Anwohner in Hofham sind genervt
Bei Starkregen werden Straßen zu Sturzbächen – Wie Bad Endorf das Problem lösen will
Schnell, plötzlich, reißend – bei Unwettern verwandeln sich die Straßen von Hofham in Sturzbäche, die den Ortskern überschwemmen. Seit Jahren fordern die Anwohner des Weilers die Gemeinde Bad Endorf zum Handeln auf. Jetzt kommen Lösungsvorschläge.
Bad Endorf – Irmengard Ramthun ist genervt. Sie und ihre Familie leben im beschaulichen Hofham. Doch die Stimmung in dem Weiler brodelt. Und zwar schon seit Jahren. Denn bei jeden stärkeren Regen läuft das Wasser sturzbachartig den Hügel herunter, nimmt dabei den halben Straßenbelag mit und flutet sogar so manchen Keller. Danach liegen Teerbrocken am Straßenrand. Die zurückbleibenden Schlaglöcher sind bis zu 15 Zentimeter tief. „Das Wasser reißt die Pflastersteine im Garten auf. Alles ist voller Dreck“, sagt sie.
Anwohnerin fühlt sich von Gemeinde ignoriert
„Ich bin seit Jahren in Kontakt mit der Gemeinde. Aber die tun einfach nichts“, klagt Ramthun. Ihr Haus ist das letzte vor der sanierten Hauptstraße am Fuß des Hügels. In ihrem Hof sammle sich der Schutt, der vom Wasser weggespült wird. „Wir hatten auch schon Wasser im Souterrain.“
Bereits 2010 und nochmals 2016 hat Ramthun Unterschriften in ganz Hofham gesammelt. Mit einem Schreiben, der Liste und Fotos wandten sich sie und ihre Nachbarin Irene Hörnchen hilfesuchend an den Marktgemeinderat und die damaligen Bürgermeisterinnen Gudrun Unverdorben (2010) und Doris Laban (2016).
„Die Wasserspiele von Hofham sind eröffnet“
Sobald ein Unwetter im Anmarsch ist, zückt Nachbarin Marion Weiß ihr Smartphone und filmt das Spektakel. Auf ihrer Facebook-Seite lade sie regelmäßig die Videos hoch – mit dem Titel: „Die Hofhamer Wasserspiele sind eröffnet“. Die 53-Jährige stammt aus Hofham. Im Jahr 2000 habe sie mit ihrer Familie gebaut und ist direkt neben Familie Ramthun eingezogen. „Damals wurde uns gesagt, die Straße wird noch gemacht“, berichtet sie. Wurde sie nicht.
Straßenbelag wird davongespült
Denn ein großes Problem stelle neben dem Sturzfluten auch der Zustand der Straße dar. Seit Jahrzehnten werden die Schlaglöcher nur mit Kies aufgefüllt oder stellenweise asphaltiert. Beim nächsten Unwetter gehe aber alles wieder von vorne los. Teilweise verstopfe der Kies die viel zu kleinen Abwasserkanäle. Bei Starkregen, wie er im Sommer häufig in der Region aufgetreten war, könnten die Wassermassen nicht abfließen. „Manche Nachbarn müssen erst einmal die Teerbrocken wegräumen, damit sie überhaupt aus ihrer Garage kommen“, erklärt Marion Weiß empört. Für sie seien diese Maßnahmen Zeit- und Geldverschwendung.
Im vergangenen Jahr sei dann überraschend die gegenüberliegende Straße saniert worden. „Wir haben dann bei den Arbeitern nachgefragt, ob unser Teil der Straße auch gemacht werde“, berichtet die 53-Jährige. Die ernüchternde Antwort: „Den Auftrag haben wir nicht.“
Unebenheiten der Straßen spülen Wasser auf Grundstück
Durch die dauernden Reparaturen sei die Straße uneben geworden. „Die linke Seite ist höher als die rechte“, erklärt Irmengard Ramthun. Wenn es stark regnet, laufe das Wasser verstärkt auf der linken Straßenseite entlang – direkt auf ihr Grundstück. „Wir haben deswegen schon einen Bordstein und eine Mauer entlang des Carports gebaut.“
Diese Mauer schützt, dass das Wasser nicht in vollem Umfang auf das angrenzende Grundstück von Birgit Eicken fließt. Auf ihrem Parkplatz schwemme es das Geröll an. Der kleine Mauervorsprung, den sie vor ihrem Haus gebaut habe, reiche lange nicht mehr aus, um die Wassermassen zurückzuhalten. „Wir müssen sie jetzt erhöhen. Das Wasser rennt immer in die Kellerschächte“, erklärt Eicken. Gemeinsam haben die Anwohner nur einen Wunsch: „Wir wollen, dass das Oberflächenwasser so abgeleitet wird, sodass kein Schaden am Eigentum der Bürger mehr entsteht“, sagt Marion Weiß.
