Serie zu 50 Jahren Gebietsreform – Teil 3
Pfiat di Altlandkreis: Als Wasserburg auf die Barrikaden ging
Es ist bis heute die größte Demo, die Wasserburg jemals erlebt hat: 5000 gingen vor 50 Jahren auf die Straße, um für den Altlandkreis Wasserburg zu kämpfen. Erfolglos. Folge 3 unserer Serie „Pfiat di Altlandkreis Wasserburg“.
Wasserburg – „Die Absicht diesen Landkreis in vier Teile zu zerreisen, ist eine Zumutung, die von keinem Bürger dieses Kreises angenommen werden kann und auch nicht angenommen wird“, stellt Hermann Auer, SPD-Fraktionsvorsitzender im Wasserburger Kreistag, fest. Die 5000 versammelten Demonstranten jubeln bei diesen Worten und halten ihre Schilder, bemalt mit den Worten „Landkreis Wasserburg muss bleiben“, hoch.
5000 demonstrieren für den Landkreis
So oder so ähnlich muss es bei den Demonstrationen Ende des Jahres 1971 abgelaufen sein, als viele Wasserburger ihren eigenen Landkreis behalten wollten. Ein beeindruckendes Erlebnis, das vielen Zeitzeugen noch Jahre später in Erinnerung blieb, wie Dokumente im Stadtarchiv zeigen.
Größte Protestdemonstration der Nachkriegszeit
„Unvergessen muss in Wasserburg die größte Protestdemonstration der Nachkriegszeit bleiben“, schreibt zum Beispiel Xaver Hutterer, ehemaliges Kreistagsmitglied, 1988 in seinen Erinnerungen. 5000 Bürger hätten sich versammelt, um zu demonstrieren, so Hutterer, „und das bei Nacht!“.
„Das Münchener Bürokratengesindel konnten natürlich derlei Dinge nicht von seinen einmal gefassten, niederträchtigen Plänen abbringen“, stellt Hutterer im folgenden fest. Allein die Tatsache, dass Hutterer diese Worte gewählt hat, zeigt, wie tief die Wunden und die Enttäuschung über den gescheiterten Protest auch Jahre noch waren.
Großer Widerstand: Sorge um Zentralität und Bedeutung der Stadt
Tatsächlich waren auch die Proteste und Demonstrationen in Wasserburg etwas Besonderes, wie auch Ludwig Bauer in seiner Masterarbeit zum Thema Auflösung des Landkreises Wasserburg feststellt. Denn während solche Schritte in den meisten Gegenden lediglich zu Unmut unter den Kreistagsabgeordneten und den Politikern führten, war in Wasserburg auch der Widerstand in der Bevölkerung groß. Es ist vor allem der drohende Zentralitätsverlust, der die Wasserburger auf die Straße bringt und dazu treibt, eine eigene Bürgerinitiative zu gründen.
Staatsregierung angeprangert
Negative Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und für die Bedeutung von Wasserburg werden erwartet. Zudem fühlen sich die Wasserburger hintergangen, denn noch Ende der sechziger Jahre hatte die Regierung eine Einwohnerzahl von 50.000 für Landkreise festgelegt. Erst später wurde sie auf 80.000 angehoben, was Wasserburg in Gefahr brachte.
Die CSU-Regierung wolle einen Landkreis mit 70 Prozent CSU-Wählern gegen den Willen der Bevölkerung verheizen, schreibt die damalige Bürgerinitiative in einem Flugblatt und prangert die Staatsregierung massiv an.
Besonders in der Kritik stehen der bayerische Innenminister Bruno Merk, der ehemalige Kultusminister Ludwig Huber, der Präsident des bayerischen Bauernverbandes Otto Freiherr von Feury und der Staatssekretär Erich Kiesl. Von vielen Wasserburgern werden sie verdächtigt, sich gegen Wasserburg verschworen zu haben. „Nicht sachliche Gründe entscheiden über die Auflösung des Landkreises Wasserburg, sondern persönliche Ressentiments von Regierungsmitgliedern gegenüber Landrat Bauer“, beschwert sich die Bürgerinitiative 1971.
Kreis- und Stadträte verlassen die CSU
Schon damals verspricht das Bündnis, dass eine Auflösung des Kreises nicht ohne Folgen für die CSU bleiben werde. „Die Bevölkerung des Landkreises wird nichts vergessen. Die Bürgerinitiative wird dafür sorgen“, drohen sie in einem Flugblatt.
Sie sollte recht behalten, denn alle Stadt- und Kreisräte treten nach der Auflösung geschlossen aus der Partei aus und gründen den Wasserburger Block. Eine Entwicklung, die bis heute nachwirkt und die politischen Gremien prägt. Doch auch das Stadt selbst wurde von der Landkreisauflösung geprägt.

