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Mehr als 400 Wohnungen fehlen

Krise ist Nährboden für Mietwucher: Warum die Kolbermoorer Stadtväter nur zuschauen

Bauen und Wohnen sind in der Krise. Das ist auch Nährboden für unseriöse Vermieter, die Wohnraum mit Schimmel und ohne Heizung vermieten. Bürgermeister Peter Kloo und Monika Schmid-Balzert vom Mieterschutzbund Bayern beobachten das mit Sorge.
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Bauen und Wohnen sind in der Krise. Das ist auch Nährboden für unseriöse Vermieter, die Wohnraum mit Schimmel und ohne Heizung an Flüchtlinge oder Gastarbeiter vermieten. Bürgermeister Peter Kloo und Monika Schmid-Balzert vom Mieterbund Bayern beobachten das mit Sorge.

Die Wohnungsnot ist groß, doch die Möglichkeiten, ihr zu begegnen werden immer geringer. In Kolbermoor fehlen mehr als 400 Wohnungen. 25 sollen jetzt für etwa sechs Millionen Euro gebaut werden. Der Bau eines Quadratmeters Wohnraum kostet inzwischen etwa 4000 Euro. Eine Situation, die von Mietwucherern schamlos ausgenutzt wird.

Kolbermoor – 771 Wohnungen sind in den vergangenen sieben Jahren in Kolbermoor entstanden – darunter 601 in Mehrfamilien-, 63 in Einfamilienhäusern, 67 in Doppel- und 40 in Zweifamilienhäusern. Auch wenn die Bevölkerung in dieser Zeit nur um 405 Personen auf 19.694 gewachsen ist. Die Wohnungen reichen nicht aus. Allein auf der Warteliste für kommunalen Wohnraum stehen 400 Familien. 380 städtische Wohnungen gibt es. Alle sind belegt. Neue entstehen erst in einigen Jahren.

Abriss des „Invalidenbaus“ steht bevor

Aktuellstes kommunales Projekt ist die Unteren Mangfallstraße 11. Der sogenannte „Invalidenbau“ wurde inzwischen „entmietet“. Noch im Frühjahr soll das Gebäude abgerissen werden. Hier ist ein Mehrfamilienhaus mit 25 bis 30 Wohneinheiten geplant. Doch kann sich die Stadt das überhaupt noch leisten? Nach der aktuellen Studie „Bauen und Wohnen in der Krise“ des Pestel-Instituts (Hannover) und des schleswig-holsteinischen Bauforschungsinstituts ARGE (Kiel) kostet der Neubau einer Mietwohnung heute etwa 4000 Euro pro Quadratmeter.

Das „Invalidenhaus“ an der Unteren Mangfallstraße soll noch im Frühjahr abgerissen werden. Für etwa sechs Millionen Euro will die Stadt Kolbermoor hier 25 bis 30 Wohnungen über das Kommunale Wohnbauförderprogramm bauen.

Kosten darf der Quadratmeter im neuen „Invalidenbau“ künftig aber nur neun bis zehn Euro, denn die Wohnungen sind für Menschen gedacht, die auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance haben. „Wir wollen das kommunale Wohnbauförderprogramm nutzen und rechnen mit einer Investition von fünf bis sechs Millionen Euro“, blickt Bürgermeister Peter Kloo voraus. Er könnte sich ein Gebäude in Holzbauweise vorstellen. Doch das werde letztlich ein Architektenwettbewerb ergeben.

Schwieriges Miteinander von Wohnen und Gewerbe

Dass Wohnen auch näher ans Gewerbe rücken muss, war eine der Zukunftsvisionen der „Leerstandskonferenz“ von Kolbermoor. Doch die Gesetzgebung hinkt Ideen und Bedarf hinterher. Noch existieren für Gewerbe-, Misch- oder Wohngebiete klare Definitionen. Auch im geplanten Gewerbegebiet in der Schwaig sollen am Übergang zum bestehenden Wohngebiet eigentlich mehrere Gebäude über das Wohnbauförderprogramm errichtet werden. „Doch an Wendelstein- und Brünnsteinstraße gibt es jetzt schon ein Spannungsfeld zwischen Wohnen und Gewerbe“, sagt Kloo.

