Zum Tod von Erika Maria Lankes
Nicht zu füllende Lücke hinterlassen
Vor drei Wochen ist Erika Maria Lankes verstorben. Sie war die bedeutendste Bildhauerin der letzten 50 Jahre in Rosenheim. Im Salingarten steht ihr Bronzeguß „Die Passanten“.
Von Andreas Legath
Schloßberg – Erika Maria Lankes ist nicht mehr. Die Bildhauerin verstarb vor drei Wochen 82-jährig in Schloßberg. Vor ziemlich genau zwei Jahren konnte die Städtische Galerie Rosenheim anlässlich der 80. Geburtstage mit zwei weiteren Kollegen eine repräsentative Auswahl des beeindruckenden plastischen Werks von Erika Maria Lankes präsentieren. Gleichzeitig wurde ein Großteil ihrer Plastiken den Kunstsammlungen der Stadt Rosenheim zugeeignet.
1940 in Waldenburg in Schlesien geboren, in Pilsting in Niederbayern aufgewachsen, studierte Erika Lankes 1959-64 an der Akademie der Bildenden Künste München bei Crodel und Kirchner und heiratete 1963 den Kunsterzieher Franz Lankes.
Ort der Poesie und Kreativität
Nach Jahren in der Innleiten erwarb das Künstlerpaar Mitte der siebziger Jahre das Haus in Landl. Jenes Haus, das bald die Farbe Blau annahm, entwickelte sich zu einem magischen Ort voller Poesie und lebendiger Kreativität. Legendär wurden die Künstlerfeste in den ausgeräumten Ateliers.
Das symbiotisch fruchtbare Zusammenwirken zweier so unterschiedlicher Künstlerpersönlichkeiten, wie es Erika und Franz Lankes waren, war untrennbar mit dem Haus verbunden. Die vielen Aquarelldarstellungen von Franz Lankes mit Erika vor dem Fenster, am Tisch, mit Blumen, unter der Lampe, geben ein beredtes Zeugnis. Der bildhauerische Werdegang von Erika Lankes ist von großer Experimentierfreude und dem Verlassen gewohnter Verfahren geprägt. Polyester wurde von den allerersten Anfängen ihr ureigener Werkstoff. Frei von historischem Ballast traditioneller Bildhauerei als identitätsloses Industriematerial ist Polyester unter ihrer Hand Leben, Individualität und nicht zuletzt Verletzlichkeit eingehaucht.
Interesse an randständigen Personen
Waren es in den ersten Jahren Personen aus ihrem unmittelbaren Umfeld, die als Modell dienten, kam es in den achtziger Jahren zu fremden Menschen, die immer mehr ihr Interesse weckten: die scheinbar Unauffälligen, die am Rande Stehenden, die Unbeachteten und Flüchtlinge.
Fotos von Passanten entstehen als erste Arbeitsgrundlage. Mit Zeichnungen, plastischen Modellen wird den Figuren Schritt für Schritt ihre Anonymität genommen, bis sie in Großfiguren ihre unverwechselbare Individualität zurückbekommen. Selbst das Schicksal von Flucht und Vertreibung erlitten, wird ihr das Leid der Vertriebenen zum großen Thema, das sie zu beklemmend eindringlichen Bildfindung führt. Für die bald üppige Präsenz im öffentlichen Raum waren der Bildhauerin mit ihrem Material Polyester natürliche Grenzen gesetzt. So wurde als Zugeständnis an die Haltbarkeit auch Bronze und später vor allem Aluminium ihr Werkstoff.
Realistische Bildhauerin
Die öffentlichen Aufträge waren zahlreich. 1989 schuf Lankes im Auftrag der Stadt München eine in den Gehsteig integrierte stählerne Bodenplatte mit den Umrissen des ermordeten ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. In Wasserburg gehört die „Neue Figur“ zu den substantiellsten Beiträgen des Skulpturenwegs entlang des Inns. Die „Passanten“ im Rosenheimer Salinengarten begründen Lankes eigene Einschätzung als realistische Bildhauerin. Die vierteilige Figurengruppe erfährt an trüben Tagen, an denen die Farbigkeit zurücktritt, nicht selten eine Ergänzung mit realen Passanten. 2001 wurde eine vierfigurige Gruppe aus Bronze anstelle der zerstörten Polyestergruppe von 1998 vor dem Stadtmuseum in Bayreuth aufgestellt.
Als letzten öffentlichen Auftrag kam das Liebespaar aus der Passanten-Gruppe in einem silbernen strahlenden Aluminiumguss hoch auf dem Gipfel des Wendelsteins zur Aufstellung. Die Liste der Auszeichnungen und Preise ist beträchtlich. Sowohl die Stadt Rosenheim ehrte die Künstlerin 2003 als auch der Bezirk Oberbayern 2004 jeweils mit dem Kulturpreis.
Liebenswerte Eigenständigkeit
Ohne Zweifel ist Erika Lankes, deren Rang als Künstlerin weit über die Region hinausgeht, die bedeutendste Bildhauerin der letzten 50 Jahre in Rosenheim. Einen nicht unerheblichen Teil dazu hat ihr Ehemann Franz beigetragen. Seine mit bildnerischer Erfahrung gepaarte Pragmatik war für Erika der verlässliche Boden, auf dem sich ihre Kunst entwickeln konnte. So war 2003 der Tod von Franz Lankes für Erika ein Einbruch, aus dem sie sich nicht wirklich erholen konnte.
Unwiederbringlich ist die Kunstlandschaft Rosenheim um ein Künstlerpaar ärmer, das in seiner liebenswürdigen Eigenständigkeit eine nicht zu füllende Lücke hinterlässt.