Stimmkreis Rosenheim-Ost
Landtagswahl 2023: Sabine Rechmann (Linke) im Steckbrief und zu den wichtigsten Fragen
Bei der Landtagswahl 2023 in Bayern stehen im Stimmkreis Rosenheim-Ost 13 Kandidaten zur Wahl. Wir stellen alle Kandidaten einzeln vor. Dieses Mal: Sabine Rechmann (Linke).
Rosenheim - Am 8. Oktober 2023 findet in Bayern die Landtagswahl 2023 statt. Im Stimmkreis Rosenheim-Ost treten 13 Kandidaten an. Jeder Kandidat hat sich zu sechs Kernfragen geäußert. Hier sehen Sie die Antworten von Sabine Rechmann (Linke).
Kandidaten-Steckbrief
Bitte stellen Sie sich kurz vor und formulieren Ihre Kernaussage, Ihre politischen Schwerpunkte und Ihre Motivation.
Sabine Rechmann (56), Rosenheim, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Arbeitsrecht, drei erwachsene Kinder, parteilos/Linke.
Werdegang und Ehrenämter: Wirtschaftsmediatorin, Trainerin in der Erwachsenenbildung und Lehrbeauftragte an der Hochschule Rosenheim; ehrenamtliche Prüferin für Recht bei der IHK München, Mitglied im Kulturklub Rosenheim, Mitbegründerin des Arbeitskreises linke Frauen Rosenheim.
Mitgliedschaften: unter anderem im Aktionsbündnis 8. März Rosenheim, Verband Demokratischer Juristinnen und Juristen, Deutscher Juristinnenbund, Feministische Juristinnen.
„Mein Motto ,Wissen, was Recht ist‘ gilt nicht nur beruflich, als Anwältin und das Recht lehrend, sondern in allen Lebensbereichen. Als Rechtsanwältin habe ich meinen Tätigkeitsschwerpunkt mit der Ausbildung zur Fachanwältin für Arbeitsrecht in die Vertretung von Arbeitgebern, Arbeitnehmer*innen und Betriebsräten gelegt und unterrichte dies auch an der IHK-Akademie, der Hochschule und in Inhouse-Schulungen. Ebenso liegt mein Schwerpunkt in der Unternehmensmediation bei Konflikten zwischen Unternehmen, in Teams und in der Unternehmensnachfolge.
In meinem ehrenamtlichen Engagement in der Kultur und Frauenpolitik setzt sich dieses fort, denn auch dort ist es mir wichtig, aufzuzeigen, wo im Sinne der Gerechtigkeit noch Nachbesserung nötig ist, insbesondere frauenpolitisch immer wieder die fehlende Gleichberechtigung von Frauen aufzuzeigen und anzuprangern.
Seit meiner Kindheit lebe ich in Rosenheim, meine Kinder sind hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Ich schätze und nutze das kulturelle Angebot in der Stadt genauso wie die Nähe zur Natur. Es ist mir ein großes Anliegen, Menschen zu motivieren und zu vernetzen – das nicht nur privat und beruflich, sondern auch in meiner politischen Arbeit.
Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, als parteilose Kandidatin das Angebot der Partei Die Linke anzunehmen und gemeinsam im Bündnis mit Mut und Die Urbane zur Landtagswahl zu kandidieren, da ich möchte, dass die Menschen Politik wieder verstehen, sich von der Politik gesehen und ernst genommen fühlen und sich daran beteiligen. Ich wünsche mir für Bayern eine demokratische, soziale Gesellschaft mit einer starken Opposition.“
Dauerbrenner Brenner-Nordzulauf
Viergleisig nach Tirol: Dringend erforderliches Mega-Verkehrsprojekt oder überflüssiges Milliardengrab mit verheerenden Auswirkungen für Mensch und Natur? Wie stehen Sie zum Brenner-Nordzulauf? Wie sollte es weitergehen?
Antwort: Das Thema wurde von der Regierung viel zu lange ignoriert und die Planung verzögert, die Bürger*innen wurden nicht frühzeitig beteiligt und nun soll alles schnell und mit teilweise unklaren Gutachten durchgeboxt werden, um das in der EU vereinbarte Soll zu erfüllen.
Fakt ist, dass Stadt und Landkreis Rosenheim an der Schnittstelle wichtiger Verkehrswege liegen. Zum einen entlang der Alpen zwischen München und Salzburg und über die Alpen nach Italien. Das führt zu erheblichem Verkehr im Landkreis mit Pkw und Lkw und auf der Schiene. Hinzu kommt der Verkehr zwischen Stadt und Landkreis, die Pendler nach München und am Wochenende der verstärkte Freizeitverkehr zu Bergen, Seen und Sehenswürdigkeiten in der Region.
Zur Bewältigung dieses massiven Verkehrsaufkommens fehlt ein Gesamtkonzept, das alle Verkehrsträger umfasst und die Emissionen für Klima und Umwelt senkt.
Zu diesem Konzept gehört selbstverständlich auch die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene. Der Brennernordzulauf muss so ausgebaut werden, dass die Region im Nahverkehr davon profitiert. Die jetzt geplante Neubaustrecke erfüllt dieses Kriterium nicht.
