Auftakt zum 9. November geplant
Nach Debatte um Stolpersteine: Mit diesem Gedenkzeichen will Rosenheim an NS-Opfer erinnern
Stolpersteine, Stelen oder kleine Gedenktafeln: Lange haben die Rosenheimer Politiker darüber diskutiert, wie an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert werden soll. Jetzt ist die Entscheidung gefallen. Welches Gedenkzeichen das Rennen gemacht hat - und warum die AfD damit nicht einverstanden ist.
Rosenheim - Über Kunst kann man sich streiten. Das machte Karl-Heinz Brauner während der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Dienstag, 20. September, deutlich. Der Grünen-Stadtrat gehörte in der Vergangenheit zu denjenigen, die sich für die Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum ausgesprochen haben, um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern.
Nachdem sich eine Mehrheit des Gremiums gegen die Objekte des Künstlers Gunter Demnig ausgesprochen hatte, einigten sich die Politiker stattdessen darauf, den „Rosenheimer Weg“ zu gehen.
Konzepte für ein modernes Gedenkzeichen
Im Rahmen dessen sollte mithilfe eines Kunstwettbewerbs ein Modell zum dezentralen und zentralen Gedenken an NS-Opfer entwickelt werden. „Die Bewerber wurden aufgefordert, Konzepte für ein modernes Gedenkzeichen zu entwickeln“, heißt es aus dem Rathaus.
Insgesamt seien fünf Künstler in die engere Auswahl gekommen.
Künstlerin kommt aus München
Anfang des Monats hatten sich die Mitglieder der Preisjury - geleitet durch Christian Schnurer, Vorsitzender des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler - nach drei Wertungsdurchgängen schließlich einstimmig für das Gedenkzeichen „Lebendige Erinnerung“ von Christiane G. Huber aus München ausgesprochen.
Das Gedenkzeichen wird die Form einer Möbiusschleife erhalten. Dabei handelt es sich um einen besonderen geometrischen Körper, der nur zwei Seiten hat. In der Kunst wird das Symbol, das auch das Logo der EU-Ratspräsidentschaft ziert, laut Stadt verwendet, um die unendliche Kontinuität und Wandelbarkeit darzustellen.
Aufarbeitung der Vergangenheit
„Die Form wirkt tiefst philosophisch, ohne pathetisch zu sein“, teilte die Verwaltung während der Sitzung mit. Das Kunstprojekt „Lebendige Erinnerung“ sei eine neue Form des Gedenkens und die Realisierung des „Rosenheimer Weges“ bei der gemeinsamen Aufarbeitung der Vergangenheit mit Blick in die Zukunft.
Zeichen soll mit Baum mitwachsen
Ziel sei es, das Möbiusband, das aus Messing und Blattgold besteht, an bestehenden Bäumen zu montieren. Das Band soll mit den Namen sowie den Geburts- und Sterbedaten der NS-Opfer versehen werden.
„Das Zeichen soll mit dem Baum mitwachsen“, heißt es aus dem Rathaus. Alternativ könne das Erinnerungsband auch an Häuser montiert werden, die in biographischer Verbindung mit den Opfern stehen.
Auftakt am 9. November
Der Schutz der Bäume und eine vandalensichere Befestigung werden in Absprache mit der Verwaltung im Detail durch die produzierende Fachfirma gelöst. „Jeder Ort erhält so eine individuelle Form, die sich mit der Zeit verändern wird und mitwächst“, teilt die Stadt mit. Das erste dezentrale Gedenkzeichen soll am 9. November 2022 nach Rosenheim kommen.
Kosten liegen bei 30.000 Euro
Die Kosten für die Honorare der Wettbewerbsteilnehmer sowie die Erstellung von zehn dezentralen Objekten liegen bei 30.000 Euro. „Das Möbiusband als Symbol ist nicht wirklich originell“, sagte Grünen-Stadtrat Franz Opperer. Da die Jury jedoch einheitlich dafür gestimmt habe, stehe auch er hinter der Entscheidung.
Einer, der ebenfalls in der Jury saß, war sein Fraktionskollege Karl-Heinz Brauner. Vier Stunden lag hätten die Jury-Teilnehmer auf Augenhöhe und konstruktiv miteinander diskutiert. „Für mich wären vier der fünf Vorschläge in Frage gekommen“, sagte der Politiker. Dass am Ende Christiane G. Huber überzeugt hat, darüber zeigte er sich sehr erfreut. Auch, weil die Künstlerin eine partizipative Methode im Sommer beziehungsweise Herbst 2023 plant, die den „Rosenheimer Weg“ zu einer echten „lebendigen Erinnerung“ machen soll.
Gesellschaftspolitische Fragestellungen
Christiane G. Huber wurde in Altötting geboren. Sie studierte Schauspiel und Psychologie in München. Mittlerweile arbeitet sie als Künstlerin und setzt sich in ihren Werken mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen sowie Gewalt und Krieg auseinander. Ihre Arbeit wurde unter anderem in der Rathausgalerie in München und im Herzlyia Museum für zeitgenössische Kunst in Israel gezeigt - und demnächst eben auch in Rosenheim.
AfD hatte andere Vorstellungen
Lediglich die AfD sprach sich gegen die Möbiusschleife aus. Während sie im Haupt- und Finanzausschuss ihre Entscheidung nicht begründet hatten, erklärte AfD-Fraktionsvorsitzender Andreas Kohlberger einen Tag später auf OVB-Anfrage die Beweggründe seiner Fraktion: „Es braucht eine Erinnerungskultur. Aber wir hätten uns etwas anderes gewünscht.“
Vorstellbar seien für ihn beispielsweise kleine Gedenktafeln an Hauswänden.
Endgültige Entscheidung fällt nächste Woche
Eine endgültige Entscheidung fällt in der Sitzung des Stadtrates am Mittwoch, 28. September. Beginn ist um 17 Uhr im großen Sitzungssaal des Rathauses.
