Bürger frustriert und verunsichert
„Keime nicht mehr zählbar“ - So knapp entkam Ramerberg beim Wasser einer Katastrophe
Das Wassernetz in Ramerberg ist marode. Das ist nichts neues. Doch wie knapp die Gemeinde 2020 einer echten Katastrophe entkam, wurde nun in einer Infoveranstaltung deutlich. Bei den Bürgern stieß dies auf Frust und die Frage: Wer hat Schuld?
Ramerberg – Dass das Wassernetz in Ramerberg schlecht ist, ist nichts Neues. Seit knapp zwei Jahren wird in Teilen des Ortes gechlort. Wie schlecht es um das Leitungssystem wirklich steht, wurde nun bei einer Informationsveranstaltung deutlich. Die Gemeinde legte die Karten auf den Tisch.
Es war ein gut besuchter Abend im Festsaal des Gasthauses Bichler. 200 Gäste kamen zusammen und lauschten den vier Vorträgen von Wasserwart Thomas Weinberger, vom Gesundheitsamt Rosenheim, das gleich mit drei Vertretern vor Ort war, und den beiden Wasserexperten Marianne Mesner und Helmut Hampl.
Gebühren und Beiträge weiter unklar
In seiner Begrüßung bedankte sich Bürgermeister Manfred Reithmeier für das große Interesse der Bürger und entschuldigte sich, dass er noch immer nichts Genaues zu den neuen Gebühren und den Verbesserungsbeiträgen für die Gemeindebürger sagen könne. Der Gemeinderat hatte den Tagesordnungspunkt in der vergangenen Sitzung verschieben müssen. „Das Ingenieurbüro hat uns leider versetzt“, erklärte Reithmeier, versprach aber eine baldige Entscheidung. „Am 22. November haben wir dafür eine Sondersitzung.“ Mit der Veranstaltung wolle er die Bürger aber dennoch darüber informieren, „wo wir angefangen und was wir bereits gemacht haben.“
Über 200 Keime im Wasser
Deutlich wurde an diesem Abend vor allem eines: Ramberg schrammte im Sommer 2020 haarscharf an einer kostspieligen, gesundheitsschädlichen Katastrophe vorbei.
Wie aus den Vorträgen hervorging, nahm alles Ende August seinen Anfang, als bei einer Routineuntersuchung im Ramerberger Wasser zwei coliforme Keime auf 100 Millilitern festgestellt wurden. Nach einer Durchspülung wurde dann erneut ein Keim gefunden, anschließend stieg die Belastung auf fünf. „Und dann sind unsere Werte etwas explodiert, um es nett auszudrücken“, erklärte Wasserwart Weinberger die Lage.
Über 200 coliforme Keime auf 100 Millilitern stellte Marianne Mesner in ihrem Labor fest. Die ungenaue Angabe „über 200“ deshalb, weil die Menge gar nicht mehr zählbar gewesen sei, so Mesner. „Um ehrlich zu sein, ich bin wirklich erschrocken, als ich dieses Ergebnis gesehen habe“, so Mesner, „da reden wir wirklich über Gesundheitsgefährdung.“ Denn coliforme Keime seien Indikatorkeime, dahinter könnten auch Krankheitserreger stecken. „Und da sprechen wir nicht nur von Durchfall. Diese Keime können auch andere Krankheiten wie Hirnhautentzündung auslösen.“
„Wasserversorgung so nicht mehr tragbar“
Nach einer Begehung gemeinsam mit dem Gesundheitsamt habe man dann verschiedene marode Stellen im Wassernetz entdeckt, erläuterte Weinberger. Die größten Baustellen: der Hochbehälter in Eich, die Druckerhöhungstation und der Hochbehälter in Sendling. „Für uns war klar, die Wasserversorgung ist so nicht mehr tragbar, das entspricht nicht mehr dem Stand der Technik“, stellte Roland Schmidt vom Gesundheitsamt fest. Zu viel Schwitzwasser, zu viel Rost, zu viel Verschmutzung hätte sich angesammelt.
„Eigentlich war es schon zu spät“, erklärte auch Reithmeier in seiner Ansprache. Denn ursprünglich wollte das Gesundheitsamt den Hochbehälter in Sendling sperren lassen und sogar vom Technischen Hilfswerk eine Notleitung legen lassen. „aber wir haben eine andere Lösung gefunden, sonst wäre es richtig teuer geworden“, so der Rathauschef.
