Überschlagsrechnungen liefern ungefähre Zahlen
Millionengrab Blockabfertigung? Das kostet die Tiroler Dosierungsmaßnahme
Die Lkw-Blockabfertigung sorgt immer wieder für Staus und Behinderungen in der Region. Doch wie viel Geld verschlingen die Dosierungsmaßnahmen in Tirol eigentlich? rosenheim24.de hat sich erkundigt und eine grobe Überschlagsrechnung aufgestellt.
Kiefersfelden/Kufstein – Für das erste Halbjahr 2023 sind die Termine der Lkw-Blockabfertigung auf der Inntalautobahn bereits bekannt. An insgesamt 24 Tagen wird das österreichische Bundesland Tirol bis zum 9. Juni den Schwerverkehr auf der A12 bei Kufstein dosieren. Die Auswirkungen werden dann auch wieder auf der A93 und der A8 teils deutlich zu spüren sein. Staus und Verkehrsbehinderungen sind vorgeplant.
Doch neben den meist als „nervig“ abgestempelten Problemen auf den Straßen gibt es noch einen ganz anderen Aspekt: Das Geld. Doch welche Summen verschlingen die Maßnahmen ungefähr? Aufgrund der Komplexität kann zwar keine genaue Zahl genannt werden, allerdings kann anhand verschiedener Grundlagen eine näherungsweise Berechnung aufgestellt werden. Und die zeigt: Die Lkw-Blockabfertigung ist ein wahres Millionengrab.
Übersicht:
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Berechnungen nur als Näherungswerte zu verstehen
Pro Blockabfertigungstermin stehen Tausende Lkw auf der A93 und oft auch auf der A8 im Stau. Auf dem rechten Fahrstreifen reihen sich die Fahrzeuge Stoßstange an Stoßstange – im Schnitt über 33 Kilometer Länge. Auch wenn zwar pro Stunde mehrere Hundert Lastwagen die Kontrollstelle bei Kufstein passieren dürfen, kommen entsprechend viele am Ende des Staus nach. Für eine grobe Berechnung ist es also egal, ob eine gewisse Anzahl Lkw während der Blockabfertigung dauerhaft steht, oder ob diese Anzahl plus eine Variable x in Bewegung ist und am Staubeginn Fahrzeuge aus der Rechnung herausfallen, solange am Ende neue hinzukommen.
Ein Sattelzug darf laut Straßenverkehrsordnung maximal 16,50 Meter lang sein. Bei einer Staulänge von 33 Kilometern würden also genau 2000 dieser Fahrzeuge dicht an dicht aneinander gereiht stehen. Da natürlich nicht nur 40-Tonner im Stau stehen, sondern auch kleinere – beziehungsweise kürzere – Fahrzeuge, dürften diese fehlenden Längen den Sicherheitsabstand zwischen den Lkw in der Berechnung grob ausgleichen.
Spedition nennt grobe Anhaltspunkte
Auf Anfrage von rosenheim24.de erklärte die in Flintsbach ansässige Spedition Dettendorfer, dass der durchschnittliche Zeitverlust für die Lkw pro Blockabfertigung „in der Regel drei bis vier Stunden“ betragen würde. Die Firma erklärte außerdem, dass pro Lkw in einer Stunde etwa 45 Euro an Fixkosten anfallen würden.
Bei 2000 Fahrzeugen und 3,5 Stunden Zeitverlust würde dies allein einem Betrag von 315.000 Euro entsprechen, welchen die Speditionen je Blockabfertigungstermin abfangen müssen. Bei 38 Dosierungsmaßnahmen wie im Jahr 2022 wären dies unglaubliche 11.970.000 Euro.
Georg Dettendorfer, Geschäftsleiter der gleichnamigen Spedition erklärt weiter, dass es allerdings auch Tage geben würde, an denen die Lkw „bis zu zehn Stunden im Stau stehen“. Vor allem an ungleichen Feiertagen in Bayern, Tirol und Italien wäre dies oft ein Problem. An diesen Tagen fallen also die Kosten für die Speditionen natürlich entsprechend noch höher aus.
