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Pflegenotstand: Arbeitskreis Pflege schlägt Alarm

Wenn es für Oma und Opa keine Pflegeplätze gibt: So dramatisch ist die Lage in Rosenheim

Die ambulanten Pflegeplätze in der Region sind knapp. Das hat vor allem für die pflegebedürftigen Patienten Konsequenzen.
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Die ambulanten Pflegeplätze in der Region sind knapp. Das hat vor allem für die pflegebedürftigen Patienten Konsequenzen.

In Rosenheim fehlen Pflegekräfte und freie Plätze in den ambulanten Diensten. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Die Mitglieder des Arbeitskreises Pflege schlagen Alarm und erklären, warum die Situation viel schlimmer ist als gedacht.

Rosenheim - Karsten Hoeft brennt für seinen Beruf, doch in den vergangenen Wochen und Monaten haben die Umstände ihn immer wieder verzweifeln lassen. „Die Situation ist nicht einfach“, sagt der Geschäftsführer des Pflegedienstes „Die mobile Krankenpflege“. Hoeft betreut mit seiner Kollegin Manuela Lausch und seinen Mitarbeitern 120 Patienten in Rosenheim, Bad Aibling, Prutting, Vogtareuth und Stephanskirchen.

Missstände im Pflegebereich

Er sitzt in den neu eröffneten Geschäftsräumen in der Heilig-Geist-Straße 42. Auf dem Tisch liegt ein Zettel mit den wichtigsten Stichpunkten. Gemeinsam mit Peter Moser, Geschäftsführer der Nachbarschaftshilfe, und Irmi Bauer, der Vorsitzenden des Vereins „Pro Senioren“, hat Hoeft zum Pressetermin eingeladen. Sie wollen auf die Missstände im Pflegebereich aufmerksam machen.

„Der Pflegenotstand ist bereits Realität; er wird sich täglich verschärfen“, kritisiert Hoeft. Jeden Tag spüre er, dass der Pflegebedarf nicht gedeckt ist. Der Geschäftsführer erinnert sich noch gut an die Zeit vor 15 Jahren. Damals hat er sich gewünscht, dass jemand bei ihm anruft, „um die Oma zu versorgen“. Nun klingelt sein Telefon ununterbrochen. Aber die Plätze fehlen. „Ich lehne zwischen zehn und 15 Anfragen in der Woche ab“, sagt Hoeft.

Nicht jeder Pflegebedürftige bekommt einen Pflegeplatz

Ähnliches berichtet Peter Moser von der Nachbarschaftshilfe: „Wir haben keine Kapazitäten mehr. Nicht jeder Pflegebedürftige findet einen Pflegedienst.“ Die Angehörigen müsse er vertrösten und an Kollegen verweisen. Doch auch die seien meist überlastet.

Medizinische Nachsorge muss gewährleistet sein

Diese Situation stellt auch die Mitarbeiter des Romed-Klinikums vor große Herausforderungen. Eine Entlassung aus dem Krankenhaus ist oft nur möglich, wenn die medizinische Nachsorge gewährleistet ist. Dafür sorgen unter anderem ambulante Pflegeeinrichtungen. „Wenn keine freien Kapazitäten bei den Nachsorge-Einrichtungen vorhanden sind, gibt es eine Versorgungslücke“, sagt Romed-Sprecherin Elisabeth Siebeneicher.

Aus diesem Grund bleiben Patienten teilweise länger als medizinisch notwendig in der Klinik. Bis die Mitarbeiter einen Platz finden. „Die entstehenden Kosten werden von den Krankenkassen nicht getragen und die blockierten Betten stehen für andere Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf nicht zur Verfügung“, sagt Siebeneicher und betont den „erheblichen medizinischen und wirtschaftlichen Schaden“ für das Romed-Klinikum - und das vor dem Hintergrund, dass die Klinikmitarbeiter stark belastet sind und die Personalsituation in den Krankenhäusern angespannt ist.