Das Beispiel einer Betriebsleiterwohnung an der Werkstraße zeigt auch, wie schwer neue Visionen auf Grundlage geltender Regeln aus Baugesetzbuch und Baunutzungsverordnung umzusetzen sind, denn: „Individuelle Vereinbarungen, die ein Nebeneinander von Wohn- und Gewerbeinteressenten regeln und die Entwicklung beider Seiten ermöglichen, sieht das Baugesetzbuch nicht vor“, macht Peter Kloo die Kluft zwischen Gesetz, Vernunft und Wunsch klar.

Kann fremdes Eigentum reaktiviert werden?

Bei der Reaktivierung leerstehender Gebäude für Wohnungen sind der Stadt nach Paragraph 14 des Grundgesetzes bislang die Hände gebunden. „Auch in Kolbermoor gibt es Eigentümer, die ihre Häuser an wunderschönen städtischen Plätzen verfallen lassen“, bedauert der Bürgermeister. Die Stadt habe bislang keine Handhabe, dagegen vorzugehen. „Im Bayerischen Gemeindetag wurde schon über die Möglichkeit der Enteignung von Eigentümern diskutiert“, informiert Kloo über Gedankenspiele, um Lösungen für die Wohnungsnot oder auch den Bau von Radwegen zu finden.

Leerstehende Gebäude gibt es auch an zentralen Plätzen Kolbermoors. Doch wenn die Eigentümer weder sanieren noch neu bauen wollen, sind den Kommunen bislang die Hände gebunden. Zwar kann der Bund für den Bau von Straßen und Bahntrassen Grundbesitzer enteignen, für den Wohnungsbau ist das aber noch nicht erlaubt.

Viel mehr Sorge aber bereiten dem Kolbermoorer Bürgermeister Häuser, die verfallen und trotzdem vermietet werden. „Wir haben hier Eigentümer, die Wohnungen ohne Heizung und mit Schimmelbefall oder alte Hotelzimmer menschenverachtend und zu hohen Preisen an Flüchtlinge oder Gastarbeiter vermieten“, informiert er und ist empört, denn: „Wir müssen zusehen und können nichts machen.“

„Saisonarbeiter sind leichte Opfer“

Auch dem Landesverband Bayern des Deutschen Mieterbundes (DMB) werden immer wieder solche Fälle bekannt. Geschäftsführerin Monika Schmid-Balzert erklärt im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen, wie sich Mieter davor schützen können, unangemessen hohe Mieten zu zahlen.

Sind Ihnen Fälle bekannt, wo Hausbesitzer die ausweglose Lage von Flüchtlingen und Gastarbeitern ausnutzen, um minderwertige Wohnungen zu vermieten?

Monika Schmid-Balzert: Diese Fälle gibt es immer wieder. Je größer der Druck auf den Wohnungsmarkt ist, desto leichter wird es für unseriöse Vermieter, minderwertigen Wohnraum zu vermieten. Leichte Beute für sie sind dann leider oft Menschen, die sich nicht wehren können, weil sie sich in unserem Land nicht auskennen, die Sprache nicht richtig verstehen und auch nicht wissen, welche Hilfen es gibt. Da sie sich nicht an uns wenden, bleibt die Zahl der Betroffenen im Dunkeln.

Wie kann Betroffenen geholfen werden?

Monika Schmid-Balzert: Wichtig wäre, dass sie sich vor Bezug der Wohnung beraten lassen, um gewappnet zu sein. Denn wenn die Mängel schon bei der Übergabe bestehen, und der Mieter keine Nachbesserungen fordert, nimmt er die Wohnung so an. Treten die Mängel später auf, kann man vom Mietminderungsrecht Gebrauch machen. Einen Anspruch auf Beseitigung der Mängel gibt es dann auch.

Wie kann man sich bei der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt als Mieter vor überteuerten Preisen oder Mietwucher schützen?

Monika Schmid-Balzert: Für Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt, und dazu gehört Kolbermoor, gilt bis 2025 eine Mietpreisbremse. Dort kann sich der Mieter am Mietspiegel der Stadt orientieren. Ich schätze, dass der ortsübliche Mietpreis in Kolbermoor je nach Wohnung bei etwa 11 bis 14 Euro liegt. Werden Mieten aufgerufen, die diesen um zehn Prozent übersteigen, kann der Mieter unter bestimmten Voraussetzungen und wenn keine Ausnahme gilt, die zu viel gezahlte Mieter für die letzten 30 Monate zurückverlangen. Das gilt auch bei Mietwucher, wenn der Vermieter 20 Prozent zu viel verlangt und eine Zwangslage ausgenutzt hat. Allerdings muss in jedem Fall der Mieter aktiv werden, seine Forderungen stellen, beweisen und notfalls auch ein klagen.