Nicht nur Fahrer und Lkw müssen bezahlt werden
Neben des erhöhten Treibstoffverbrauchs aufgrund des ständigen Stop-and-Go-Verkehrs sei auch die Standheizung der Lkw im Winter beziehungsweise die Klimaanlage im Sommer ein nicht zu vernachlässigender Punkt mit Hinblick auf die anfallenden Kosten.
„Ein gravierendes Problem ist der Umsatzverlust, wenn zum Beispiel ein Lkw durch Blockabfertigung die Anschlussladung nicht mehr schafft und damit eine ganze Tour Umsatz verliert. Dies wirkt sich massiv auf die Wirtschaftlichkeit eines Lkws aus“, erläutert Dettendorfer außerdem. Da diese Kosten allerdings kaum realistisch dargestellt werden können, können sie auch in der entsprechenden Berechnung nicht berücksichtigt werden.
Enormer Aufwand bei der Polizei
Doch nicht nur die wirtschaftlichen Folgen für Speditionen sind groß, auch die Kosten für den Staat und damit den Steuerzahler fallen hoch aus. Bei der zuständigen Verkehrspolizeiinspektion (VPI) Rosenheim, die im Rahmen der Lkw-Blockabfertigung regelmäßig mit zahlreichen Kräften im Einsatz ist, erkundigte sich rosenheim24.de nach den anfallenden Stunden.
„Der Kräfteeinsatz für die Sicherung der Auswirkungen der österreichischen Blockabfertigungen im Zuständigkeitsbereich der Verkehrspolizeiinspektion Rosenheim variiert stark“, heißt es seitens des Inspektionsleiters Peter Böttinger. Je nach Lage seien seinen Angaben zufolge im vergangenen Jahr zwischen sechs und 78 Kräfte pro Termin eingesetzt gewesen.
„Insgesamt hat die bayerische Polizei für die Bewältigung der Auswirkungen der Blockabfertigungen durch Tirol im Jahr 2022 circa 3600 Einsatzstunden geleistet“, bilanziert Böttinger und fügt an: „In dieser Zahl sind Zeiten für Vor- und Nachbearbeitung der Einsätze sowie Reisezeiten nicht enthalten.“
Kosten nur schwer vergleichbar
Schwierig wird es allerdings, wenn man diese Einsatzstunden finanziell umrechnen möchte. Das Problem liegt in der Feststellung eines Stundensatzes der Beamten. Seitens der Rosenheimer VPI konnten hierzu keine konkreten Informationen genannt werden und auch Alexander Huber, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd konnte auf Anfrage keine genauen Zahlen nennen.
Die Verkehrspolizei verwies zwar für einen Anhaltspunkt auf die „Richtlinien zur Erhebung von Kosten und anderen öffentlich-rechtlichen Geldleistungen durch die Polizei“, in der pro angefangener Einsatzstunde eines Beamten 60 Euro veranschlagt werden, Huber relativierte diese Zahl allerdings ausdrücklich.
Dabei handle es sich nämlich um Kosten, wie sie beispielsweise bei einer polizeilichen Begleitung eines Schwertransports einer Firma in Rechnung gestellt würden. Die Einsätze im Rahmen der Blockabfertigung seien dagegen eine „hoheitliche Aufgabe“ und könnten deshalb nicht eins-zu-eins umgerechnet werden.
Dennoch: Würde man diesen Stundensatz als Grundlage heranziehen, würde man bei den oben genannten 3600 Stunden auf einen jährlichen Betrag von 216.000 Euro kommen. Im vergangenen Jahr gab es an insgesamt 38 Mal eine Lkw-Blockabfertigung, dies entspräche durchschnittlichen Polizeikosten von knapp 5700 Euro pro Termin.
Beschilderung schlägt ebenfalls zu Buche
Keine laufenden Kosten, aber durchaus hohe Beträge im Rahmen der Lkw-Blockabfertigung liefen zuletzt auch beim Freistaat Bayern auf. Wie das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr auf Anfrage erklärt, beliefen sich beispielsweise die Kosten für die Beschaffung und das Aufstellen der Beschilderung der Abfahrverbote entlang der A93 und A8 auf etwa 38.000 Euro.
