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Im Bildungszentrum in Rosenheim

Ein Ticket für alles? Meinungen über MVV-Beitritt gehen bei Podiumsdiskussion auseinander

Über den möglichen Beitritt zum MVV diskutierten die Sprecher von vier Stadtratsfraktionen (von links) Abuzar Erdogan, SPD, Sonja Gintenreiter , Grüne, Herbert Borrmann, CSU, Robert Multrus, Freie Wähler, sowie Dr. Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer des MVV. Moderiert wurde der Abend von Florian Schrei (links, stehend).
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Über den möglichen Beitritt zum MVV diskutierten die Sprecher von vier Stadtratsfraktionen (von links) Abuzar Erdogan, SPD, Sonja Gintenreiter , Grüne, Herbert Borrmann, CSU, Robert Multrus, Freie Wähler, sowie Dr. Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer des MVV. Moderiert wurde der Abend von Florian Schrei (links, stehend).

In den kommenden Tagen könnte sich entscheiden, ob Rosenheim an den Münchener Verkehrsverbund (MVV) angeschlossen wird. Doch die Meinungen darüber gehen auseinander. Das wurde bei einer Podiumsdiskussion deutlich. Über die größten Kritikpunkte.

Rosenheim - Hat der Bürger etwas von einem Beitritt zum Münchner Verkehrsverbund? Und: Sind etwaige Vorteile nur durch diesen Beitritt zu erreichen, oder könnten Stadt und Landkreis Rosenheim entsprechende Ziele auch selbst verwirklichen? Um diese Fragen ging es am Donnerstag, 9. Februar, bei einer Podiumsdiskussion, an der die Fraktionssprecher von CSU, SPD, Bündnis 90/Grüne und den Freien Wählern teilnahmen, sowie Dr. Bernd Rosenbusch, der Geschäftsführer des MVV.

Abgestimmte Fahrpläne und einheitliches Ticketsystem

Einigkeit über alle Fraktionen hinweg bestand darin, dass es den öffentlichen Nahverkehr gewaltig voranbringe, wenn es ein einheitliches Ticketsystem und abgestimmte Fahrpläne gäbe. Dr. Rosenbusch konnte hier zusätzlich mit konkreten Zahlen aufwarten. In Hamburg und Regensburg etwa sei nach der Erweiterung der Verbünde das Fahrgastaufkommen in der Größenordnung von zehn bis fünfzehn Prozent gestiegen.

Für Abuzar Erdogan von der SPD und Sonja Gintenreiter von den Grünen war die Sachlage deshalb klar: es gibt keine vernünftige Alternative zu einem Beitritt zum MVV. Denn dort sei nicht zuletzt auch Fachwissen und Manpower vorhanden. Beides erleichtere etwa auch den zukünftigen Ausbau des regionalen Busnetzes deutlich, derartiges sei mit nur einer Vollzeitstelle bei der Rosenheimer Verkehrsgesellschaft nicht zu stemmen. Sonja Gintenreiter hierzu: „Man muss das Rad nicht neu erfinden, wenn es schon da ist“.

Zu wenig Absprachen zwischen Stadt und Landkreis

Dass ein MVV-Beitritt Vorteile haben könne, bestritten auch Herbert Borrmann von der CSU und Robert Multrus von den Freien Wählern nicht. Sie bemängelten allerdings, dass es in dieser Frage bislang zu wenig Absprachen zwischen dem Landkreis und der Stadt gegeben habe und hier sei einfach in manchen Punkten noch Klärungsbedarf. „Ich habe mehrmals gemeinsame Gespräche angeregt, leider vergebens“ sagte Herbert Borrmann. Robert Multrus formulierte es noch schärfer: „Der Landkreis kocht hier sein eigenes Süppchen“, räumte aber ein, dass die Interessenlage von Stadt und Landkreis auch unterschiedlich sei.

Vorübergehende Verschiebung?

Für Multrus lag der Königsweg in der Beitrittsfrage auch deshalb möglicherweise in einer vorübergehenden Verschiebung: „Wir sollten abwarten, wie das Deutschlandticket ankommt und wie es sich in den nächsten ein, zwei Jahren entwickelt. Unter Umständen verlieren überregionale Verkehrsverbünde damit einen Teil ihrer Bedeutung“.

Für die etwa hundert Besucher der Veranstaltung im Bildungszentrum St. Nikolaus waren nicht zuletzt die Kosten nach wie vor ein Unsicherheitsfaktor. Die Befürchtung wurde laut, es könne am Ende nicht bei den derzeit genannten rund 500 000 Euro pro Jahr bleiben. Konkret zum Beispiel: Sei der MVV an den explodierenden Kosten der zweiten Stammstrecke mitbeteiligt? Diese Sorge konnte Bernd Rosenbusch vom MVV immerhin ausräumen, Stammstrecke und MVV hätten miteinander nichts zu tun. Dennoch blieb bei einigen Besuchern die Frage, ob das Geld nicht besser eingesetzt sei, wenn man es direkt in den ja bereits geplanten Aufbau eines „kleinen“ regionalen Verbundes stecke.

Ausbau der Buslinien

Schließlich sei der Ausbau der Buslinien eine Aufgabe, die Stadt und Landkreis auf jeden Fall blieben, auch nach einem etwaigen Beitritt zum MVV. Dr. Bernd Rosenbusch gab dabei zu bedenken, dass ein „kleiner“, regionaler Verkehrsverbund die Bahnstrecken nicht enthalten könne, der Vorteil, nur noch ein Ticket zu benötigen, um zum Beispiel von Stephanskirchen nach München zu kommen, anstelle von derzeit dreien, sei damit dahin.

