Verzweifelte Botschaft an Minister Aiwanger
Kolbermoorer Schmiede bangen wegen Euro-Normen und Preisexplosion um schiere Existenz
Am Amboss wird nicht geredet. Dort sprechen nur Blicke und Hammerschläge. Doch nach dem Anschmieden zur Eröffnung der Biennale nutzten die Schmiede die Gelegenheit, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger um Hilfe zu bitten, damit sie selbst auch wieder ihres Glückes Schmied sein können.
Kolbermoor – Helmut Brummer, Gründungsmitglied der Europäischen Zentrums für zeitgemäße Metallgestaltung, überreichte Aiwanger als Symbol eine geschmiedete Ähre und den Paragraph 153 der Bayerischen Verfassung.
Dort heißt es wörtlich: „Die selbstständigen Kleinbetriebe und Mittelstandsbetriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Gewerbe und Industrie sind in der Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und gegen Überlastung und Aufsaugung zu schützen. Sie sind in ihren Bestrebungen, ihre wirtschaftliche Freiheit und Unabhängigkeit sowie ihre Entwicklung durch genossenschaftliche Selbsthilfe zu sichern, vom Staat zu unterstützen.“
Daran erinnerten die Schmiede ganz unabhängig von der Corona-Pandemie: „Die letzten zwei Jahre waren die Hölle“, sagt Michi Ertlmeier. Heute aber geht es um explodierende Stahlpreise: „Sie sind auf 350 Prozent angestiegen, haben sich als verdreieinhalbfacht“, so der Schmied. Der Stahlhändler könne den Handwerkern nur Tagespreise bieten, die fünf Tage gelten: „Danach rechnet er neu.“ Hinzu komme, dass auch die Kosten für Spediteure gestiegen seien.
Als existenzbedrohend bezeichneten die Schmiede die Euronorm DIN 1090 für den Metall- und Stahlbau. „Die Euronorm ist praxisfremd, diese Zertifizierung kann sich ein kleiner Betrieb gar nicht mehr leisten“, erklärte Hans Reif. Fehle die Zertifizierung aber, sei ein kleiner Handwerker ganz schnell aus dem Rennen, gingen ihm Aufträge verloren, für die er die fachliche Kompetenz habe.
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Ein weiteres Problem sei die Lehrausbildung: „Die überbetriebliche Ausbildung bezahlen wir kleinen Handwerker selbst“, erläuterte Ertlmeier die Situation. Wie alle Kollegen würde er seine Handwerkskunst gern weitergeben, aber: „Das kannst Du Dir als Ein-Mann-Betrieb gar nicht leisten. Ich wünsche mir von der Regierung, dass wir dabei unterstützt werden, wieder Lehrlinge ausbilden zu können.“ In anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Holland funktioniere die staatliche Ausbildungshilfe unvergleichbar besser.
Zur Eröffnung der Schmiede-Biennale war auch Roland Bräger, Direktor der Brauerei Maxlrain und Vorsitzender des Wirtschafts-Forums Mangfalltal, gekommen. Er warb beim Wirtschaftsminister um dringende Unterstützung für die Unternehmen. „Wenn wir freiwillig von Gas auf Erdöl umrüsten, verdoppeln sich die Kosten. Wir brauchen staatliche Hilfen. Nicht erst im Herbst, sondern jetzt.“
Aiwanger erklärte eine mögliche Lösung, die allerdings vom Bund kommen müsse: „Ich würde als Staat die Notfallstufe ausrufen und die Umrüstung unterstützen: Das Unternehmen gibt seine Gasbezugsreste aus langfristigen Verträgen zurück, stellte auf Öl um. Die Differenz bekommt das Unternehmen vom Staat.“ Eigene Förderprogramme, so erläuterte Aiwanger auf Nachfrage des Mangfall-Boten, könne der Freistaat Bayern nicht auflegen, da sie als Wettbewerbsverzerrung eingestuft werden würden und EU-konform sein müssten.