Bei einem Ausbau der Bestandsstrecke wäre jedoch neben der Berücksichtigung der Anwohnerbelange auch der Nahverkehr ebenso wie der Verkehrsknotenpunkt der Stadt Rosenheim zu berücksichtigen.
Wenn Rosenheim als zentraler Bahnhof noch mehr verloren geht, wie es bereits der Fall ist, weil Fernzüge hier nicht mehr halten, verliert die Stadt selbst auch an Attraktivität
.Raubtier-Alarm in den Alpen
In den Bergen war zuletzt der Bär los. Auch der Wolf hält die Almbauern in Atem. Was ist zu tun?
Antwort: Noch vor nicht einmal 100 Jahren gehörten Bären genauso wie Lüchse, Wölfe, Füchse, Wildschweine und Rehe zu den bayerischen Waldbewohnern.
Ausgedehnte Waldgebiete sind eine entscheidende Voraussetzung für einen Lebensraum der Bären für eine dauerhafte Ansiedlung. Gleichzeitig bedarf es der Akzeptanz der Bevölkerung. Jedoch muss man hier auch gängige Vorurteile und Ängste überdenken.
In den letzten 20 Jahren wurde 2006, 2019 und im Frühling 2023 ein umherstreifender Braunbär in Bayern gesichtet. Ähnlich ist es mit Wölfen. Beides sind Tiere, die den Kontakt mit Menschen in der Regel meiden. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Begegnung mit einem Wolf oder Bären hier in Bayern zu Tode zu kommen, geht gegen null.
In anderen europäischen Ländern wie Griechenland, Rumänien oder Italien leben Bären und Wölfe meistens in friedlicher Koexistenz neben den Menschen. Als ich zuletzt in Griechenland auf Urlaub war, hatte ich immer wieder Warnschilder gesehen, dass Bären (und Bärenkinder) die Straße überqueren – lediglich eine Warnung wie die vor Elchen in Schweden oder vor Kühen in unserem Raum.
Wenn das Wetter verrückt spielt
Dürre, Waldbrände, Starkregen, Tornados - muss sich auch die Region auf deutlich mehr Wetter-Extreme einstellen? Wie kann sich Bayern wappnen? Und was kann Bayern zum globalen Kampf gegen den Klimawandel beitragen?
Antwort: „Alle reden über das Wetter, aber ändern kann man es doch nicht.“ Wer auch immer das einmal gesagt hat, so entspricht dies doch nur zur Hälfte der Wahrheit.
Natürlich kann ich das Wetter heute nicht ändern, aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch unsere Kinder und Enkel noch gut auf dieser Welt leben können. Dazu gehört, dass wir die Ursachen des Klimawandels bekämpfen, um so schnell wie möglich die gesetzten Klimaziele zu erfüllen.
Die bayerische Industrie ist schlecht auf die Zukunft vorbereitet. Aktuell ist die Industrie einer der größten Treiber der Klimakatastrophe. Es ist daher an der Zeit für den Wandel. Die Industrie in Bayern muss gemeinsam mit den Beschäftigten, der öffentlichen Hand und den Gewerkschaften umgebaut werden, um neue und gute Arbeitsplätze zu schaffen. Dies gelingt, indem öffentliche Investitionen gezielt vergeben werden.
Klimaschutz und Arbeitsplätze gehören zusammen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir brauchen dringend mehr Windräder und Photovoltaik, und es ist an der Zeit, die Komponenten hierfür nicht mehr aus China zu importieren, sondern wieder vor Ort zu produzieren.
Flüchtlinge und kein Ende
Was muss der Freistaat beim Thema Flüchtlingsunterbringung aus Ihrer Sicht tun, damit die Kommunen die Aufgabe der Unterbringung von Flüchtlingen bewältigen können?
Antwort: Asyl ist ein Menschenrecht und ist durch unser Grundgesetz gewährleistet. Die aktuelle Asylrechtsreform steht hierzu im eklatanten Widerspruch.
Die teilweise völlig überraschenden Abschiebungen von Bürger*innen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland längst verwurzelt sind, verstoßen gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Mit einem dauerhaften Bleiberecht und der Vereinfachung des Familiennachzugs, besonders auch bei minderjährigen Flüchtlingen, verbunden mit Sprachkursen und Arbeitserlaubnis, gewähren wir diesen eine Perspektive, die eine Integrierung in unsere Gesellschaft ermöglicht.
Laut einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind mehr als die Hälfte der Geflüchteten erwerbstätig und zahlen Steuern. Verbesserungsbedarf gibt es laut der Studie noch bei der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt.
Als feministische Juristin setze ich mich seit Jahrzehnten für ein vom Partner unabhängiges Bleiberecht und die Anerkennung frauenspezifischer Fluchtgründe ein. Es braucht dringend mehr Beratungsangebote für sexuell verfolgte Menschen, vor allem für Frauen, Mädchen und aufgrund ihrer sexuellen Identität Geflüchteten.
