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Klimaschutz und Energiekrise

„Zwangssanierung“? So stehen Rosenheimer Stadträte zur neuen Sanierungspflicht der EU

Eine „Zwangssanierung“ wird es seitens der EU entgegen anderslautender Berichte nicht geben.
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Eine „Zwangssanierung“ wird es seitens der EU entgegen anderslautender Berichte nicht geben.

Von Zwangssanierung schrieb dieser Tage eine große deutsche Boulevardzeitung. Doch wie stehen die Rosenheimer Stadträte zur neuen EU-Gebäuderichtlinie, mit der die Energieeffizienz von Wohngebäuden verbessert werden soll?

Von: Michael Bartel

Rosenheim - Laut der Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie sollen Wohngebäude bis 2030 bestimmte Mindeststandards an die Energieeffizienz erfüllen und Neubauten bereits ab 2028 emissionsfrei sein. Die Grundzüge dieser Richtline werden von den Politikern der Stadt unterstützt.

Das EU-Parlament möchte mit der Sanierung der Gebäude in den 27 Mitgliedstaaten den Klimaschutz vorantreiben und sich unabhängiger von russischen Energielieferungen machen. In diesen Punkten sind sich CSU, SPD und Grüne der Stadt einig. Die Freien Wähler konnten dazu keine Aussage treffen und von Seiten der AfD kam auf OVB-Anfrage bis Redaktionsschluss keine Rückmeldung.

Das EU-Gesetz

Am 14.03.2022 verabschiedete das Europäische Parlament die Neufassung über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Dem Vorschlag zu Folge soll die Renovierungsquote der Gebäude gesteigert und der Energieverbrauch sowie die Treibhausgasemissionen gesenkt werden. Die Energieeffizienz soll auf einer Skala von A bis G bemessen werden, wobei die Kasse G die 15 Prozent der Gebäude eines Mitgliedslandes beschreibt, welche am energieineffizientesten sind. In Deutschland gibt es mit dem Energieausweis bereits ein vergleichbares System, bei dem die Energieeffizienzklassen A+ bis H gelten. Nach der neuen Regelung sollen Wohngebäude bis 2030 die Klasse E und ab 2033 die Klasse D erreichen. Für Nichtwohngebäude und öffentliche Gebäude tritt dies bereits jeweils drei Jahre früher in Kraft. Neubauten sollen ab 2028 emissionsfrei sein. Für Neubauten von Behörden soll dies ab 2026 gelten.  

Fraktionsübergreifende Einigkeit

Laut EU-Kommission sind die Gebäude europaweit für 40 Prozent unseres Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. „Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn wir alle Maßnahmen ergreifen, damit wir einen ökologischen Umbau auch im Heizungs- und Sanierungsbereich möglichst schnell vollziehen“, kommentiert der Vorsitzende der CSU-Fraktion Rosenheim Herbert Borrmann. Der Fraktionssprecher der Grünen Peter Rutz sieht einen dringenden Bedarf für eine zeitnahe Umsetzung eines Sanierungskonzepts, da in der Stadt Rosenheim etwa 50 Prozent der CO2 Emissionen durch die Wärmeversorgung der Gebäude verursacht werden. „Es liegt auf der Hand, dass hier angesetzt werden muss, was die viel gescholtene und kritisierte EU offenbar tut“, ergänzt Abuzar Erdogan, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion.

Fachkräftemangel erschwert die Umsetzung der EU-Ziele

Doch hier endet die Einigkeit der Fraktionen. Nach Erdogan seien Teile der Richtlinie nicht mit dem Grundrecht auf Eigentum vereinbar und der Vorschlag noch nicht ausgereift. Bis zu seiner endgültigen Form muss die Sanierungspflicht des EU-Parlaments noch mit den Mitgliedsstaaten ausgehandelt werden, was noch mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Erdogan sieht hier den Bund in der Plicht darauf zu achten, dass es keine Verbote und Zwänge gibt, die zu sozialer Ungerechtigkeit führen würden. Zusätzlich befürchtet Erdogan, dass mit den Zeitvorgaben der Richtlinie der Markt überhitzen könnte und die entstehende hohe Nachfrage nach Sanierungsmaßnahmen zu explodierenden Preisen führen wird.

