Ein Besuch an der VHS Prien
Mehr als nur ein Ort zum Lernen: Was passiert eigentlich in einem Integrationskurs?
17 Frauen, zwei Männer - sie alle lernen Deutsch, und das ist nicht leicht. Doch in Modul zwei des Integrationskurses an der VHS Prien knien sich die teilnehmenden Geflüchteten ordentlich rein.
Prien – Das große Ziel ihres Integrationskurses ist die Prüfung im Juni 2023. Dafür lernen die 17 Frauen und zwei Männer hier in diesem Klassenzimmer der Volkshochschule Prien. Sie sitzen eng beieinander, denn jeder Platz in dem kleinen Raum im ersten Stock ist besetzt. Die große Prüfung, auf die die Teilnehmenden lernen, testet, ob sie Deutsch auf B1-Niveau beherrschen, also gut im Alltag damit zurechtkommen. Und: Das Prüfungszertifikat ist eine Voraussetzung vieler Arbeitgeber, um Bewerber einzustellen.
Zuerst die Sprache, dann die Kultur
Und das wollen sie erreichen, wie es scheint. Das erste von sechs Modulen haben die 19 Geflüchteten, bis auf zwei alle aus der Ukraine, schon absolviert. Dies ist Modul zwei, und es rauchen die Köpfe. Bis sie in Modul sechs deutsche Kultur, Geschichte und Alltagsgepflogenheiten lernen werden, heißt es Deutsch pauken.
„Was machst du gerne?“, schreibt Dozentin Gabriele Buschmann an die Tafel. Sie wirft ein graues Filztäschchen in die Gruppe. Olga, sehr aufrecht sitzend, fängt es und überlegt. „Ich spiele Basketball gerne“, sagt sie und wird gleich korrigiert. Olga wiederholt „ich spiele gerne Basketball“ und wirft das Täschchen zu Dimitri in der letzten Reihe. „Ich rede gerne. Sehr gerne“, sagt er, woraufhin etliche Frauen lachen, und übt auch gleich die Verneinung: „Und ich nicht räume gerne auf“. Zwei Sitznachbarinnen weisen ihn auf den Wortdreher hin.
Als Olena, die jetzt dran ist, verschmitzt sagt, „ich mache Hausaufgaben nichts gerne“, lacht die ganze Gruppe. Auch Dozentin Buschmann. Sie fügt aber schnell hinzu: „Sie macht immer ihre Hausaufgaben.“ Spaß im Integrationskurs, der sei ganz wichtig, erklärt Buschmann gegenüber der Chiemgau-Zeitung. „Wenn die Leute Spaß beim Lernen haben, lernen sie Deutsch viel schneller als wenn alles nur ernst wäre“, findet sie.
Der Integrationskurs sei für Geflüchtete mehr als ein Ort zum Lernen. Eher wie eine kleine Auszeit. Von ihrem Alltag in einer Flüchtlingsunterkunft. Von den Sorgen um die zurückgebliebenen Eltern oder Kinder in der Ukraine. Bei Natalia Kholodova ist es so. Ihr großer Sohn musste in der Ukraine bleiben. Mit ihrem kleinen Sohn hat sie Zuflucht in Unterwössen gefunden. Tapfer lächelt die junge Frau. „Mir gefällt der Integrationskurs. Schreiben und Sprechen ist schon gut“, sagt sie.
Ihre Sitznachbarin bestätigt, was in dem kleinen Raum in der Luft liegt: „Es ist schön im Kurs“, flüstert Roya Muradi, gebürtig aus Afghanistan und in Aschau lebend, um die anderen nicht zu stören. Wie die anderen Teilnehmenden hat auch sie hier die Chance, Kontakte zu knüpfen und den einen oder anderen Tipp untereinander auszutauschen. „Wir haben da gleich eine Chatgruppe eingerichtet“, schildert Gabriela Buschmann.
Mit manchen ihrer Integrationskursabsolventen hält sie noch immer Kontakt. „Es ist schön zu sehen, wenn sie es schaffen, bei uns Fuß zu fassen“, sagt sie. Wobei es den Geflüchteteten aus der Ukraine gleich doppelt leichter falle als etwa jungen Männern, die vor Jahren aus Afghanistan oder Eritrea in den Chiemgau gekommen seien. „Die wurden schnell einmal angefeindet und viele hatten fast keine Schulbildung“, so die Deutschdozentin. Da falle auch das Deutschlernen doppelt schwer.
Sie findet, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sollte mehr Mittel für mehr Integrationskurse zur Verfügung stellen. Die sechs Module mit je 100 Unterrichtsstunden seien zu wenig. Schwierig sei auch, dass das Bildungsniveau der Männer und Frauen nicht abgefragt werde. Die Aufforderung, doch mehr Kurse anzubieten, landet von mancher Seite regelmäßig bei Christine Schumacher-Inverardi.
Doch die Geschäftsführerin der VHS in Prien winkt ab: „Unsere Integrationskurse sind voll, das stimmt. Die Jobcenter schicken uns die Teilnehmer. Aber das Bamf regelt streng, in welchen Räumen und mit welchen Dozenten der Kurs stattfinden darf. Wir sind am Rande unserer Kapazität, da wir ja auch noch unsere anderen VHS-Kurse durchführen“, so die Geschäftsführerin.
Gesucht: Mehr Kontakte mit Einheimischen
Was ihr seit Beginn der Coronapandemie auffällt, sei dass der Kontakt zwischen Geflüchteten und Einheimischen aus der Region abgenommen habe. Auch Gabriela Buschmann bestätigt das. Wer sich dafür interessiere, mit Geflüchteten Deutschaufgaben zu machen oder auf einen Kaffee zugehen, könne sich gerne per Mail an info@vhs-prien.de melden, Stichwort „Kontakte knüpfen mit ukrainischen Geflüchteten“.
