Auf Visite beim Sorgenkind
Söder fordert bei Hotspot-Besuch in Rosenheim Impfpflicht und Bundesnotbremse
Erst Rosenheim, dann Passau: Ministerpräsident Markus Söder und Gesundheitsminister Klaus Holetschek haben heute (26. November) bayerische Corona-Hotspots besucht. Diskutiert wurde über eine einheitliche Bundesnotbremse, eine allgemeine Corona-Impfpflicht und eine baldige Ministerpräsidentenkonferenz.
Viel Zeit hat Markus Söder nicht. Er lässt seinen Blick durch den großen Sitzungssaal des Rosenheimer Rathauses schweifen. Hin und wieder bleibt sein Blick an einem der zahlreichen Medienvertreter hängen. Dann tippt er wieder etwas in sein Handy. Es wird ein langer Tag für den bayerischen Ministerpräsidenten. Und ein ernster. Denn die Lage in den Corona-Hotspot-Regionen in Südostbayern spitzt sich immer mehr zu. Söder kennt die Situation in den Notaufnahmen und Intensivstationen. Er weiß um die hohen Inzidenzzahlen und die niedrige Impfquote.
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Trotzdem will er sich ein Bild vor Ort machen, das Gespräch mit den Vertretern der Stadt Rosenheim sowie der Landkreise Berchtesgadener Land, Mühldorf, Rosenheim und Traunstein suchen – alles Regionen mit einer Inzidenz von über 1000. Den „Teamspirit herstellen“, wird Söder das später in der Pressekonferenz nennen.
Um 7.45 Uhr kommt Holetschek, 15 Minuten später fährt Söders Limousine vor. Zu dieser Zeit stehen die Landräte und Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März bereits Spalier. Begrüßt wird sich mit Faustgruß, die Regierungspräsidentin von Oberbayern, Maria Els, bekommt einen Schulterklopfer. Dann ziehen sich die Politiker in den kleinen Sitzungssaal des Rathauses zurück. Zu den ernsten Corona-Themen gibt es Brezen und Schorle.
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Anderthalb Stunden später stellt sich die Runde der Öffentlichkeit. „Corona ist die Bürde unserer Zeit und die Lage bleibt weiter sehr dramatisch“, sagt Söder. Er hat in der Mitte Platz genommen. Links sitzt März, rechts Holetschek. Ganz außen Dr. Michael Städtler, Ärztlicher Leiter des Rettungsverbandes für Rosenheim Stadt und Landkreis sowie Miesbach und Traunsteins Landrat Siegfried Walch. Die Mienen sind ernst. Das erkennt man auch unter den FFP2-Masken.
Raus aus der Corona-Schleife
Söder fordert gleich zu Beginn eine einheitliche Bundesnotbremse und eine Impfpflicht, möglichst ab dem 1. Januar. Das Ziel: Die Menschen aus der „Dauerendlosschleife Corona“ befreien. Er spricht darüber, wie wichtig es ist, dass das Kleeblatt-Konzept zur Verlegung von Patienten in andere Bundesländer aktiviert sei und dass man angesichts der Lage alle Kräfte zusammenkratzen müsse. Zudem will der Freistaat Geld zur Reaktivierung von Pflegekräften geben und die Bundeswehr um weitere Hilfe bei der medizinischen Versorgung bitten.
Söder stichelt am Freitag aber auch in Richtung der neuen Regierung, kritisiert, dass Konferenzen verschoben und Entscheidungen hinausgezögert würden. Es könne nicht sein, dass die neue Regierung mehr mit Koalitionsverträgen als mit Corona-Plänen beschäftigt sei. Es ist eine Lage, die auch Gesundheitsminister Holetschek sauer aufstößt. „Die politische Situation ist schwierig“, sagt er und kritisiert, dass man immer noch nicht wisse, wer neuer Bundesgesundheitsminister werde.
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Während Söder und Holetschek über die aktuelle Situation sprechen, haben sich in der Nähe des Rathauses einige Leute versammelt. Sie kennen sich nicht.
Aber sie wollen zeigen, dass sie mit Söders Corona-Politik und dem, was im großen Sitzungssaal besprochen wird, nicht einverstanden sind. Sie sind gekommen mit Trillerpfeifen und Plakaten, auf denen steht: „Söder heißt er, sein Volk bescheißt er.“ Weil die Versammlung nicht angemeldet ist, spricht die Polizei einen Platzverweis aus. Sonst ist es ruhig. Das bestätigen auch die anwesenden Beamten.
Kein Weg an der Impfpflicht vorbei
Im großen Sitzungssaal hat währenddessen Traunsteins Landrat Siegfried Walch das Wort ergriffen. Auch in seinem Landkreis sind die Inzidenzen nach wie vor hoch. Ein Grund hierfür sei – wie wahrscheinlich in allen Corona-Hotspots – die niedrige Impfquote.
„Wären mehr Menschen geimpft, hätten wir weniger Infizierte und weniger Belastung im Gesundheitssystem“, sagt er. Die Intensivkapazitäten in seinem Landkreis seien maximal ausgelastet. Auch er glaubt, dass an einer Impfpflicht kein Weg vorbeiführe.
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„Die Gesundheitsversorgung ist eine Einrichtung der Solidargemeinschaft und darf nicht nur wenigen in Anspruch genommen werden“, sagt er. Ähnlich äußert sich Mühldorfs Landrat Max Heimerl am frühen Freitagnachmittag.
„Die Lage hat sich in der letzten Woche auf hohem Niveau eingependelt. Der Anstieg ist gebremst, aber eine Trendwende noch nicht eingeleitet. Wir müssen jetzt schauen, wie es weitergeht. Kontaktbeschränkungen sind derzeit leider ohne Alternative, man kann für die kommenden Wochen nichts ausschließen.“
Agieren mit gebundenen Händen
Und auch in Rosenheim ist die Situation nach wie vor ernst. Bereits am vergangenen Mittwoch hat der Stadtrat deshalb eine Resolution verabschiedet und den Bund aufgefordert, schnellstmöglich die Rechtssicherheit für eine Impfpflicht zu prüfen und zu schaffen.
„Es braucht einen deutschen Corona-Notfallplan“, bestätigt Söder und weiter: „Für die Dramatik der Gefahr agieren wir mit gebundenen Händen und das kann auf Dauer nicht sein.“ Man müsse Wellen brechen und boostern. Dann setzt er seine Maske auf. Verabschiedet sich und macht sich auf den Weg nach Passau – ein angenehmeres Programm hat er auch dort nicht.
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