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Evangelischer Pfarrer in Prien

Menschenfreund „Kalle“ sagt Servus: Karl-Friedrich Wackerbarth freut sich auf die Rente

Zum letzten Mal sperrt Karl-Friedrich Wackerbarth die Kirchentür der Christuskirche zu – voller Vorfreude auf seinen Ruhestand. Und der beginnt am 1. September.
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Zum letzten Mal sperrt Karl-Friedrich Wackerbarth die Kirchentür der Christuskirche zu – voller Vorfreude auf seinen Ruhestand. Und der beginnt am 1. September.

24 Jahre wirkte Karl-Friedrich Wackerbarth als Pfarrer der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Prien. Am Sonntag (1. September) wird er in den Ruhestand verabschiedet. Wir haben mit ihm über seine Zeit in Prien und seine Pläne für die Zukunft gesprochen.

Prien – Im November 2000 zog die Familie Wackerbarth mit Sack und Pack nach Prien – aus dem oberfränkischen Stammland der Protestanten in die oberbayerische Diaspora. Hier wirkten Karl-Friedrich Wackerbarth und seine Frau Christine bis heuer in der evangelisch-lutherischen Gemeinde als beliebtes Pfarrer-Ehepaar. Am Sonntag (1. September), wird „Kalle“ um 15 Uhr feierlich von seinem Amt entpflichtet; Christine Wackerbarth wird in wenigen Wochen folgen. Wie sehr er sich auf die ruhige Zeit freut, beschreibt er im Interview mit der Chiemgau-Zeitung.

Mit dem Ruhestand beginnt eine Zeit voller Freiheit, Genuss und neuen Möglichkeiten. Was wird für Sie die große Freiheit sein?

Karl-Friedrich Wackerbarth: Befreit zu sein von sehr viel Verantwortung: Angefangen vom Schließdienst morgens und abends für Kirche und Gemeindezentrum bis hin zur Logistik, dass der Laden ständig reibungslos läuft. Auch befreit zu sein von vorausschauender Planung: Ich hätte zum Beispiel jetzt im Sommer bereits die Konfirmationskurse des nächsten Schuljahrs vorbereiten müssen wie auch die Gestaltung der Weihnachtsfeiertage. Es ist unglaublich komplex, was da von mir abfällt.

Das gibt die Freiheit, Neues anzugehen – was hat oberste Priorität? Außer dem Nichtstun...

Wackerbarth: Doch – tatsächlich, genau das werde ich in vollen Zügen genießen. Auf meinem Sofa auf dem Balkon in unserer neuen Wohnung in Aschau sitzend und warten, bis mir langweilig ist. Dieses Gefühl kenne ich überhaupt nicht mehr. Oder bei einer Tasse Kaffee und einer Zigarette den Gondeln der Kampenwand nachschauen. Ich muss wieder lernen, sozusagen in den Tag hineinzuleben, ohne gleich zu wissen, wie er getaktet sein wird. Schon jetzt, wo nicht mehr soviel Druck auf mir lastet, ist mir bewusst geworden, dass ich mehr Zeit für längere Gespräche mit meiner Frau Christine habe. Weil ich den Kopf wieder frei habe. Das ist unglaublich schön, dafür bin ich so dankbar. Mehr Zeit wird es für unsere Enkelkinder geben; meine Tochter Annalena und Schwiegersohn Yannik können sich somit intensiver um ihre Selbstständigkeit kümmern. Andererseits werde ich mir die Freiheit nehmen, meine Kochbücher zu durchforsten um herauszufinden, was ich mit höherem Zeitaufwand kochen könnte.

Welche Gefühle haben Sie in diesem Moment, in dem Sie über Ihren neuen Lebensabschnitt sprechen?

Wackerbarth: Es ist ein großes Glücksgefühl, und auch Dankbarkeit. Weil wir hier in Prien unfassbar reich beschenkt worden sind. Von den Menschen, von unserer neuen Heimat, von den Möglichkeiten, hier zu wirken. Christine und ich schauen zurück auf eine total erfüllte berufliche Zeit. Wir haben hier ein Gemeindehaus in den Schoß gelegt bekommen, was all unsere Erwartungen übertroffen hat. Jetzt habe ich eine neue Lebenszeit vor mir, vergleichbar mit einem leeren Blatt Papier, das man beschreiben möchte, aber noch nicht genau weiß, was der Textinhalt sein wird.

Andererseits haben Sie im Rückblick auf Ihr Wirken in der evangelischen Gemeinde sozusagen Bände geschrieben. Bleiben Lücken, die Sie gerne gefüllt hätten?