Und Abuzar Erdogan meinte bezüglich der Finanzfrage, dass die Stadt viele zusätzliche Einnahmen generieren könne, wenn es eine vernünftig geplante Parkraumbewirtschaftung gäbe: Allein über die rund 1000 Parkplätzen auf der Loretowiese seien pro Jahr sicher zwischen 300 000 und einer Million Euro zu erzielen, die man in einen öffentlichen Nahverkehr unter dem Dach des MVV stecken könne. Nicht uninteressant für die Meinungsfindung der Gäste im Saal wie auf dem Podium vielleicht auch ein Beitrag eines Wasserburger Bürgers, der zu Ende des Abends meinte, dass sich dort der öffentliche Nahverkehr seit dem Beitritt zum MVV drastisch verbessert habe. „Ein Ticket, Busse und Bahn die aufeinander abgestimmt sind – wenn man das erlebt, fragt man sich, warum man über einen Beitritt überhaupt noch diskutieren mag.“

Antrag der Freien Wähler/UP

Geht es nach den Freien Wählern/UP soll die Entscheidung über den Beitritt der Stadt Rosenheim zum MVV bis ins erste Quartal 2024 zurückgestellt werden. Der Beitritt zum MVV sei eine für die Stadt Rosenheim weitreichende Entscheidung, die einerseits Verbesserungen im Öffentlichen Personennahverkehr bringen soll, anderseits aber mit erheblichen Kosten verbunden sei, welche die Stadt dauerhaft belasten würden.

„Bei genauerer Betrachtung ist festzustellen, dass sich die Verbesserungen im ÖPNV vor allem auf den Tarif und den Geltungsbereich von Fahrkarten beschränken“, heißt es in einem Antrag an Oberbürgermeister Andreas März (CSU). Den Freien Wählern/UP zufolge werde dieser Vorteil im städtischen Busverkehr und im Busverkehr in das Umland kaum spürbar sein, da die Linien überwiegend durch den RVO betrieben werden, sodass insoweit ein einheitliches Ticket bereits jetzt gewährleistet sei.

Soweit Linien ins Umland von anderen privaten Unternehmern betrieben werden, existieren laut den Freien Wählern/UP zum Teil bereits Vereinbarungen über die wechselseitige Anerkennung der Fahrscheine. Soweit solche Vereinbarungen noch nicht existieren, könnten diese im Hinblick auf die zwischenzeitlich geänderte Marktsituation durch die ROVG oder die Stadt herbeigeführt werden. Soweit hier finanzielle Ausgleiche zu leisten seien, werde diese in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden regelmäßigen Zahlungen an den MVV stehen.

Im Verkehr über die Stadt und das angrenzende Umland hinaus liege der Vorteil des MVV darin, dass ein einheitliches Ticket für Bahn und Bus im gesamten MVV-Bereich gelten wird. Dieser Vorteil relativierte sich durch die Einführung des Deutschland Tickets (49-Euro-Ticket). Auch dies ermögliche die Nutzung sämtlicher im ÖPNV und SNPV angebotenen Verkehrsmittel. Vor allem für die Pendler nach München stelle es zudem einen erheblichen Preisvorteil dar. Dieser Preisvorteil tritt den Freien Wählern/UP zufolge im Verhältnis zu Einzelfahrkarten jedoch schon bei zwei Hin- und Rückfahrten pro Monat nach München ein. Dies mache das Deutschland-Ticket nicht nur für Pendler, sondern auch für andere Nutzer von Bahn und Bus wirtschaftlich interessant.

Sollte sich das Deutschland-Ticket bewähren, was derzeit wegen der teilweise noch ungeklärten Detailfragen, noch nicht abschließend beurteilt werden könne, entfalle der große Vorteil des MVV-Beitritts für die meisten der den ÖPNV und SPNV nutzenden Bürger der Stadt Rosenheim.

Lediglich die Bürger, die nur wenige Male im Jahr öffentliche Verkehrsmittel für Fahrten außerhalb der Stadt und des Umlands nutzen, bleibe ein Nachteil, da für Bahn und Bus kein einheitliches Ticket verwendet werden kann, soweit in solchen Fällen nicht von Angeboten wie dem Bayern-Ticket Gebrauch gemacht wird.

Es stelle sich jedoch die Frage, ob für diesen im Verhältnis geringen Teil der Rosenheimer Bürger die regelmäßige Belastung des staatlichen Haushalts mit mehreren 100.000 Euro jährlich, die die Mitgliedschaft im MVV mit sich bringe, angemessen ist.

Nach Auffassung der Freien Wähler/UP wäre es in diesem Fall sinnvoller, die Mittel für tatsächliche Verbesserungen im städtischen Busverkehr und die Verbesserung der Situation für Radfahrer in der Stadt aufzuwenden.

Nachdem derzeit die Entwicklung des Deutschland-Tickets sowohl hinsichtlich der längerfristigen Finanzierung als auch der tatsächlichen Ausgestaltung und Akzeptanz noch nicht abzusehen ist, sei es den Freien Wählern/UP zufolge nicht vertretbar, jetzt eine Entscheidung zum Beitritt in den MVV herbeizuführen, die sich bei einem Erfolg des Deutschland-Tickets aus der Interessenlage der Rosenheimer Bürger erübrige.

Die Entscheidung sollte laut Antrag daher zurückgestellt werden, bis aufgrund von Erfahrungswerten tatsächlich beurteilt werden kann, wie sich das Deutschland-Ticket entwickelt, und dann abgewogen werden kann, ob die Zugehörigkeit zum MVV für die Stadt Rosenheim in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis steht.

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