40 Telefonate pro Tag

Pro Monat gebe es im Romed-Klinikum etwa 250 Patienten, die nach ihrem Krankenhausaufenthalt eine ambulante oder stationäre Unterstützung in der Pflege benötigten. „Um für einen Patienten eine geordnete Entlassung organisieren zu können, sind etwa 40 Telefonate mittlerweile die Regel“, sagt Siebeneicher.

Immer mehr Bürokratie

Eine Lösung für das Problem scheint nicht in Sicht. Im Gegenteil. Um mehr Plätze in der ambulanten Pflege zu schaffen, bräuchte es auf allen Ebenen verstärkte Anstrengungen. Doch diese zu entfalten, ist alles andere als einfach. „Wir brauchen förderliche und motivierende Grundlagen“, sagt Peter Moser, „doch was wir bekommen, ist mehr Kontrolle und mehr Bürokratie.“

28 Gesetzesnovellen in 22 Jahren

Mitarbeiter der Universität Duisburg/Essen haben in einer Studie nachgewiesen, dass der Pflegebereich seit dem Jahr 2000 von 28 Gesetzesnovellen betroffen war. Hinzu kommen laut Peter Moser Weiterentwicklungen von Betriebsprüfungsrichtlinien, verbindliche Standards und Verfahrensanweisungen. „Wir wagen zu behaupten, dass der daraus resultierende Aufwand in keinem Verhältnis zur beabsichtigten Verbesserung der Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen steht“, sagt Moser. Stattdessen habe sich auf vielen Ebenen herausgestellt, dass die Neuerungen zu Verschlechterungen der Situation führten - und zu höheren Kosten.

„Die Kosten in den ambulanten Strukturen sind um über zehn Prozent gestiegen“, bestätigt Karsten Hoeft. Das habe unterschiedliche Gründe. Zum einen liege das an den gestiegenen Energiekosten, zum anderen liefen die Zahlungen aus dem Corona-Rettungsschirm im Sommer aus. Auf den Kosten für Masken, Schutzausrüstung und Corona-Tests blieben die ambulanten Pflegeeinrichtungen seitdem sitzen.

Mehr Geld, größere Herausforderungen

Zudem greift seit Anfang September eine Tariferhöhung. Für die Mitarbeiter von Moser und Hoeft bedeutet das zwar höhere Löhne, die Geschäftsführer aber stellt das Gesetz vor neue Herausforderungen. „Da die Preise für die Pflege über langfristige Verträge zwischen den Verbänden und den Pflegekassen geregelt werden, passen die neuen, höheren Gehälter und die Einnahmen aus der Pflege nicht mehr zusammen“, sagt Moser. Die Kostenträger verweigerten die Kündigung bestehender Verträge - und damit die Aufnahme neuer Vergütungsverhandlungen. Das habe zur Folge, dass die Pflegedienste entweder im Defizit arbeiteten oder sich die Kündigung der Pflegeverträge mühsam erstreiten müssten. „Das ist kein förderliches und motivierendes Umfeld. Das ist existenzgefährdend“, sagt Peter Moser.

Wollen auf die Missstände in der Pflege aufmerksam machen: (von links) Karsten Hoeft, Geschäftsführer des Pflegedienstes „Die mobile Krankenpflege“, Irmi Bauer, Vorsitzende des Vereins „Pro Senioren“ und Peter Moser, Geschäftsführer der Nachbarschaftshilfe.

Verzicht auf regelmäßige Duschen

Die Kostensteigerung müssten jetzt vor allem die pflegebedürftigen Patienten ausbaden. Viele könnten sich diese Preissteigerung nicht leisten. Die Betroffenen nähmen deshalb eine Unterversorgung in Kauf und manche verzichteten beispielsweise darauf, regelmäßig geduscht zu werden.

Schaffung einer zentralen Stelle

Eine Situation, die Peter Moser und Karsten Hoeft nicht länger hinnehmen wollen. Sie fordern weniger Bürokratie und plädieren für ein motivierendes Umfeld. Stadt und Landkreis Rosenheim sollten eine zentrale Stelle schaffen, um die Anzahl an pflegebedürftigen Menschen in der Region zu erfassen. Nur dann könnten die notwendigen Plätze auch geschaffen - und dem Pflegenotstand entgegengewirkt werden.

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