, dass er selbst einen Migrationshintergrund hat. „Die Kinder identifizieren sich mit ihm. Er ist für viele ein Vorbild“, sagt Christian Hlatky. Zumal Yildirim als Trainer andere Möglichkeiten hat als er, wenn sich die Kinder nicht benehmen.

Liegestütze und Einzeltraining als Strafe

„Wenn sie Blödsinn machen, dürfen sie nicht mittrainieren oder fliegen aus dem Team“, sagt Yildirim. Hin und wieder verteilt er Liegestütze oder lädt die Kinder zum Einzeltraining ein. „Sport und Bewegung verbindet. Gerade in der Endorfer Au“, sagt Christian Hlatky.

Dass das Konzept aufgeht, bestätigt auch Lena Bichlmaier. „Die Stimmung im Viertel und das Sozialverhalten der Jugendlichen haben sich verändert“, sagt sie. Beschwerden vonseiten der Anwohner gebe es so gut wie keine mehr, auch der Vandalismus sei zurückgegangen. Während zerschnittene Tornetze und beschmierte Container lange Zeit das Bild in der Endorfer Au und der Finsterwalder Straße prägten, seien sie mittlerweile so gut wie kein Thema mehr.

Situation von Kindern und Jugendlichen soll verbessert werden

Es sind Argumente, die auch die Bundesjugendministerin Lisa Paus überzeugt haben dürften. Im April 2023 hat sie das Bundesprogramm „Das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“ vorgestellt. „In den aktuellen Krisenzeiten mussten junge Menschen auf vieles verzichten und hatten das Gefühl, dass ihre Interessen nicht gehört werden“, heißt es in einer Mitteilung. Aus diesem Grund sollen mit dem Zukunftspaket Projekte gefördert werden, welche die Situation von Kindern und Jugendlichen verbessern. Sei es durch Bewegung, Kulturangebote oder Maßnahmen für die körperliche sowie seelische Gesundheit.

Als Christian Hlatky und seine Mitarbeiter von dem Programm erfuhren, haben sie sofort einen Antrag geschrieben und sich mit dem Projekt „Bewegung im Westen“ beworben. Ende April erhielten sie Post vom Familienministerium – mit einer Zusage. „Wir haben jetzt 80.000 Euro und sechs Monate, um alle unsere Pläne umzusetzen“, sagt Hlatky. Im Mittelpunkt stehe dabei die Beteiligung. So können die Kinder selber planen, organisieren und umsetzen. „Sie können und müssen aktiv mitgestalten und lernen so, Verantwortung für Gemeinschaft, einem Stadtteil und letztendlich für die Gesellschaft zu übernehmen, die sie dank des Programms mitgestalten können“, fügt er hinzu.

Pizza-Essen nach getaner Arbeit: Die Kinder der Endorfer Au und Fußballtrainer Özgür Yildirim.

Geplant seien beispielsweise Ausflüge ins Freibad oder ins Restaurant. „Viele Kinder wissen nicht, dass sie Schimpfwörter nicht im Restaurant benutzen dürfen“, erklärt Özgür Yildirim. Bei den gemeinsamen Ausflügen würden sie nicht nur als Gruppe zusammenwachsen, sondern auch lernen, wie man sich in welchen Situationen verhält. Erst vor einigen Tagen hat der Rosenheimer einen Bus gemietet und ist mit einigen seiner Schützlinge nach Wasserburg gefahren. Ein Trip ins Münchner Fußballstadion, ins Rathaus sowie aufs Rosenheimer Herbstfest stehen ebenfalls auf der Wunschliste der Kinder.

Freizeit sinnvoll gestalten

„Es ist uns wichtig, dass wir den Kindern zeigen, wie man die Freizeit sinnvoll gestalten kann“, sagt Hlatky. Wie beispielsweise am Samstag, 8. Juli. An diesem Tag hat ein Fußballturnier stattgefunden – das die Kinder selbst organisiert haben. Teilgenommen haben 26 Mannschaften mit rund 160 Spielern. „Sie durften ihre eigenen Trikots gestalten. Mit Name und Wunschnummer“, sagt Yildirim.

Er weiß, wie viel den Kindern diese Momente bedeuten. Sie fühlen sich verstanden, gehört und Ernst genommen. „Sie können mittlerweile genau benennen, was sie wollen und bringen sich mit ihren Ideen ein“, lobt der Trainer. Dass sei vor zwei Jahren noch anders gewesen. Mittlerweile würden sich die Kinder mit ihrem Stadtteil identifizieren. Sie heben den Müll auf, sorgen dafür, dass die Bolzplätze in bester Ordnung sind und besuchen die Stadtteilversammlungen.

Lob für Zusammenarbeit mit der Stadt

„Wir sind sehr zufrieden, wie es läuft“, sagt Özgür Yildirim und lobt unter anderem die Zusammenarbeit mit der Stadt. Denn wenn er nicht auf dem Bolzplatz steht, arbeitet er eigentlich in einer der Gemeinschaftsunterkünfte. Für die Zeit bis Dezember wurde er von der Stadt für das Projekt freigestellt. Weniger klingeln tut sein Telefon dadurch aber trotzdem nicht.

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