Erste Vogelpraxis in Prien
Mit Corona kamen die Hühner: Priens erste Vogeltierärztin ist bei Hobby-Hühnerhaltern gefragt
Eier von der eigenen Hühnerschar - diesen Wunsch haben sich seit Beginn der Coronapandemie im Chiemgau viele Familien erfüllt. Doch wenn ein Huhn erkrankt, bemerken das viele erst spät. Was ist zu tun, wie kann man Vorzeichen erkennen? Und wie hilft man verletzten Wildvögeln? In Prien finden Vogelfreunde jetzt Antworten bei einer Vogeltierärztin.
Prien – Melina Zwack ist von der Nachfrage überwältigt. Dass sie mit einer Vogelpraxis in ihrer Heimatgemeinde Prien eine Nische füllen würde, war ihr zwar bewusst, doch: „Ich dachte, wenn im September zehn, zwölf Leute mit ihren Vögeln kommen, ist es schon ein guter Anfang“, so die studierte Tierärztin mit Fortbildungen in Vogelmedizin. Stattdessen melden sich schon in den ersten Tagen nach der Praxiseröffnung am 1. September jeden Tag etliche Besitzer, die Hilfe für ihre Hühner, Tauben, Falken und sonstige Vögel suchen. Ein Besuch vor Ort der Chiemgau-Zeitung zeigt: Auf eine Vogelärztin haben Vogelfreunde aus dem Chiemgau gewartet.
Milben sind ein großes Problem bei Hühnern
Um 7.45 Uhr hat die 33-Jährige das Handy am Ohr, während sie an der Empfangstheke Papiere durchgeht. Schon um sieben Uhr beim Frühstück mit ihrem Mann und den beiden Kindern hat sie Laborberichte gesichtet. Jetzt fragt ein Hobbyhühnerhalter, dessen Hühner Milben haben, um Rat. Er habe gehört, er solle sie unbehandelt in einen Isolationskäfig stecken. „Quatsch. Die Milben musst du behandeln, die gehen ja nicht von alleine weg“, erklärt sie ihm.
Ein Falke holte die Taube vom Dach
Seit Ausbruch der Coronapandemie haben sich im Chiemgau viele Familien Hühner zugelegt. „Hühner machen den Großteil meiner Patienten aus. Viele halter haben aber keine richtigen Informationen, wie sie die Tiere gesund halten können und Krankheitsanzeichen erkennen“, schildert Melina Zwack. Dass es jetzt eine Vogeltierärztin in Prien gibt, spricht sich herum. Zwack wird später noch mehrere Hausbesuche machen.
Zunächst kommt aber eine Frau mit einer verletzten Taube an die Reihe. „Irgendein Greifvogel hat sie mir vom Dach geholt. Ich habe sie auf dem Boden gefunden“, sagt die Prienerin besorgt, als die Tierärztin Einweghandschuhe überzieht und den Vogel aus dem Pappkarton hebt. „Ist es ein Mädel?“, fragt die Frau, die der Taube einen Name geben möchte. Das lässt sich nicht so schnell bestimmen, erklärt die Tierärztin. Sie stellt fest: Gebrochen ist nichts, aber die junge Taube hat etliche Schwungfedern verloren. Fliegen kann sie erst in ein paar Monaten wieder. Damit die Federn gut nachwachsen, bekommt die Frau stärkende Präparate, abgefüllt in kleine Behälter mit nach Hause.
Falke „Evita“ ist fit für die Krähenjagd
„In Prien, Rimsting und Bernau päppeln Gott sei Dank viele Leute verletzte Wildvögel wieder auf“, sagt Melina Zwack, als Patientin „Evita“ in die Praxis gebracht wird. Der Falke kommt zur Routinekontrolle. Falken sind gefährdet und nützlich. „Mit Evita jage ich im Auftrag von Landwirten Krähen, die deren Siloballen aufhacken“, erzählt Falknerin Katharina Weinberger aus Eggstätt.
Die Luftzufuhr bringe Schimmel in den Siloballen, was wiederum die Kühe krank mache, ergänzt die Tierärztin. Nachdem sie Evitas Kotprobe unter dem Mikroskop untersucht und ihre Brust zur Gewichtskontrolle abgetastet hat, lobt Zwack Weinberger zum Abschied: „Du hältst deine Falken vorbildlich.“
Ein Vorbild in der Hobbyhühnerhaltung ist auch die Familie, in deren Garten Melina Zwack jetzt einen Hausbesuch macht. Als sie den weißen Kittel und die weiße Hose gegen Bermudas und einen schwarzen Pulli eingetauscht und auf der Autofahrt einem Anrufer erklärt hat, welchen Befund die Kotprobe seiner Taube ergeben hat, streift Zwack blaue Einweg-Plastikbeutel über ihre Schuhe, um keine Keime von einem Hühnerstall in den nächsten zu übertragen. Erst dann betritt sie den großen Garten, in dem sich prächtig aussehende Hühner tummeln.
„Diese Hühner werden gut gehalten. Aber die Besitzer haben den Verdacht auf Milben, das schaue ich mir jetzt an“, sagt Zwack beim Betreten des Hühnerstalls.
Fehlt die Impfung, droht eine Geldstrafe
Dort brütet gerade ein graues Huhn. Mit weißen Einweghandschuhen streift Zwack über die Ritzen der Holzwand. Der Verdacht bestätigt sich: „Braune Schlieren am Handschuh zeigen, hier sind Milben, die schon Blut gesaugt haben. Die Hühner brauchen Behandlung, weil sonst ihr Kreislauf immer schwächer wird und sie sterben können“, sagt sie. Sie weist Halter darauf hin, dass jedes Huhn auch amtlich gemeldet und gegen Vogelgrippe geimpft werden muss, sonst drohen bei Kontrollen Bußgeldstrafen.
Wenn Hühner nicht in den Stall wollen
Die Vogelärztin kennt die große Bandbreite der Vogelbesitzer: Eine Frau zahlte schon fast 1 000 Euro, um ihr krankes Huhn wieder aufzupäppeln. Andere wollen nicht einen Euro in die Gesundheit ihrer gefiederten Haustiere stecken. Einen Tipp, so die junge Prienerin vor der Abfahrt zu weiteren Hühner-Hausbesuchen an diesem Tag, sollten alle beachten: Milben saugen nachts an Hühnern, und das juckt. Wenn Hühner abends partout nicht in den Stall gehen wollen, ist das oft ein Alarmzeichen.


