Stimmkreis Rosenheim-West
Landtagswahl 2023: Martin Bauhof (Linke) im Steckbrief und zu den wichtigsten Fragen
Bei der Landtagswahl 2023 in Bayern stehen im Stimmkreis Rosenheim-West 13 Kandidaten zur Wahl. Wir stellen alle Kandidaten einzeln vor. Dieses Mal: Martin Bauhof (Linke).
Rosenheim - Am 8. Oktober 2023 findet in Bayern die Landtagswahl 2023 statt. Im Stimmkreis Rosenheim-West treten 13 Kandidaten an. Jeder Kandidat hat sich zu sechs Kernfragen geäußert. Hier sehen Sie die Antworten von Martin Bauhof (Linke).
Kandidaten-Steckbrief
Bitte stellen Sie sich kurz vor und formulieren Ihre Kernaussage, Ihre politischen Schwerpunkte und Ihre Motivation.
Martin Bauhof (40), Bruckmühl, Sozialökonom, verheiratet, zwei Kinder, Die Linke
„Ich bin 40 Jahre alt und lebe mit meiner Frau und meinen beiden Kindern in Bruckmühl auf einem kleinen Hof mit Ziegen. Ich habe Sozialökonomie studiert, war Geschäftsführer von verschiedenen gemeinnützigen Organisationen und arbeite im Moment als Pressesprecher für die bayerische Linke.
Schon seit meiner Jugend engagiere ich mich für die Unterdrückten und für eine lebenswerte Welt. Ich habe Demonstrationen und Proteste organisiert, Petitionen geschrieben und Unterschriften gesammelt, Seminare gegeben und Vorträge gehalten. Und ab dem Herbst möchte ich mich im bayerischen Landtag für eine solidarische Gesellschaft und eine klimagerechte Wirtschaft einsetzen und bitte Sie daher um Ihre Stimme.
Im Landtag braucht es eine Opposition, die die Ungerechtigkeit unseres Wirtschaftssystems anprangert und Lösungen erarbeitet, wie wir zu mehr Gerechtigkeit kommen können. Denn die materielle Ungleichheit wird immer krasser und das will ich nicht hinnehmen. Am heftigsten wird das deutlich, wenn ich sehe, wer die Klimaerhitzung verursacht und wer darunter leidet.
Die Einen fliegen mit Privatjets zu ihren Luxus-Yachten, die Anderen haben nicht mal Geld für einen Camping-Urlaub am Chiemsee. Und während die Einen im Zweifel einfach ein höher gelegenes Grundstück kaufen, müssen Andere am Ende ins Hochwasser-Gefahren-Gebiet ziehen, weil sie nur dort die Miete noch zahlen können.
Es gibt keinen Grund, warum einzelne Menschen mehrere 100 Millionen oder gar mehrere Milliarden besitzen dürfen, während andere in größter Not leben müssen. Das Geld ist da – es ist an uns, es gerechter zu verteilen.
Und ansonsten? In meiner Freizeit spiele ich leidenschaftlich Akkordeon und schreibe ab und zu eigene Songs. Im Sommer gehe ich sehr gerne wandern und im Winter liebe ich es, mit meinen Kindern im Schnee zu sein und fahre begeistert Snowboard.“
Dauerbrenner Brenner-Nordzulauf
Viergleisig nach Tirol: Dringend erforderliches Mega-Verkehrsprojekt oder überflüssiges Milliardengrab mit verheerenden Auswirkungen für Mensch und Natur? Wie stehen Sie zum Brenner-Nordzulauf? Wie sollte es weitergehen?
Antwort: Keine Frage, der Schienenverkehr muss ausgebaut werden, und zwar massiv. Im Verkehr wird heute noch genauso viel CO2 ausgestoßen wie vor 30 Jahren (während sonst überall die Emissionen zumindest etwas zurück gegangen sind). Damit sich das ändert, muss der Verkehr auf den Straßen deutlich zurückgehen und dafür braucht es gute Schienen.
Doch leider bringt die momentan geplante Strecke des Brenner-Nordzulaufs so viele Probleme mit sich, dass das Projekt in der aktuellen Form sofort beerdigt werden muss. Durch die vielen Kilometer Tunnelbau wird so viel CO2 ausgestoßen, dass es Jahrzehnte braucht, bis dies durch nicht gefahrene Lkw wieder eingespart ist. Und unsere Region wird mit der Tunneltrasse völlig vom Brenner-Nordzulauf abgehängt.
Niemand käme doch auf die Idee, eine Autobahn zu bauen ohne Auffahrten unterwegs und sie vollständig unter die Erde zu legen – warum sollten wir das mit der Bahn machen?
Vorrangig braucht es einen schnellstmöglichen Ausbau der Bestandsstrecke mit einer Verladestation für Lkw in der Nähe des Autobahndreiecks Rosenheim. Perspektivisch werden wir um zwei neue Gleise im Inntal jedoch nicht herumkommen. Die Kapazitäten auf der österreichischen Seite werden deutlich erhöht, dem müssen wir uns anpassen.
