Zeit für ein neues Trauerritual
Mit Osterfeuer werden in Kolbermoor heuer erstmals auch Briefe „zugestellt“
Ostern ist ein Fest voller Hoffnung. Doch was haben die Kolbermoorer Stadtgärtner damit zu tun? Und wieso werden in der heiligsten Nacht des Jahres mit dem Osterfeuer zum ersten Mal auch Briefe „zugestellt“?
Kolbermoor – Pünktlich vor dem Osterfest muss alles schön sein. Im Garten, in der Stadt, vor allem aber auf dem Friedhof. Doch warum ausgerechnet vor Ostern? „Weil die dunklen Tage endlich vorbei sind, und die Natur erwacht. Wir merken, dass das Leben sich Bahn bricht, und der Tod nicht das letzte Wort hat. Die Jünger Jesu erfuhren, dass Jesus auferstanden ist. Das gab ihnen Kraft und Zuversicht, und sie trugen diese Nachricht weiter. Tod und Auferstehung Jesu sind das Fundament des christlichen Glaubens. Das feiern wir an Ostern. Ostern ist das Fest des Lebens“, erklärt Pastoralreferentin Martina Mauder.
Wann genau Ostern gefeiert werde, bestimme der Frühlings-Vollmond, also der erste Vollmond nach Frühlingsbeginn. Der erleuchtet heuer die Nacht zwischen Gründonnerstag und Karfreitag, sodass der Ostersonntag auf den 9. April fällt.
Tausendfache Zuversicht in der ganzen Stadt
Dem Frühling haben die Kolbermoorer Stadtgärtner wieder kräftig unter die Arme gegriffen und tausendfache Zuversicht unters Volk gebracht. Denn es ist nicht nur das frische Grün auf Wiesen und in Wäldern. Es sind auch etwa 3000 Frühblüher, die Simon Reiter mit seinem Team in der Stadt ausgepflanzt hat. Die Inseln der Kreisverkehre, Plätze und Tröge leuchten jetzt in fröhlichen Farben.
Und von Jahr zu Jahr werden es auch entlang der Straßen mehr Grünstreifen, die sich in Blumenwiesen verwandeln, da die Stadtgärtner pro Jahr etwa 6000 neue Blumenzwiebeln pflanzen. Über circa fünf Monate blühen nun Schneeglöckchen, Krokusse, Tulpen, Narzissen, Kaiserkronen, Iris und Lilien. „Die werden uns überdauern“, ist sich Reiter sicher, der Kolbermoor in eine blühende Stadt verwandeln will: „Es ist nicht nur schön, sondern auch gut für Mensch und Natur.“ Und deshalb nutzen die sieben Stadtgärtner, die neben zwei Friedhöfen und öffentlichem Grün in der Stadt auch für alle Schulen und Kindereinrichtungen, 3000 Bäume und sieben Sportplätze verantwortlich sind, jede „freie“ Minute, um neue Projekte – beispielsweise Steingärten – umzusetzen.
Rosengarten ist vollendet
Auch die Orte, an denen die Hoffnung auf Auferstehung besonders groß ist, haben sie rechtzeitig vor dem Fest schön gemacht: die Friedhöfe. „Am Alten Friedhof wurden die Hecken geschnitten, alle Brunnen sind wieder am Netz. Und auch die schmiedeeisernen Installationen am Rosengarten auf dem neuen Friedhof sind inzwischen fertig“, freut sich Gärtnermeister Reiter, trotz Personalmangels wieder einmal alles rechtzeitig geschafft zu haben: „Das ist uns ein Herzensanliegen, denn an Ostern und Allerheiligen sind die meisten Menschen auf dem Friedhof.“
Am neuen Friedhof sind im vergangenen Jahr 600 Urnengrabplätze entstanden – 100 für Baumbestattungen, 500 im Rosengarten. Drei Schmiede – Hans Reif aus Moosburg an der Isar, Michael Ertlmeier aus Wolfratshausen und Josef Still aus Kolbermoor – schufen schmiedeeiserne Umrandungen für die Rosenbeete. Inzwischen hat ihnen der erste Winter zugesetzt, breitet sich der Rost aus. „Das ist so gewollt, denn es versinnbildlicht die Vergänglichkeit“, beschreibt Reiter. Damit die Schmiedekunstwerke trotzdem überleben, werden sie jetzt mit einem Spezial-Öl behandelt, das die Korrosion stoppt, den Rost-Look aber konserviert.
