Olympia 1972 in München
„Hoffentlich geht mir das Feuer nicht aus“: Zwei Olympia-Teilnehmer von 1972 erzählen
Zum ersten Mal seit 1972 weht der olympische Geist wieder durch Rosenheim: Im Rahmen der „Special Olympics“ findet auch heuer ein Fackellauf statt. Georg Bitter und Christian Ladner waren 1972 hautnah dabei und erinnern sich.
Wenn Sie die Augen zumachen, was ist das Erste, an das Sie sich erinnern, wenn Sie an den Tag zurückdenken?
Ladner: In der Früh bin ich aufgestanden, das erste was ich gemacht habe, ist, dass ich die Läuferhose angezogen und dann darin gefrühstückt habe. Die Hose hab ich den ganzen Tag lang nicht mehr ausgezogen. Wir haben uns dann am Sportplatz getroffen und sind um 10 oder halb 11 losgelaufen.
Bitter: Ich war total aufgeregt und hab nur gedacht: „Hoffentlich geht mir das Feuer nicht aus“. Da war ich aber nicht allein mit der Sorge. Wir waren deshalb alle ganz schön angespannt. Gottseidank war das Wetter ideal, und es hat nicht geregnet.
Wie sind Sie Fackelträger geworden?
Christian Ladner: Ich war kein Fackelträger! Ich bin daneben hergelaufen, weil ich noch zu jung war. Ich war 13 Jahre alt, und als Fackelträger hat man mindestens 16 Jahre alt sein müssen. Aber mein Bruder war Fackelträger. Ich bin damals für die Turnabteilung des SV Schloßberg gelaufen. Am Ende waren wir ein Fackelträger und sechs Beiläufer.
Waren Sie enttäuscht, dass Sie die Fackel nicht tragen durften?
Ladner: Nee, ich war froh, dass ich überhaupt mitlaufen durfte. Es war ja ein Ereignis. Auch wenn wir damals noch zu klein waren um zu verstehen, wie groß es war.
Georg Bitter: Bei mir wars so, dass ich von der Leichtathletikabteilung ausgesucht worden bin. Und das war Zufall, da sich unser ursprünglicher Fackelträger beim Training verletzt hat und nicht mitlaufen konnte. So ist die Wahl per Los auf mich gefallen. Für den Lauf mussten wir allerdings trainieren.
Sie mussten dafür trainieren?
Bitter: Das olympische Komittee hat Vorlagen geschickt, wie man laufen muss und in welcher Position. Selbst die Geschwindigkeit war vorgegeben und wie man die Fackel entsprechend würdig in der Hand halten muss und nicht fuchtelt. Auch die Übergabe der Fackel musste geübt werden. Wir haben da Trockenübung gemacht.
Ladner: Wir haben auch ein paar Wochen vorher trainiert – auf einer Aschenbahn und mit einer Fackelattrappe aus Holz. Und damit sind wir dann unsere Runden gelaufen.
Wo und wie weit sind Sie mitgelaufen?
Bitter: Jedes Team durfte rund 300 bis 400 Meter im Ortsgebiet von Stephanskirchen laufen. Dann wurde an den nächsten Sportverein übergeben.
Sie sind also leidenschaftliche Sportler. Hätten Sie selbst gern bei Olympia mitgemacht?
Ladner: Soweit wär‘s gar nicht gekommen, weil dafür war die Leistung nicht gut genug. Ich war ja schon froh, dass ich bei den Kreismeisterschaften mitlaufen durfte. Natürlich wärs schön gewesen, aber die beim Sportbund Rosenheim hatten ganz andere Voraussetzungen. Und und deswegen wars einfach zu hoch gegriffen.
Bitter: Das war für uns auch eher Freizeitsport. Wir haben zwar bei manchen Wettkämpfen mitgemacht, aber ansonsten war das Freizeit. Wir haben uns viel selbst beigebracht und untereinander voneinander gelernt.
Was war damals am Straßenrand los? Kamen viele Menschen?
Bitter: Im Ortsbereich waren unwahrscheinlich viele Leute, es war durchgängig Spalier. Für die Gemeinden, wo wir durchgelaufen waren, war das eine einmalige Geschichte. Die Leute sind von der Arbeit daheimgeblieben dafür. Und das an einem Donnerstag.
Ladner: Sowas wie Jubelrufe oder La Ola hats ja noch nicht gegeben. Es ist vor allem sehr viel geklatscht und fotografiert worden.
Bei den Spielen gab es eine Terrorattacke, bei der elf israelische Sportler getötet wurden. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Bitter: Das hat mich ganz schön erschüttert, was da in dem olympischen Dorf passiert ist. Da war ich schon sehr niedergeschlagen, als ich das gesehen habe.
Ladner: Ich wusste, dass was Schlimmes passiert ist, obwohl ich das in meinem Alter noch nicht ganz verstanden habe. Aber man hat die Bilder in den Nachrichten gesehen. Das ist den ganzen Tag darüber berichtet worden. Ich kann mich noch besonders gut an den Satz „The Games must go on“ erinnern. Da waren die meisten, glaube ich, erleichtert, dass es trotzdem weitergeht.
Wie finden sie dass Rosenheim Host Town für die Athleten der Special Olympics ist?
Ladner: Ich finde das ist wieder etwas Einmaliges. Besonders, dass Rosenheim ausgesucht worden ist. Und dass da die Nationalmannschaft von Mauritius untergebracht ist, bevor es für sie nach Berlin geht, ist schon toll.
Bitter: Ja, es ist wichtig, dass auf das Thema Sport für Menschen mit Behinderung aufmerksam gemacht wird. Ich glaube, in der Öffentlichkeit wird das noch gar nicht so wahrgenommen. Ich glaube, so eine Veranstaltung kann mehr Menschen darauf aufmerksam machen.
Am 14. Juni findet in Rosenheim wieder ein Fackellauf statt. Wären Sie noch fit genug?
Ladner: Wahrscheinlich schon, ich mache immer noch Sport und trainiere seit 13 Jahren Sechs- und Siebenjährige in der Leichtathletik.
Bitter: Die Strecke wäre schon zu schaffen. Ich hab mich aber letztens mehr auf das Radfahren konzentriert. Und Sprinten ist in unserem Alter auch nicht mehr so gesund (lacht).
Was wünschen Sie sich für den neuen Fackellauf?
Ladner: Dass schönes Wetter ist und viele Zuschauer da sind. Besonders welche, die sich auch mir der Sache indentifizieren können.
Bitter: Dass er genauso viel Aufmerksamkeit erhält wie damals.