Darüber hinaus wurden zuletzt auch drei Hinweistafeln mit der Aufschrift „Bitte bei Stau auf der Autobahn bleiben“ in diesem Zusammenhang aufgestellt. Ein Sprecher erklärte, dass die Autobahn GmbH, für die nicht der Freistaat Bayern, sondern der Bund zuständig ist, seinem Ministerium gegenüber die Kosten dafür auf rund 50.000 Euro geschätzt habe.
Am 25. Juli 2022 war erstmalig die Abfahrt des Transit-Schwerlastverkehrs von den Autobahnen zur Umgehung des Staus an der deutsch-österreichischen Grenze verboten worden. Bayern bezeichnete die Aktion als „Notmaßnahme“, um die seit Jahren unter dem Ausweichverkehr leidenden Menschen im Inntal zu entlasten.
Erhebliche Kosten bei der Autobahnmeisterei
Ein weiterer enormer Betrag schlägt bei der Autobahn GmbH des Bundes zu Buche. Auf Anfrage heißt es, dass vor allem die örtlich zuständige Autobahnmeisterei Rosenheim „durch die Blockabfertigungen einen erheblichen zusätzlichen Aufwand“ habe.
Eine vollständige Auflistung der Kosten sei zwar nicht möglich, Angaben eines Pressesprechers zufolge würden sich die entstehenden Kosten allerdings auf rund 12.000 Euro pro Einsatztag belaufen. Bei 38 Terminen im vergangenen Jahr entspräche dies 456.000 Euro.
Der größte Aufwand für die Mitarbeiter sei der Aufbau der erforderlichen Beschilderung für die Absicherung der Blockabfertigung. Damit werde bereits einige Tage vor den eigentlichen Terminen begonnen, heißt es seitens der Autobahn GmbH.
Ausgaben in Millionenhöhe auch auf österreichischer Seite
Doch nicht nur in Bayern fallen Kosten für die Dosierungsmaßnahme an, auch im benachbarten Österreich verschlingen die Maßnahmen Geld. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) als Betreiber der Autobahnen und Schnellstraßen in unserem Nachbarland konnte auf Anfrage konkrete Zahlen liefern.
Alexander Holzedl, Pressesprecher der ASFINAG, spricht dabei von rund 1,35 Millionen Euro, die seit Beginn der Lkw-Blockabfertigungen auf der A12 bei Kufstein investiert wurden. Eine „reine Betrachtung der Kosten an einem Dosiertag“ sei allerdings in Hinblick auf den „gegenüberstehenden nicht quantifizierbaren Nutzen für eine Dosierung im Bereich Kuftstein nicht seriös möglich“, erklärt Holzedl abschließend.
Fazit
Auch wenn am Ende keine konkrete und fixe Zahl genannt werden kann, sieht man anhand der näherungsweisen Berechnungen deutlich, dass pro Jahr grob geschätzt ein zweistelliger Millionenbetrag an Kosten aufgrund der Lkw-Blockabfertigungen auf der Inntalautobahn anfallen dürften.
Doch es sind nicht nur finanzielle Schäden, die aufgrund der Dosierungsmaßnahmen entstehen. Viel schwerer wiegen hier noch teils tragische Unfälle im Staubereich, bei denen bereits mehrere Menschen ihr Leben verloren haben. Ein Ende im Transitstreit zwischen Bayern und Tirol ist jedenfalls noch nicht in Sicht – bis eine Lösung gefunden wurde, werden wohl noch viele Millionen Euro ausgegeben werden müssen.
Tabellen
Variable Kosten
| Kostenstelle | Näherungsweise Berechnung für das Jahr 2022 in Euro |
| Speditionen | 11.970.000 |
| Polizei | 216.000 |
| Autobahn GmbH | 456.000 |
| _________ | _________ |
| Summe gesamt | 12.642.000 |
Einmalige Kosten
| Kostenstelle | Ungefähre Ausgaben in Euro |
| Beschilderung Abfahrverbote | 38.000 |
| Hinweistafeln Abfahrverbote | 50.000 |
| ASFINAG-Ausgaben | 1.350.000 |
| _________ | _________ |
| Summe gesamt | 1.438.000 |
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