Der Brenner-Nordzulauf muss jedoch so gebaut werden, dass die Strecke auch für den Regionalverkehr nutzbar ist. Die Menschen vor Ort sollen etwas davon haben, wenn bei ihnen die neue Trasse verläuft. Außerdem muss ein Anschluss Richtung Wasserburg und Richtung Salzburg gewährleistet werden, was bisher überhaupt nicht vorgesehen ist.
Letztlich braucht es ein Gesamtkonzept, das alle Verkehrsflüsse in unserer Region umfasst, regionale wie internationale, Güter wie Personen – und das mit möglichst geringen Emissionen verwirklicht werden kann.
Raubtier-Alarm in den Alpen
In den Bergen war zuletzt der Bär los. Auch der Wolf hält die Almbauern in Atem. Was ist zu tun?
Antwort: Als ich vor zehn Jahren zwei Sommer auf der Alm verbracht habe, hatten wir vor allem mit zwei Herausforderungen zu kämpfen: der harten, erfüllenden, aber schlecht bezahlten Arbeit und mit der Natur.
Wolf und Bär sind natürlich Teil der Natur – aber werden in ihrer Bedrohung massiv aufgebauscht, um von der fehlgeleiteten Agrarpolitik der vergangenen Jahrzehnte abzulenken. Wenn es die Bereitschaft gäbe, bewährte Schutzkonzepte durch den Freistaat zu finanzieren, statt Einzelnen die Möglichkeit zu geben, sich als Retter mit dem Schießgewehr zu profilieren, wären die Wildtiere kaum ein Thema.
Viel dringender ist dagegen auch für die Almbauern ein guter Klimaschutz. In beiden Sommern auf der Alm stellten sich mir immer wieder die bangen Fragen: Hoffentlich geht das Wasser nicht aus, hoffentlich kommt kein Starkregen mit Murenabgängen. Auch von Steinschlag durch das Auftauen von Permafrost sind die Almtiere in höheren Lagen bedroht. Wenn die Erderhitzung nicht eingedämmt wird, werden diese Bedrohungen die Almwirtschaft großflächig unmöglich machen.
Wenn das Wetter verrückt spielt
Dürre, Waldbrände, Starkregen, Tornados - muss sich auch die Region auf deutlich mehr Wetter-Extreme einstellen? Wie kann sich Bayern wappnen? Und was kann Bayern zum globalen Kampf gegen den Klimawandel beitragen?
Antwort: Ich habe vor zwei Jahren selbst erlebt, was es heißt, wenn ein kleiner Bach zum Sturzbach wird. Bereits zum zweiten Mal in zehn Jahren stand das Gemüse meines Schwiegervaters unter Wasser, und der gute Boden lag samt der frisch gepflanzten Salate bei den Nachbarn im Keller. Und das war ziemlich sicher erst der Anfang, wir werden uns in Zukunft auf noch deutlich heftigere Wetter-Extreme einstellen müssen.
Um dem in Zukunft gut begegnen zu können, brauchen wir eine widerstandsfähige Natur. Unter Bäumen ist es feuchter; höheres Gras hält den Boden kühler; vielfältigere Wiesen können Wetter-Schwankungen besser abfedern. Es braucht von der bayerischen Staatsregierung klare Vorgaben für deutlich mehr Artenvielfalt.
Und auch in den Städten braucht es einen Umbau. Bäume, offener Boden und Grasflächen kühlen bei Hitze und können Starkregen deutlich besser aufnehmen als Betonflächen, Asphaltwüsten und Blechkolonnen.
Im Kampf gegen die Klimaerhitzung muss Bayern eine Vorbildfunktion einnehmen. Statt abzuwägen zwischen halbherzigem Klimaschutz und Erhalt des Status Quo müssen wir die weitreichendsten Maßnahmen umsetzen. Und gleichzeitig sicherstellen, dass niemand auf der Strecke bleibt. Das wird kurzfristig Geld kosten, aber Bayern ist eine der reichsten Regionen der Welt. Ich finde, das können wir uns leisten.
Flüchtlinge und kein Ende
Was muss der Freistaat beim Thema Flüchtlingsunterbringung aus Ihrer Sicht tun, damit die Kommunen die Aufgabe der Unterbringung von Flüchtlingen bewältigen können?
Antwort: Nach Oberbayern kommen viele Menschen – und zwar aus den unterschiedlichsten Gründen: Weil es hier Arbeit gibt, weil die Natur so schön ist, weil sie Schutz suchen vor Krieg und Verfolgung. Und genau so wie viele Menschen hier vor Ort, treffen sie auf die gleichen Probleme – nämlich, wie sie bezahlbaren Wohnraum finden können. Gleichzeitig steigt die Zahl der Zweitwohnungen, weil ein kleiner Teil immer reicher wird.