Immergrüner Laubengarten entsteht
Pünktlich vor dem Osterfest wurde der Rosengarten nun vollendet. Josef Still hat den schmiedeeisernen Laubengang und die Schiefertafeln installiert. Die Stadtgärtner pflanzten wilden Wein, Kletterhortensien und Geißblatt. „Sie sorgen für ein immergrünes Jahr, farbige Blüten im Sommer und warme Rottöne im Herbst“, beschreibt Reiter die Idee. Innerhalb von zwei bis drei Jahren werden die Schlingpflanzen den Laubengang überwuchern, ehe ein wahres Refugium entstanden ist.
Erinnerungen in bunter Kreide
Direkt nebenan wurden drei Schiefertafeln aufgestellt: „Für Gedanken, Wünsche, ermunternde Verse oder auch für Bilder. Vor allem Kinder können sich auf diese Weise ausdrücken“, erklärt Michael Hartl vom Rosenheimer Friedhofs-Kompetenz-Zentrum, das den Rosengarten gemeinsam mit Stadtverwaltung, Stadtgärtnern, Landschaftsarchitekten und Schmieden entwickelte.
Bunte Kreide liegt bereit. „Noch werden die Tafeln recht zaghaft angenommen“, weiß Stadtgärtner Reiter, „aber wir motivieren mit eigenen kleinen Bildchen immer mal wieder zum Ausprobieren.“ Ihm liegt dieser Ort ganz besonders am Herzen, deshalb schaut er regelmäßig nach dem Rechten und bringt die Tafeln für die inzwischen 23 hier beigesetzten Kolbermoorer immer persönlich an. Insgesamt sind im vergangenen Jahr 250 Kolbermoorer von dieser Welt gegangen. 166 neue Erdenbürger wurden geboren.
Einziger Wermutstropfen im Rosengarten: Der Frühjahrsputz lässt auf sich warten. „Er wird von einem externen Unternehmen betreut, das die Pflege leider nicht rechtzeitig geschafft hat“, informiert der Stadtgärtner und ärgert sich gewaltig, dass dieses Kleinod zum Osterfest ungepflegt aussieht, denn: „Der Friedhof ist ein Ort der Begegnung.“ Die Bänke im Rosengarten laden ein, zu verweilen, seinen Gedanken nachzuhängen, die Seele baumeln zu lassen, mit den Verstorbenen oder auch mit anderen Friedhofsbesuchern ins Gespräch zu kommen.
Deshalb hat der Bauhof jetzt auch an der Urnenwand eine neue Bank aufgestellt. „Und deshalb werden wir in diesem Jahr auch den Bereich des Sozialgrabes ansprechender gestalten“, kündigt Reiter an.
Trauerbriefkasten für besondere Post
Neu am neuen Friedhof ist auch der Trauerpostkasten an der Aussegnungshalle. Er symbolisiert in der kraftvollen und lebendigen Formensprache von Schmied Josef Still Lebenslinien und zugleich das für das Kolbermoorer Wappen typische Schilf. „Unsere Inspiration für einen solchen Trauerbriefkasten war die Klagemauer in Jerusalem. Viele Menschen stecken Zettel in die Spalten der Mauer, auf die sie Gebete, Wünsche oder Danksagungen geschrieben haben. Diesen Grundgedanken wollten wir auch auf dem Kolbermoorer Friedhof verwirklichen“, so Michael Hartl. Mit den Worten „Weil ich an Dich denke“ lädt der geschmiedete Briefkasten die Hinterbliebenen dazu ein, ihre Erinnerungen an den Verstorbenen oder auch ihre Sorgen aufzuschreiben. Postkarten und Stifte liegen dafür bereit.
Die persönlichen Briefe der Trauernden sollen im Osterfeuer verbrannt werden. Das ist ein neues Abschiedsritual für die Kolbermoorer und etwas ganz Besonderes – so wie das Osterfeuer selbst. „Mit ihm beginnt die Osternacht, die heiligste Nacht des Jahres, in der wir der Auferstehung gedenken, der Befreiung aus der Schuld, des Sieges des Lebens über den Tod“, beschreibt Pastoralreferentin Martina Mauder.
Bevor die Osterkerze am Feuer entzündet wird und das Licht des Lebens in die Dunkelheit bringt, wurden im Osterfeuer auch bisher schon alte Palmbuschen oder Reste geweihter Öle verbrannt. „Einen persönlichen Brief aber hat noch nie jemand ans Osterfeuer gebracht“, ist sie von dem neuen Angebot überrascht: „Aber ja, auch das wäre natürlich möglich.“
Doch was passiert mit den Inhalten der Briefe, wenn sie im Osterfeuer verbrennen? „Ich würde das mit dem Weihrauch vergleichen, den wir während der Fürbitten verbrennen“, erklärt Mauder. „So wie der Rauch aufsteigt, steigen unsere Gedanken zu Gott.“ Und weltlich gesagt? „Vielleicht: Die Briefe werden zugestellt.“