Mit einer Notsanierung in Eich, dem Austausch der Druckerhöhungsanlage und der weiteren Chlorung konnte die Katastrophe für einige Jahre abgewendet werden. Allzu lange wird diese Lösung aber nicht halten. „Dass wir das Wasser chloren, darf kein Dauerzustand sein“, erklärte Mesner. Auch Schmidt vom Gesundheitsamt drängte auf eine Sanierung „Noch passt es“, erklärte er auf Anfrage eines Bürgers, aber wohl in spätestens fünf Jahre müsse der Hochbehälter ausgetauscht werden.
2000 Liter pro Stunde Verlust
Es gibt also noch viel zu tun in Ramerberg, das machte auch Wasserwart Weinberger deutlich. Dringend müssten die Totleitungen und maroden Schieber ausgetauscht werden. Derzeit habe Ramerberg eine Schadensrate von 50 Prozent. „Wir sprechen bei 7,5 Prozent von einer hohen Schadensrate“, so Weinberger, „damit wäre ich im Moment glücklich.“
Dringend nötig ist auch die Reduzierung der Wasserverluste. „Wir verlieren jede Stunde etwa 2 000 Liter“, erklärte Weinberger, „das entspricht zwei Drittel des Badriabeckens wöchentlich.“ Viel zu viel, so der Experte. Bei 50 Litern spreche man von geringen Verlusten. „Am besten ist natürlich gar nichts.“ Gerade werde an einer Gefährdungsbeurteilung und einem Sanierungskonzept für das Wassernetz gearbeitet, erläuterte der Wasserwart. So will die Gemeinde der Lage Herr werden. „Es ist viel liegen geblieben“, verdeutliche auch Reithmeier, „aber wir müssen jetzt nach vorne schauen und einfach machen.“
Verunsicherung und Frustration bei den Bürgern
Wie groß das Interesse bei den Ramerberger Bürgern am Thema Wasserversorgung ist, zeigten nicht nur der gefüllte Saal, sondern auch die vielen Anfragen, die von den Zuhörern zum Ende der Informationsveranstaltung kamen. Sie waren geprägt von Frustration und Verunsicherung. „Ich habe meinen aktuellen Bericht zu unserem Trinkwasser dabei. Es scheint gut zu sein“, meinte ein Zuhörer. „Kann ich es denn bedenkenlos trinken?“ Hier konnten die Wasserexperten Marianne Mesner und Helmut Hampl beruhigen. Ja, das Trinkwasser sei unbedenklich.
Ein anderer Bürger erzählte, er habe sich wegen der Chlorung einen Aktivkohlefilter eingebaut. „War das eine sinnvolle Investition?“ Grundsätzlich ja, meinte Mesner. „Ich würde mir auch eine Aufbereitungsanlage einbauen, beim gechlorten Wasser hätte ich auch Bedenken.“ Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass solche Filter eine Keimsperre hätten. „Wenn sie das nicht haben, dann ist das Wasser oft schlechter als vor der Behandlung“, erklärte Mesner.
Andere Wortbeiträge waren geprägt von Frustration. So fragten mehrere Zuhörer nach, wie es überhaupt so weit kommen konnte. „So ein Behälter rostet nicht von heute auf morgen durch“, meinte einer der Bürger. „Wo waren die Präventionsmaßnahmen in den letzten Jahren?“, fragte ein anderer.
Auch das Gesundheitsamt Rosenheim stand in der Kritik. „Es ist bekannt, dass die Gemeinde 2016 ein Schreiben bekommen hat, in dem darauf hingewiesen wurde, dass erhebliche Mängel am Leitungsnetz festgestellt wurden. Schaut da vom Gesundheitsamt keiner mehr nach?“, fragte ein Bürger.
Die Antworten darauf waren eher ausweichend. Roland Schmidt vom Gesundheitsamt verwies darauf, dass für die Wasserversorgung grundsätzlich die Gemeinde zuständig sei, das Gesundheitsamt kontrolliere nur und weise auf Mängel hin. „Die Gemeinde ist dann verpflichtet, diese zu beheben und das dem Gesundheitsamt zu melden.“
Bürgermeister Manfred Reithmeier zuckte mit den Schultern: „Ich weiß nicht, warum nichts getan wurde, das war vor meiner Zeit“, meinte er.
Es sei „viel liegen gebleiben“, so viel sei klar. Dass das Wassernetz solch gravierende Schäden aufweise, sei ihm aber auch nicht klar gewesen. „Für mich gab es ja keine Amtsübergabe“, so Reithmeier. Schuldzuweisungen wolle er aber trotzdem vermeiden, das würde die Gemeinde nicht weiterbringen. Das Problem sei schlicht da und müsse bearbeitet werden.