Wackerbarth: Ja, die gibt es. Ich hätte gerne ein zwei- oder dreistufiges Gottesdienstprogramm angeboten: sonntags mit traditionellem Gottesdienst, Familiengottesdienst, meditativen Gottesdienst oder zum Beispiel eine Kracher mit Rockmusik. Ich hätte gerne öfters Menschen besucht, um mit ihnen Kontakt zu halten. Ich bedaure, dass dazu meine Kräfte nicht gereicht haben.

Gab‘s in Ihrem Leben auch in jüngeren Jahren schon immer den Antrieb, 100-prozentig abliefern zu wollen?

Wackerbarth: (Nachdenklich) Nein, eigentlich nicht. Ich habe Schule gehasst und viele Verpflichtung sehr ungern wahrgenommen. Was ich immer gerne gemacht habe, ist Musik. Deshalb hat es mich später selbst überrascht, wie sehr mich die seelsorgerische Arbeit als Pfarrer gepackt hat. Eigentlich bin ich ein fauler Mensch, aber begeisterungsfähig. Sicherlich ist mir ein Rucksack gepackt worden durch mein Elternhaus – auch mein Vater war Pfarrer. Weil ihm in seiner Gemeinde nicht so gut mitgespielt worden ist, wollte ich‘s der Kirche zeigen. Denn ich habe in meinem Beruf schon ein gewisses Protestpotenzial mitgebracht. Mein Vater hat mich sehr stark geprägt, und ich wollte so gut sein wie er. Sicherlich bin ich manchmal über meine Grenzen gegangen, aber weniger als 100 Prozent wäre für mich nicht machbar gewesen. Ich bin in einem Beruf gerutscht, von dem ich gar nicht wusste, dass er so viel Möglichkeiten bietet, kreatives Potenzial auszuspielen und Begabungen auszuleben – obwohl die nicht so toll sind...

Welche nicht?

Wackerbarth: Zum Beispiel bin ich kein guter Posaunist, kein guter Pianist, kein großartiger Lehrer. Aber von allem kann ich schon ein bisschen. Und weil in diesem Beruf die eierlegende Wollmilchsau gefragt ist, war das für mich natürlich großartig von allen so bisschen zu können und damit alle Felder oder die meisten zumindest bespielen zu können.

Aus Ihrem Wirkungskreis klingt‘s aber anders: Sie sind allseits beliebt, gelten als Menschenfreund mit großem Herzen, als Mann mit klaren – auch mal kritischen – Worten, der Mut hat, anzuecken. Sehen Sie sich auch so?

Wackerbarth: Nee - ich wundere mich immer wieder darüber, welche Wirkung meine Aussagen haben sollen. Es sind für mich zwei Paar Stiefel im Bezug auf das, was man sagt, und das, was als Echo zurück kommt. Es ist immer ein Glücksfall, wenn die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger und umgekehrt gelingt. Scheinbar finde ich aber solche Worte, die die Menschen derart in einer Weise berühren und bewegen, dass sie in ihnen etwas auslöst. Wenn zum Beispiel etwas von meinem inneren Glauben, meiner Überzeugung, meinem Gottesverhältnis - sowie ich das verstehe - genügt, dass bei ganz vielen Leuten Türen aufgehen, ist das für mich ein Wahnsinnsgeschenk.

Wer Sie erlebt spürt, dass Sie ein großer Menschenfreund sind...

Wackerbarth: Ja, das bin ich wirklich. Wer von mir nicht geliebt werden will, muss schon ‚ne ganze Menge anstellen (lachend). Grundsätzlich habe ich Menschen unglaublich gern und ich bin fasziniert von ihrer Geschichte. Vor allem dann, wenn sie beginnen aufgrund eines Problems, an sich zu arbeiten, sich selbst kritisch sehen und sich verändern wollen. Das finde ich wunderbar, was dann daraus werden kann.

Sie haben einen Wunsch frei: Für sich und für diese Welt. Wie würden sie ihn formulieren?

Wackerbarth: Ich wünsch mir, das Vertrauen nicht zu verlieren, was mich all‘ die Jahre getragen hat und alles weiterhin gelassen hinnehmen kann. Für die Welt wünsche ich mir, dass der Wahnsinn aufhört, wie Menschen aufeinander losgehen, wie sie miteinander umgehen, sei es im Kleinen wie im Großen. Die zunehmend fehlende gegenseitige Wertschätzung bereitet mir Sorgen. Ich wünsche mir, dass Menschen wieder lernen, miteinander respektvoller umzugehen.

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