„Ein Gewinn für die ganze Stadt“
Wie eine Vision der Stadt Kolbermoor zu einer Erfolgsgeschichte der Integration wurde
Integration ist ein schwieriges Unterfangen? Vielleicht. Man kann den Sachverhalt aber auch positiv erzählen, als Erfolgsgeschichte. Wie und Warum – das zeigen die „Deutschkurse für jedermann“ in Kolbermoor.
Kolbermoor – Dort gibt es das Projekt „Deutsch für Alle“ seit neun Jahren. Damals erwartete man, dass Deutschland auch 2016 viele Asylbewerber aufnehmen muss, so wie schon 2015. Und für die Stadt stellte sich die Frage: Wie kann man diese Menschen möglichst schnell in die Lage versetzen, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden.
Viel Bürokratie und wenig Zeit
Das ist ganz unbestritten die erste Stufe jeder Integration und wohl nur über Sprachkenntnisse möglich. Klar war auch schon damals, dass die staatlichen Versuche der Integration über Sprachvermittlung ein großes Problem haben: Sie setzten eine Anerkennung des Asylstatus voraus und auch sonst jede Menge Bürokratie, die vor allem Zeit kostet. Das ist heute nicht viel anders und aus der Sicht von Bürgermeister Peter Kloo ein Unding: „Da wird der Wunsch und der Elan der Menschen, sich schnellstmöglich einzufügen, für lange Zeit auf Eis gelegt“.
Ein weiteres Hindernis ist, dass die sogenannten Integrationskurse in einem täglichen Vollzeitunterricht ablaufen – wer kleine Kinder betreut, den Lebensunterhalt erarbeitet oder ungenügende Schulbildung mitbringt, tut sich schwer.
Und noch etwas darf nicht übersehen werden: Viele Interessenten für einen Integrationskurs erhalten oftmals von vornherein nicht die Bewilligung, dass die Kosten übernommen werden, etwa weil sie aus europäischen Ländern stammen. Sie müssten die Integrationskurse selbst bezahlen – eine Unmöglichkeit für die meisten. Es anders zu machen, ohne große Bürokratie und für nur dreißig Euro im Vierteljahr, das war die Vision der Stadt Kolbermoor. Die Institution dafür ist die Volkshochschule und der Weg dazu ist kein anderer, als die Finanzierung eines solchen Sprachkurses selbst zu übernehmen. Mit einem Sprachkurs startete man, die Kosten für einen zweiten übernahm dann die Sparkassenstiftung des Landkreises Rosenheim und heute sind es bereits vier Kurse.
Die Nachfrage steigt und das liegt ganz sicher auch an dem Konzept, das hinter den Kursen steht: Wie schon am Anfang geht es bei dem Projekt auch heute nicht darum, amtliche Sprachkenntnis-Zertifizierungen zu erhalten. Es geht vor allem um eines: Dass die Menschen sich schnell in Alltagssituationen verständlich machen und auch andere verstehen können: „Sprache darf nicht Barriere sein, die Kontakte verhindert. Sie soll das Mittel sein, das diese ermöglicht“, sagt dazu Ulrike Sinzinger, Leiterin der Kolbermoorer VHS.
Die Kursteilnehmer, die heute aus aller Herren Länder kommen, sehen das genauso und sind äußerst dankbar für die gebotenen Chancen. „Ich habe keine Angst mehr vor dem Sprechen“, „Deutsch zu können, ist eine Chance neue Leute kennenzulernen“ oder „Ich möchte für die Gesellschaft nützlich sein und will nicht vom Jobcenter abhängig sein“, das schrieben die Teilnehmer eines bereits fortgeschrittenen Kurses. Sie sollten angeben, welche Bedeutung die Kurse für sie haben.
Für Sinzinger darf dabei auch ein Nebeneffekt keinesfalls unterschätzt werden: „Die Kurse finden in der VHS und damit im Rathaus statt. Dieses einmal als rundum positiv erlebt zu haben, nicht als unpersönliches Amt, sondern als ein Ort, an dem einen geholfen und an dem man darüber hinaus respektiert wird. Das ist ganz sicher eine wichtige Erfahrung für jeden, der hier heimisch werden möchte“.
Hilfe für den Alltag
Nicht nur sie, sondern auch Peter Kloo und die gesamte Stadtverwaltung sind stolz auf die Kurse, die Lehrer, die ehrenamtlichen Unterstützungskräfte und vor allem die Schüler. „Die Kurse sind letztendlich ein Gewinn für die ganze Stadt, weil sie nicht nur den Schülern Sprechen und Verständnis ermöglichen, sondern auch für jedes ihrer Gegenüber den Kontakt leichter machen. Schule, Kindergärten, Ärzte, Einkaufssituationen – überall profitiert man davon.“
Peter Kloo vergisst auch nicht, bewundernd auf die Leistung all jener hinzuweisen, die es im Erwachsenenalter auf sich nehmen, eine neue Sprache zu erlernen. Für die enorme Mühe, die das macht, hat er auch ein scherzhaftes Beispiel parat: „Versuchen Sie doch einmal, einem anderen – auch einem Deutschen – zu erklären, warum es einen entscheidenden Unterschied macht, ob man einen Passanten auf der Straße geradewegs umfährt oder vorsichtig umfährt.