Geht das auch, wenn man einen Mietvertrag mit der überhöhten Miete unterschrieben hat?

Monika Schmid-Balzert: Ja, auch dann kann man jederzeit die Mietpreisbremse ziehen.

Können Kommunen Ihrer Meinung nach auf Mietspekulanten Einfluss nehmen?

Monika Schmid-Balzert: Bei der Vergabe von Bauland oder der Ausweisung von Baugebieten können sie das über städtebauliche Verträge durchaus. Bei Bestandsgebäuden ist das schwer. Dafür bräuchten wir vom Bund einen bundesweiten Mietenstopp und gegen minderwertige Wohnungen vom Land dringend ein „Wohnraumaufsichtsgesetz“. Aber eine Kommune kann auch eine kostenlose Mietrechtsberatung anbieten oder Betroffene an die örtlichen Mietervereine verweisen, um die Bürger aufzuklären.

Wird Ihrer Meinung nach eine Enteignung von Eigentümern möglich werden, die ihre Häuser leerstehen lassen und nicht sanieren, um den vorhandenen Wohnraum nutzbar zu machen?

Monika Schmid-Balzert: Ich glaube nicht, dass wir das noch erleben. Eigentum ist durch das Grundgesetz geschützt. Enteignungen gibt es in Deutschland bislang nur für den Bau von Straßen oder Bahntrassen, nicht aber für den Wohnungsbau.

Ukrainische Kriegsflüchtlinge müssen sich selbst um Wohnraum kümmern

Für die Unterbringung von Flüchtlingen ist das Landratsamt zuständig. Geflüchtete aus der Ukraine dagegen sind selbst für die Suche nach geeignetem Wohnraum verantwortlich. Das hängt damit zusammen, dass sie einen anderen Aufenthaltsstatus als Asylbewerber haben.

„Flüchtlinge aus der Ukraine gelten nicht als Asylbewerber“, erklärt Ina Krug, Pressesprecherin des Landratsamtes. Seit dem 1. Juni 2022 seien deshalb nicht mehr die Landratsämter, sondern die Jobcenter für der Geflüchteten aus der Ukraine zuständig. „Das ermöglicht es ihnen, schnell auf den Arbeitsmarkt zu gelangen“, erklärt Krug. „Gleichzeitig bedeutet es auch, dass die ukrainischen Flüchtlinge nicht mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach dem Sozialgesetzbuch II unterstützt werden.“

Vor diesem Hintergrund seien die Geflüchteten aus der Ukraine auch selbst für die Suche nach geeignetem Wohnraum zuständig. Die Kosten der Unterkunft würden übernommen, sollte dies notwendig sein. „Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben die gleichen Rechte und Pflichten wie vergleichbare deutsche Familien, die Bürgergeld beziehen“, erläutert die Pressesprecherin: „Einkommensschwache Bürger haben die Möglichkeit, beim Landratsamt Wohngeld zu beantragen. Eine Voraussetzung dafür ist ein eigenes Einkommen. Aktuell sind weniger als ein Prozent der Wohngeldbezieher im Landkreis Rosenheim Bürger aus der Ukraine.“ 

Natürlich werden dem Landkreis weiterhin Flüchtlinge aus der Ukraine von der Regierung von Oberbayern zugewiesen. „Bis sie registriert sind, haben sie zunächst Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und werden von uns vorübergehend in einer unserer Turnhallen untergebracht. Es sind in der Regel meist nur ein paar Tage bis zum Statuswechsel“, informiert Krug über das Prozedere direkt nach der Ankunft der geflüchteten Menschen.

Was menschenunwürdige Wohnverhältnisse betrifft, hat das Landratsamt keine Rückmeldungen von Betroffenen. „Uns liegen keine Informationen vor, ob und inwieweit Eigentümer bei der Vermietung die Lage von Menschen aus der Ukraine oder Gastarbeitern ausnutzen. Auch liegen uns keine Informationen vor, dass sich geflüchtete Menschen aus der Ukraine diesbezüglich an das Landratsamt oder das Jobcenter gewandt hätten“, heißt es aus der Pressestelle.

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