Auch in Region Rosenheim Thema – diese Strafen drohen
„Drama für Betroffene“ - Warum Harald Oberrenner gegen Missbrauch von Behinderten-Parkplätzen kämpft
Mal eben schnell Geld abheben oder kurz Brötchen holen - da parkt so manch einer kurz auf einem Behindertenparkplatz. Das ist für Betroffene ein großes Problem und kann die Übeltäter teuer zu stehen kommen.
Rosenheim - Es ist Harald Oberrenner schon selbst passiert. In München war das. Das Auto war weg - abgeschleppt. Und Oberrenner weiß, dass das völlig zu Recht war. Keine Klagen seinerseits. Nur als der Polizist bei der Abholung des Autos ihm sagte, dass er in den zweiten Stock laufen solle, um dort die notwendigen Papiere auszufüllen, stutzte Oberrenner. „Schauen Sie mal, mit Laufen habe ich es nicht so“, hat er gesagt. Der Polizist schaut ihn jetzt richtig an und entschuldigt sich. Denn: Harald Oberrenner sitzt im Rollstuhl.
„Es war vollkommen richtig, dass ich abgeschleppt wurde”, erklärt er, „ich hatte vergessen, den Behindertenausweis ins Auto zu hängen.” Dem Behindertenbeauftragten von Stephanskirchen ist der Missbrauch der Parkplätze ein Dorn im Auge. „Für die Betroffenen”, erklärt er, „ist das oft ein Drama.” Die Leute seien eben auf die Parkplätze angewiesen. „Du sitzt in deinem Auto und kannst eigentlich gleich wieder weiterfahren”, beschreibt er die Situation, wenn man als Rollstuhlfahrer vor einem zugeparkten Platz steht. Oder man gerät in eine zeitliche Bredouille. Eigentlich ist das klar, denn wer einen Behindertenausweis hat, der kann eben oft nicht ein paar hundert Meter mehr laufen.
Nur kurz Brötchen holen
Und das sind in Deutschland immerhin 7,9 Millionen Menschen. Und es werden mehr. Fast 80 Prozent aller Schwerbehinderten sind über 55 Jahre alt. Nur etwa drei Prozent aller Behinderungen sind angeboren oder treten im ersten Lebensjahr auf. In fast 90 Prozent der Fälle ist eine Krankheit die Ursache. Und - so blöd das klingt - desto älter man wird, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass einem das auch passiert. In Zahlen sieht das so aus: Von 2017 bis 2019 wuchs die Zahl der Menschen mit Schwerbehinderungen um rund 136.000.
„Die Leute meinen es ja nicht böse”, sagt Oberrenner über das Falschparken auf Behindertenparkplätzen, „und da soll sich keiner zum Richter machen - auch ich nicht.” Aber das man mal eben schnell auf dem Behindertenparkplatz parkt, um kurz Brötchen zu kaufen, ist im Zweifelsfall ein Problem. Die Betroffenen wüssten ja auch nicht, wie lange das andere Auto dort parkt. „Man kann ja auch nicht schnell aussteigen und das klären”, sagt Oberrenner.
Kein Kavaliersdelikt
Wie oft Menschen ihr Auto falsch auf Behindertenparkplätzen abstellen, ist kaum messbar. Wer einmal in Rosenheim darauf achtet, dem fällt allerdings schnell auf, wie oft Autos ohne Behindertenausweis auf diesen Stellplätzen stehen. Dabei ist es kein Kavaliersdelikt. Die 55 Euro Bußgeld sind das eine, das andere ist, dass nach drei Minuten bereits abgeschleppt werden kann. Und dann wird es deutlich teurer: In Rosenheim kostet es im Querschnitt 200 Euro, wie Robert Maurer von der Polizeiinspektion Rosenheim erklärt. Der Betrag ist allerdings flexibel: Am Wochenende, in der Nacht und bei erschwerten Bedingungen (zum Beispiel LKW) wird es teurer. Und wer sein Auto nicht gleich abholt, der zahlt pro Tag noch mal 10 Euro. Punkte in Flensburg? Kann ebenfalls dazukommen.
Außerdem wird dieses Falschparken „vorrangig und mit höchster Priorität geahndet werden”, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium. Der Effekt: 2019 wurden in München fast 2000 Fahrzeuge abgeschleppt, die einen Behindertenparkplatz blockierten.
Nicht schlimmer als Liebeskummer
Und in Rosenheim? 2019 standen vier von insgesamt 54 abgeschleppten Vehikeln auf Behindertenparkplätzen, 2022 allerdings 47 von 87 . „Das Herbstfest spielt hier eine große Rolle“, erklärt Polizeihauptkommissar Robert Maurer. Im Vorfeld hatte die Rosenheimer Polizei angekündigt, der Parkraumbewirtschaftung vermehrt Aufmerksamkeit zu widmen - insbesondere Feuerwehrzufahrten und Behindertenparkplätzen.
„Es ist schade, dass ich so hartnäckig sein muss”, sagt Oberrenner. Der Mann, der früher leidenschaftlich Rennrad gefahren ist, Fußball und Squash gespielt hat, hat Verständnis für so manche Situation: „Klar, wenn jemand die Oma zum Arzt fährt… um Gottes Willen.” Aber ein Behindertenparkplatz sei eben kein Privileg, sondern ein Nachteilsausgleich. Und für Menschen mit Behinderung ein oft unverzichtbarer Nachteilsausgleich, der Teilhabe möglich macht - auch weil es bei der Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr oft noch hapert. Oberrenner ist alles andere als ein Querulant, einer, der sich immer beschwert. Oberrenner will einfach um mehr Rücksicht, um mehr Verständnis werben. Denn eigentlich, sagt er über seine eigene Behinderung, sei so ein richtiger Liebeskummer schlimmer, als im Rollstuhl zu sitzen.
