Abriss droht: Marktgemeinde kündigt Widerstand an
Schlimmer Verdacht in Prien: Lässt Bahn denkmalgeschützte Dächer absichtlich verfallen?
Der Staatskonzern will die historischen Bahnsteigdächer im Priener Bahnhof abreißen. Dagegen richtet sich massiver Unmut: Die Marktgemeinde will das nicht so ohne Weiteres hinnehmen und kündigt Widerstand an. Bürgermeister Andreas Friedrich (ÜWG) erbost ein Umstand besonders.
Prien – „Eigentum verpflichtet“, heißt es im Artikel 14 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Und weiter: „Sein Gebrauch soll zugleich zum Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Gilt dieser Grundsatz auch für einen Staatskonzern wie die Deutsche Bundesbahn (DB)? Vor allem dann, wenn dieses Eigentum unter Denkmalschutz steht, wie die historischen Bahnsteigdächer im Priener Bahnhof?
Dieses Jahr soll der Abriss erfolgen
Offenbar nicht, denn der Konzern hat der Marktgemeinde jetzt unmissverständlich mitgeteilt, dass die Dächer noch in diesem Jahr abgebaut werden. Und will damit kurz und bündig eine mittlerweile über zehn Jahre anhaltende Diskussion um deren Erhalt vom Tisch wischen. „Die Ankündigung der Bahn erhielten wir bei einem gemeinsamen Ortstermin“, erklärt Bürgermeister Andreas Friedrich (ÜWG) im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen, die diese Thematik seit Beginn an medial begleiten. „Die Statik der Dachkonstruktion soll wohl nicht mehr sicher sein, es bestehe deshalb keine Standsicherheit mehr, wurde uns gesagt.“ Er sei sich aber mit dem Ratsgremium einig, dass die Marktgemeinde den Abbau des historischen Ensembles von 1911 nicht hinnehmen werde, betonte Friedrich.
Ein Gegengutachten gibt es derzeit nicht
Ein Gegengutachten der Kommune gebe es derzeit nicht, „aber wir haben schriftlich darauf hingewiesen, dass die Denkmalschutzbehörde auf jeden Fall zu beteiligen ist. Wir werden der Behörde den Sachverhalt schildern und vorwarnen, dass da möglicherweise am Bahnhof Prien irgendwas im Busch ist“.
Die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim ist offenbar noch völlig ahnungslos und weiß wohl nichts von den Plänen der Bahn: „Hierzu kann mangels eines konkreten Sachverhalts keine Aussage getroffen werden“, lässt Pressesprecherin Ina Krug auf Anfrage wissen.
Allgemein macht sie aber deutlich, dass die Behörde die DB durchaus zur Sanierung der Dächer zwingen könne und zitiert den Artikel 4, Absatz 2, des Denkmalschutzgesetzes: Demnach „können Eigentümer von Baudenkmälern grundsätzlich verpflichtet werden, bestimmte Erhaltungsmaßnahmen ganz oder zum Teil durchzuführen“.
Denkmalschutz ist Ländersache, und wie ernst es der Freistaat mit seinem „Bayerischen Denkmalschutzgesetz“ vom 1. Oktober 1973 meint, schreibt das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst auf seiner Website: „Die Bayerische Verfassung hat dem hohen Rang von Denkmalschutz und Denkmalpflege Rechnung getragen und verpflichtet den Einzelnen wie die staatliche Gemeinschaft zu Schutz und Pflege der Natur- und Kulturgüter.“
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Davon gibt es in der Marktgemeinde reichlich: Laut der offiziellen Liste des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege sind es neben elf Bodendenkmälern auch 109 Baudenkmäler. Unter dem Aktenzeichen D-1-87-162-120 sind die Bahnsteigdächer aufgeführt (Zitat): „Bahnhofplatz; Bahnlinie Rosenheim – Freilassing; Nähe Bahnhofplatz; Bahnhofplatz 2. Ehem. Königlicher Wartepavillon, 1881 für König Ludwig II. in Rimsting errichtet, 1887 als Wartehaus für Mitglieder der königlichen Familie in Prien wieder aufgebaut, eingeschossiger massiver Bau mit flachem Walmdach und südlichem Anbau, mit Putzgliederung, nach Plänen des Kgl. Oberbahnamtes, 1881; Bahnsteigüberdachungen, gusseiserne Perrondachstützen, wohl Fa. Spaeth (Dutzendteich), 1909 - 11 nachqualifiziert.“ (Zitatende)
Baupläne völlig unakzeptabel
Bereits vor elf Jahren hatte die Bahn den Markt Prien wissen lassen, dass die alte gusseiserne Bahnhofsüberdachung wohl nicht zu sanieren sei und deshalb eine Neugestaltung plane, analog der Bauweise an den Bahnhöfen Traunstein und Rosenheim. Für Bürgermeister Friedrich wie schon für seinen Amtsvorgänger Jürgen Seifert mitsamt beider Ratsgremien völlig unakzeptabel. Friedrich: „Im Vergleich zu der filigranen Säulenkonstruktion, die wir in Prien haben, sind das einfache Bauarten, die es an vielen Bahnhöfen gibt.“ 2015 verstärkte die Deutsche Bahn den Druck auf die Kommune und leitete ein Planfeststellungsverfahren in die Wege, um sich Baurecht für diese neue Bahnsteigüberdachung zu sichern.
2017 in die Denkmalliste
Rat und Gremium konterten und holten erfolgreich den Denkmalschutz mit ins Boot. Das komplette Ensemble wurde im Jahr 2017 in die Denkmalliste eingetragen mit der Maßgabe, dass dieses Bauwerk zu erhalten ist. Die Bahn stellte daraufhin das Planverfahren ein. Untätig blieb sie aber mit der Pflege der Konstruktion, was den Bürgermeister besonders erbost: „Man muss fast annehmen, dass die DB durch ihre Passivität den Verfall der Konstruktion forcieren möchte, um für vollendete Tatsachen zu sorgen und ihre Neubaupläne durchdrücken zu können.“
Die Widersprüchlichkeiten sind irritierend
Welchen Zeitplan die DB hierbei für Abriss und Neubau verfolgt, bleibt offen. „Wir können derzeit dazu keine Aussage treffen“, beantwortet eine Sprecherin der Deutschen Bahn die Anfrage lapidar; ihren Namen will sie in diesem Bericht nicht lesen. Was irritiert: „Wir sind hier in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde und der Gemeinde.“ Hierzu Priens Bürgermeister: „Derzeit liegen uns keine entsprechenden Unterlagen vor.“
Aber warum tut sich die Bahn als Staatskonzern offenbar so schwer, geltende Gesetze zu akzeptieren, ihrer Verpflichtung aus dem Denkmalschutz nachzukommen und die Bahnsteigdächer zu sanieren? Die Antwort aus München: „Geltendes Gesetz ist nicht optional und die Einhaltung steht daher selbstverständlich nicht zur Debatte. Der Denkmalschutz wird bei Bahnprojekten immer mit berücksichtigt.“
Warum dann der angekündigte Abrissplan für die Dächer? Seltsamer Weise liegt der Unteren Denkmalsschutzbehörde seitens der Bahn kein konkreter Sachverhalt vor…

