Wilde Szenen in Raubling
Jahrelanger Nachbarschaftsstreit eskaliert in brutale Prügelei: Wer war bei den vermummten Angreifern dabei?
Seit Langem war es ein schwieriges Nachbarschaftsverhältnis. Zum Eklat kam es wegen eines Hundes ohne Maulkorb. Geschubse, Beleidigungen und am späten Abend fliegende Fäuste. Aber wer gehörte zu den vermummten Angreifern?
Raubling – Ein 28-jähriger Monteur und ein 36-jähriger Chemikant, beide Bewohner desselben Hauses, schubsten sich am 16. April 2021 gegenseitig auf der Treppe, wobei der Monteur stürzte und sich Blessuren an der Hüfte zuzog. Am gleichen Abend, nachdem er reichlich dem Alkohol zugesprochen hatte, attackierte der Monteur verbal seinen Nachbarn erneut und der anwesende Vermieter bemühte sich, die Auseinandersetzungen zu schlichten.
Vermummte Schläger beendeten Gassigang
Was zunächst beigelegt schien, stellte sich am Abend gegen 21 Uhr als irrig heraus. Als der Monteur und seine Mitbewohner sich aufmachten und mit ihrem Hund „Gassi gehen“ wollten, tauchten vermummte Gestalten auf und prügelten und traten auf den Monteur ein. Auch der Mitbewohner, ein 42-jähriger Frührentner, und dessen 36-jähriger Bruder wurden zu Boden geschlagen und getreten. Als schließlich die Schwester der Beiden hinzu kam und schlichtend eingreifen wollte, wurde auch sie niedergeschlagen und getreten.
Erst als die Nachbarn – vom Lärm aufmerksam geworden – einzugreifen begannen, ließen die Angreifer von ihren Attacken ab und drei von ihnen flohen.
Tatsächlich erkennbare Beteiligte der prügelnden Gruppe waren lediglich der beschuldigte 36-jährige Hundebesitzer und Hausbewohner, sowie dessen 29-jähriger Bruder der aber – nach seiner Version – zum Zwecke der Schlichtung dazu gerufen worden war und angeblich ohne zu prügeln die Szene wieder verlassen hatte.
Die Staatsanwaltschaft klagte nun diese Beiden der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung in vier Fällen an.
Ein dritter Angeklagter wurde ausfindig gemacht, weil er einem Bekannten gegenüber von dieser Aktion geprahlt hatte. Vor Gericht wurden die türkischen Sprachnachrichten des 31-Jährigen abgehört und von einer Dolmetscherin übersetzt. Sein Verteidiger und der 29-Jährige zogen die Übersetzung der vereidigten Dolmetscherin in Zweifel und versuchten, die Wortwechsel als ein Gespräch über Fußball zu interpretieren. Dies widerlegte die Dolmetscherin zweifelsfrei.
Der 36-Jährige gestand schließlich, sich an der Prügelei mit Schlägen und Tritten beteiligt zu haben und bedauerte sein Ausrasten sehr. Allerdings bestritt er, dass seine Mitangeklagten überhaupt strafbar beteiligt gewesen seien. Auch deren Verteidiger, die Rechtsanwälte Dr. Ertunc Kenan und Elena Mühle-Stein, beharrten darauf, dass ihre Mandanten mit den Vorwürfen nichts zu tun hätten und waren bemüht, anderslautende Zeugenaussagen entsprechend in Zweifel zu ziehen.
Ganz anders der Staatsanwalt. Für ihn stand es außer Zweifel, dass alle drei Angeklagten sich an dieser Auseinandersetzung beteiligt hatten. So beantragte er gegen den geständigen Hausbewohner und den dritten Angeklagten – den er für einen der Maskierten hielt – eine Haftstrafe von 18 Monaten zu verhängen. Der Bruder des Hausbewohners, der noch nicht vorbestraft war, solle eine Strafe von 15 Monaten bekommen. Alle die Strafen könnten zur Bewährung ausgesetzt werden.
Der Verteidiger des geständigen Angeklagten, Rechtsanwalt Harald Baron von Koskull, betonte Reue und Geständigkeit seines Mandanten und dass, weil eine Beteiligung der Mitangeklagten nicht bewiesen sei, es sich lediglich um eine einfache Körperverletzung gehandelt haben könne. So beantragte er eine Strafe von sechs Monaten Haft – die zur Bewährung auszusetzen sei.
Die beiden anderen Verteidiger hielten gleichermaßen eine Mittäterschaft ihrer Mandanten für unbewiesen – zumindest aber sehr zweifelhaft – und beantragten dementsprechend Freispruch.
Die Vorsitzende Richterin am Amtsgericht Rosenheim, Julia Vogel, sah bei einem Verdächtigen tatsächlich dessen Beteiligung nicht zweifelsfrei bewiesen und sprach ihn frei.
Zwei Angeklagte, zweimal Bewährung
Anders die beiden verbliebenen Angeklagten. Dem geständigen Täter hielt sie dessen Einsicht zugute, auch die Tatsache, dass er intensiv provoziert worden sei. Eine Bestrafung mit acht Monaten Haft, die zur Bewährung ausgesetzt wird, sei hinreichend. Zehn Monate Gefängnis dagegen für den Mittäter, der ohne jeden Anlass, nur der Prügelei halber, dort eingegriffen hatte. Auch hier mit der Chance zur Bewährung. In beiden Fällen handle es sich tatsächlich um eine gefährliche – weil gemeinsam begangene – Körperverletzung.