Medizin hängt am Tropf
Die heimischen Krankenhäuser machen gewaltige Defizite. Welche Möglichkeiten muss der Freistaat nutzen, um die medizinische Versorgung in Kliniken in der Region sicherzustellen und dabei auch das Personal vernünftig bezahlen zu können? Wie kann man generell die medizinische Versorgung verbessern und Medikamenten-Engpässe vermeiden?
Antwort: Die Pflege und besonders auch die Pflegeberufe werden derzeit im Stich gelassen.
Ich habe es selbst vor ein paar Tagen erlebt, dass bei einem Notfall nachts kein freier Platz in einer psychiatrischen Einrichtung Oberbayerns gefunden wurde, obwohl die Rettungssanitäter sich wirklich bemühten und diese letztendlich darauf verwiesen wurden, das Problem am nächsten Tag mit dem Hausarzt zu klären.
Die Menschen werden allein gelassen und zu spät behandelt. Wir brauchen genügend Betten in den Kliniken. Diese dürfen nicht privatisiert werden, sondern müssen in kommunaler Hand verbleiben. Weiterhin bedarf es einer angemessenen Bezahlung der Pflegekräfte und einer unverzüglichen Aufstockung des Personalschlüssels, um genügend Stellen zu schaffen, dass die Mitarbeiter*innen der Kliniken psychisch wie physisch entlastet werden.
Es bedarf eines Anreizes an diejenigen, die in andere, besser bezahlte und weniger belastende Berufe abgewandert sind. Sie könnten zurück in die Pflege kommen, wenn die Arbeitsbedingungen in der Pflege unverzüglich erleichtert werden.
Ich habe einige Pflegekräfte in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, denen der Beruf Freude gemacht hatte, die jedoch einfach nicht mehr in der Lage waren, diesen unter den aktuellen Bedingungen auszuüben – und daher gewechselt haben.
Ihr Lieblingsthema
Ein Thema, das Sie für sehr wichtig halten, fehlt in der Liste? Etwa Wohnraum, Energiekosten, Bildung, Mittelstand oder Landwirtschaft? Dann nur zu! Nehmen Sie Stellung zu einem Thema Ihrer Wahl.
Antwort: Meine Themen: Frauen und Kultur.
Zu den Frauen: Solange ich denken kann, setze ich mich für eine gerechtere Gesellschaft ein. Mein Schwerpunkt liegt hierbei in der Frauenpolitik. Ich kämpfe für gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Dazu gehört die Aufteilung der Erziehungsarbeit zwischen beiden Eltern und eine qualitativ hochwertige bedarfsorientierte Kinderbetreuung, damit eine schnelle Rückkehr in den Beruf möglich ist.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse gehören abgeschafft, der Mindestlohn muss unverzüglich auf mindestens 14,50 Euro – wie es der Empfehlung der Europäischen Kommission entspräche – angehoben werden. Dies ist mit einem Tariftreue- und Vergabegesetz auch auf Landesebene möglich, wenn es der Staat vormacht und von seinen Vertragspartnern verlangt, ziehen erfahrungsgemäß private Unternehmen nach.
Niedriger Lohn führt zu niedrigerer Rente. Menschen, die ihr Leben lang Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, dürfen mit ihrer Rente nicht unter der Armutsgrenze liegen.
Aktuell liegt die Rente in Bayern von Männern bei durchschnittlich 1269 Euro und von Frauen bei 779 Euro im Monat. Das sind gerade einmal 61 Prozent, das führt dazu, dass oft nicht einmal mehr die Miete bezahlt werden kann. Es darf nicht sein, dass die unterschiedlichen Erwerbsbiografien dazu führen, dass 25 Prozent der Frauen in Bayern unter der Armutsgrenze leben.
Zur Kultur: Kulturelle Unterhaltung ist essenzieller Bestandteil einer Gesellschaft. Sie bringt Bürgerinnen und Bürger zusammen und bestärkt diese in ihrer Identität ebenso wie in ihrem Gemeinschaftsgefühl. Kultur ermöglicht es Menschen, eine gemeinsame Basis zu finden, unabhängig von ihrer ethnischen, sozialen oder religiösen Herkunft. Kultur vermittelt daneben auch ethnische und moralische Werte, die für eine funktionierende Gesellschaft unerlässlich sind.
Kultur fördert Kunst, Kreativität und damit Innovation. Künstler*innen können gesellschaftliche Probleme aufzeigen und dadurch politische Diskussionen anregen. Gleichzeitig trägt ein vielfältiges kulturelles Angebot zur Attraktivität einer Region bei und fördert dadurch Tourismus und Wirtschaft.
Hierfür bedarf es der finanziellen Förderung der Kultur durch den Staat. Es müssen Gelder und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden, wo auch kleine freie Kulturschaffende ihre Kunst leben und verwirklichen können.
Anmerkung der Redaktion: Die Antworten des Kandidaten/der Kandidatin wurden 1:1 von der Redaktion übernommen, inhaltlich nicht überarbeitet und müssen deswegen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.