Unsere Region braucht deshalb ein Wohnungsbauprogramm für Sozialwohnungen. Außerdem wäre eine Luxussteuer, die Zweitwohnungen ab 50 Quadratmeter pro Person deutlich besteuert, eine mögliche Maßnahme, um für mehr Wohnraum zu sorgen.
Ganz konkret brauchen die Kommunen für die Unterbringung der Geflüchteten finanzielle Unterstützung des Freistaats, um mehr Personal einstellen zu können, das sich um Wohnraum und Flächen kümmert, und es braucht deutlich mehr Personal für die Beratung der ankommenden Menschen.
Die Staatsregierung muss zu der Einsicht kommen, dass im Moment und auch in Zukunft wesentlich mehr Menschen zu uns kommen und dass wir sie umso besser integrieren werden, je schneller wir ihnen ein neues Zuhause geben können.
Medizin hängt am Tropf
Die heimischen Krankenhäuser machen gewaltige Defizite. Welche Möglichkeiten muss der Freistaat nutzen, um die medizinische Versorgung in Kliniken in der Region sicherzustellen und dabei auch das Personal vernünftig bezahlen zu können? Wie kann man generell die medizinische Versorgung verbessern und Medikamenten-Engpässe vermeiden?
Antwort: Seit über 20 Jahren setzt die Staatsregierung die bayerischen Krankenhäuser einer Unterfinanzierung aus. Sie kommt ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionen – Neuanschaffungen, Umbauten, Modernisierungen et cetera – nicht ausreichend nach.
Krankenhäuser sind deshalb regelmäßig gezwungen, Investitionen in nennenswertem Umfang aus den laufenden Betriebsmitteln zu zahlen, was zulasten des Personals und damit der Behandlungsqualität geht, für die diese Gelder eigentlich vorgesehen sind. Die ungenügenden Investitionen des Freistaats sind eine wichtige Ursache für den Kostendruck und damit den Personalmangel: Krankenhäuser sind gezwungen, Gelder für Personalstellen in Baustellen zu stecken. Hier muss der Freistaat endlich seiner Verantwortung gerecht werden.
Bereits seit Längerem erleben vor allem diejenigen, die auf dem Land oder in benachteiligten Stadtteilen leben, die Unterversorgung jeden Tag: Es gibt immer weniger Arztpraxen und Apotheken.
Um das zu ändern, braucht es kommunale Versorgungszentren oder Polikliniken. Und Angebote, die es für junge Ärztinnen und Ärzten attraktiv machen, Arztpraxen jenseits der Ballungsräume zu übernehmen. Auch mobile Arztpraxen oder vernetzte Filialpraxen könnten eingeführt werden, um in ländlichen Regionen die Versorgung sicherzustellen.
Der Freistaat ist hier in der Verantwortung, die Kommunen so auszustatten, dass sie ihrem Auftrag überall nachkommen und eine geeignete Gesundheits- und Pflegeversorgung gut erreichbar für alle Bürger:innen bereitstellen können.
Ihr Lieblingsthema
Ein Thema, das Sie für sehr wichtig halten, fehlt in der Liste? Etwa Wohnraum, Energiekosten, Bildung, Mittelstand oder Landwirtschaft? Dann nur zu! Nehmen Sie Stellung zu einem Thema Ihrer Wahl.
Antwort: Mein Thema: Bildung.
Das Hoheitsthema der Bundesländer schlechthin ist die Bildung. Hier ist Bayern leider Schlusslicht, was die Chancengerechtigkeit angeht. Ob ein Kind auf die Mittelschule oder das Gymnasium geht, hängt bei uns nach wie vor massiv von den finanziellen Voraussetzungen und dem sozialen Status der Eltern ab. Die rigorose Trennung nach der vierten Klasse führt zu unnötigem Stress und bringt den meisten Kindern am Ende nichts.
Wir von der Linken fordern deshalb: zehn Jahre gemeinsam zur Schule für alle!
Es gibt etliche Studien, die belegen, dass Kinder sehr gut miteinander lernen können, ob schnell oder langsam, hochbegabt oder nicht – vorausgesetzt sie werden dabei gut unterstützt. Dafür braucht es mehr und besser ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer – und dafür muss der Freistaat sorgen.
Außerdem braucht es klügere Lernerfolgsmessung als die derzeit verwendeten Noten. Diese sorgen für Druck und Konkurrenz, was den Kindern beim Lernen regelmäßig im Weg steht.
Wenn Kinder Feedback bekommen zu ihrem Wissen und dem, was sie gelernt haben, muss immer der Fokus darauf liegen, sie zu motivieren und die Lust am Lernen zu erhalten. Dann bleibt die kindliche Neugier geweckt und die Schülerinnen und Schüler lernen deutlich besser und leichter.
Anmerkung der Redaktion: Die Antworten des Kandidaten/der Kandidatin wurden 1:1 von der Redaktion übernommen, inhaltlich nicht überarbeitet und müssen deswegen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.