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Prozess in Rosenheim

„Keine echte Reue“? – Filialleiter wegen sexueller Übergriffe verurteilt

Vor dem Amtsgericht muss sich ein 39-jähriger Rosenheimer wegen sexueller Übergriffe verantworten.
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Prozess vor dem Amtsgericht Rosenheim.

Vor dem Amtsgericht musste sich ein 39-jähriger Rosenheimer wegen sexueller Übergriffe verantworten. Wie das Urteil ausfiel.

Rosenheim – Der 39-jährige Rosenheimer war seit über zehn Jahren als Filialleiter im Lebensmittelhandel tätig. Seit Längerem, so berichtete eine 43-jährige Angestellte, kursierten unter den Angestellten Gerüchte über Übergriffigkeiten des Filialleiters. Ein inzwischen 22-jähriger Azubi habe sich ihr anvertraut. Sie habe ihm geraten, sich an die Polizei zu wenden. Er habe ihr auch von einem zweiten Lehrling berichtet, der ähnliche Probleme mit dem Filialleiter gehabt habe.

Solange er seine Ausbildung nicht abgeschlossen hatte, wagte der 22-Jährige es nicht, die Sache zur Anzeige zu bringen, weil ihm der Chef gedroht habe, ihn zu kündigen, was seinen Berufsabschluss in Gefahr gebracht hätte. Unmittelbar nach seinem erfolgreichen Examen kündigte er die Anstellung und erstattete Anzeige.

Mitarbeiterinnen seit 2020 belästigt

Im Rahmen der darauffolgenden Ermittlungen stellte sich heraus, dass der vor dem Rosenheimer Schöffengericht Angeklagte bereits seit 2020 weitere Mitarbeiterinnen sexuell belästigt hatte.

Zu dem Strafverfahren, das die Vorsitzende Richterin Isabella Hubert leitete, waren 15 Zeugen geladen. Gleich zu Beginn des Verfahrens bat Verteidiger, Rechtsanwalt Thomas Lößel aus Altdorf/Nürnberg, um ein Rechtsgespräch mit dem Ziel, eine Verständigung zu erreichen. Er erhoffte sich für seinen Mandanten eine Strafe, die noch in einem Bereich läge, der eine Aussetzung zur Bewährung ermöglicht. Die Staatsanwältin machte deutlich, dass nur mit einem umfassenden Geständnis ein solcher Antrag ihrerseits Zustimmung finden könne. Andernfalls würde sie keinesfalls unter drei Jahren Haft plädieren, wobei eine Bewährung dann ohnehin nicht möglich wäre.

Verteidiger legte im Namen seines Mandanten Geständnis ab

Das Schöffengericht schlug nach eingehender Beratung vor, unter der Voraussetzung eines umfassenden Geständnisses des Angeklagten könne eine Strafe zwischen 20 und 24 Monaten ausgesprochen werden. Als die Staatsanwältin ein Berufsverbot in Erwägung zog, widersprach der Verteidiger aufs Heftigste und stellte daraufhin die komplette Verständigung infrage. Es könne nicht Aufgabe des Gerichtes sein, seinen Mandanten zum Sozialfall zu degradieren. Das Schöffengericht stellte diese Frage hintan und der Verteidiger legte im Namen seines Mandanten das geforderte Geständnis ab. Damit waren die meisten Zeugenaussagen überflüssig geworden und dem Großteil der geladenen früheren Azubis blieben die persönlichen Befragungen erspart. Lediglich die zwei Haupttatopfer mussten berichten, was beiden sichtlich schwerfiel.

Insbesondere ein 19-Jähriger, der eine psychische Leidenszeit durchlebt hatte, aus einem Elternhaus kam, in dem er verprügelt worden sei und auch die Lage in seiner Wohngemeinschaft schwierig war, hoffte, im Filialleiter einen „Vaterersatz“ zu finden. Diese Zuwendung missbrauchte dieser in Form von sexuellen Andeutungen bis hin zu körperlichen Übergriffen. Um dieser Situation zu entgehen, brach der 19-Jährige seine Ausbildung ab. Heute ist er in einem Anlernberuf tätig.

Obwohl beide Geschädigte Grund dazu gehabt hätten, zeigten sie doch kein ausgesprochenes Interesse an einer Strafverfolgung. Der übereinkommenden Verständigung entsprechend beantragte die Staatsanwältin zwei Jahre Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne, weil dem Angeklagten nicht nur dessen Geständnis angerechnet würde, sondern er auch erstmalig vor Gericht stünde. Allerdings beantragte sie nach wie vor ein Berufsverbot – zumindest aber die Auflage, dass er zukünftig keinesfalls mit einer Geschäftsleitung oder anderweitigen Betreuung von Auszubildenden betraut werden dürfe. Außerdem solle der Angeklagte seinen Tatopfern, je nach Schwere der Schuld, ein angemessenes Schmerzensgeld zahlen.

Der Verteidiger hob hervor, dass seinem Mandanten mit dem Geständnis vor allem daran gelegen sei, seinen früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die für sie belastenden Aussagen zu ersparen. Auch verwies er nochmals darauf, dass sein Mandant bislang unbescholten gewesen sei.

Ein Urteil mit 20 Monaten Haft sei deshalb ausreichend. Ein Berufsverbot lehnte er nochmals ausdrücklich ab. Auch ein gebotenes Schmerzensgeld solle in einem von seinem Mandanten leistbaren Rahmen bleiben.

„Urteil gerade noch vertretbar“

Das Gericht blieb nach langer Beratung bei dem oberen Rahmen der Verständigung. „Dass das Urteil nur zwei Jahre zur Bewährung lautet, war gerade noch vertretbar“, so die Richterin. „Es hat sich heute wieder gezeigt, wie wichtig eine mündliche Verhandlung ist. Wir haben hier deutlich das psychische Leiden von jungen Menschen erlebt, deren Abhängigkeit der Angeklagte mit Drohungen zynisch ausgenutzt hat. Das Gericht hat hier und heute beim Angeklagten auch keine echte Reue und Einsicht gesehen. Eine Bitte um Entschuldigung wäre deutlich angebracht gewesen.“

Neben dem Verbot, über fünf Jahre keine leitende und/oder ausbildende Funktion zu bekleiden, erlegte das Gericht dem Verurteilten auch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes an die Geschädigten auf.

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