Borrmann hinterfragt dagegen die logistische Umsetzung: Er vermutet „erhebliche Probleme bei der Finanzierung und der Schnelligkeit der Durchführung“ und verweist darauf, dass der Fachkräftemangel sowie die Lieferzeiten für Material die Lage zusätzlich erschweren. Der Vorschlag des EU-Parlaments beinhaltet für solche und andere Szenarien zahlreiche Ausnahmen, wie in etwa für Gebäude unter 50 Quadratmetern, denkmalgeschützte und religiöse Bauten. Darüber hinaus ist es den EU-Staaten möglich, weitere Ausnahmen hinzuzufügen. Laut dem Vorschlag können mehr als ein Fünftel der Gebäude eines Landes von der Richtline ausgenommen werden. Gründe hierfür können zum Beispiel ein Mangel an Fachkräften sein oder, dass die Sanierungen technisch und wirtschaftlich nicht realisierbar sind.

Fernwärmeanteil soll in der Stadt Rosenheim auf 60 Prozent erhöht werden

Obwohl der Vorschlag noch nicht auf Ebene der EU-Mitgliedsstaaten angekommen ist, ist eine Form der Richtlinie auch für Deutschland zu erwarten und die Stadt Rosenheim hat mit entsprechenden Vorbereitungen begonnen. In Erwartung der Sanierungspflicht hatten die Rosenheimer Grünen bereits im Dezember letzten Jahres einen Antrag für den Haushalt 2023 eingereicht. Sie fordern darin neben Budgeterhöhungen für Klimaschutzmaßnamen mehr Personal, welches Sanierungskonzepte für die Stadt entwickelt, um die neuen Richtlinien umsetzen zu können. Laut Fraktionssprecher Rutz ist es „wichtig, sich im Thema Energie unabhängig von autokratischen Regierungen wie der Putins zu machen, klimaneutral zu werden und eine dezentrale Energieversorgung aufzubauen.“ Die Stadt Rosenheim sei hierbei mit der Fernwärme auf keinem schlechten Weg.

Für SPD-Politiker Erdogan ist hier noch Luft nach oben. Ziel sei es für die Stadt Rosenheim den Fernwärmeanteil auf 50 bis 60 Prozent aller Gebäude auszudehnen. Fernwärme sei CO2 neutral, wodurch die Stadt bereits einen erheblichen Eigenanteil zu der EU-Gebäuderichtlinie leisten könne. In der Stadt werde bereits daran gearbeitet, Gebäude mit niedriger Energieeffizienz an das Fernwärmenetz anzuschließen. Borrmann gibt zu bedenken, dass allein der Ausbau des Fernwärmenetzes in Rosenheim einen dreistelligen Millionenbetrag kosten werde. Bund, Länder und Gemeinden seinen bereits mit anderen Aufgaben aus dem Umweltbereich personell und finanziell stark gefordert.

EU stellt 150 Milliarden Euro Fördermittel bereit

Über einen gewissen Zeitraum würden sich energetische Renovierungen von selbst auszahlen, so die EU-Kommission. Um dennoch weitere Anreize für Kommunen und Hauseigentümer zu schaffen, stellt der EU-Haushalt bis 2030 Fördermittel in Höhe von 150 Mrd. EUR zur Verfügung. Darüber hinaus sind keine Sanktionen in der Richtline enthalten und Mitgliedsstaaten können selbst bestimmen, wie bei Verstößen vorgegangen wird. Befürchtungen über einen Sanierungszwang oder gar Zwangsenteignungen entsprechen demnach nicht den Tatsachen.

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