Das sagt die Verwaltung zu den Vorwürfen
Ein Wunsch, den wohl mehr Bürger aus Bad Endorf haben dürften. Denn das Anliegen ist kein reines Hofhamer Problem, sagt Martin Mühlnickel, Geschäftsleiter der Marktgemeinde Bad Endorf auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen. „Wir haben bereits im vergangenen Jahr ein spezialisiertes Ingenieurbüro beauftragt, ein sogenanntes Sturzflut-Risikomanagement zu entwickeln“, erklärt Mühlnickel.
Denn neben Hofham seien auch Teisenham, Eisenbartling sowie Antwort erhöht. „Aufgrund dieser Topografie läuft das Wasser in den Ortskern und überflutet dort alles“, sagt er. Neben den Kosten und den baulichen Herausforderungen, läge für ihn die große Herausforderung bei der Verhandlung mit den Bürgern. Denn beim Thema Grundstücksabtretungen zeigten sich nicht alle kooperativ, so der Geschäftsleiter. So seien zumindest die Erfahrungen in der Vergangenheit gewesen.
Das Thema beschäftigt den Gemeinderat schon lange
Um dauerhaft etwas zu ändern – auch in Hofham – plant die Gemeinde viel Geld in die Hand zu nehmen. In der jüngsten Sitzung des Marktgemeinderates stellte daher Dr. Manfred Schindler vom Ingenieursbüro Dr. Blasy, Dr. Øverland aus München mögliche Lösungen vor. Zahlreiche Zuschauer aus der Bevölkerungen kamen. Das Thema scheint viele Endorfer zu interessieren und zeigt die Brisanz des Themas. „Beim letzten Unwetter, am 26. August, kamen in nur 25 Minuten 70 Liter pro Quadratmeter runter“, sagte Bürgermeister Alois Loferer (CSU) vorab. Mengen, gegen die man in so kurzer Zeit kaum etwas ausrichten könnte.
Schindler fasste kurz zusammen, dass anhand einer Simulationskarte, die die Topografie Bad Endorfs berücksichtigt, ein hundertjähriges Regenereignis berechnet wurde. Es erscheinen kleine gelbe Pfeile, welche die Fließrichtung des Wassers darstellen. Blaue Flächen zeigen die Stellen auf, an denen sich Überschwemmungen bilden.
Unterschieden werden müsse laut Schindler zwischen wild abfließendem Regenwasser und übertretenden Bächen – im Fachjargon: „Gewässer dritter Ordnung“. Dazu gehören der Teisenhamer und Hofhamer Bach, der Kurferbach, die Antworter Achen sowie der Kurfbach. Dies sei entscheiden, denn bei für Hochwasserschutz aufgrund dieser Gewässer seien Förderungen durch das Wasserwirtschaftsamt möglich.
Verschiedene Szenarien für Antwort und Bad Endorf denkbar
Schindler erklärte in einem ausschweifendem und komplexen Vortrag, welche Maßnahmen möglich wären, um die Wassermassen bei einem Unwetter zurückzuhalten und abzuleiten. Dabei erläuterte er verschiedene Szenarien für Antwort sowie Bad Endorf. Für Antwort kämen Mauern und Geländeerhebungen an der Chiemsee Straße sowie die Ableitung des Kurfbachs durch eine Verrohrung in Frage. Alternativ könnten auch dort Geländeanhebungen vorgenommen werden.
Für Bad Endorf ergaben sich ebenfalls zwei Szenarien, die sich wesentlich komplexer darstellten. Eine Möglichkeit seien zwei Wasserrückhaltebecken am Moorbad sowie Moorweg, die beide nötig wären. Auch in Hofham müsse ein Rückhaltebecken oberhalb der Bebauung für den Hofhamer Bach entstehen. Zusätzlich kleinere Maßnahmen wie Mauern entlang der Hofhamer Straße „sollten anhand der Berechnungen ausreichen“, meinte Schindler.
Ein weiteres Rückhaltebecken für den Teisenhamer Bach an der Traunsteiner Straße würde es ermöglichen, dass die bestehende Verrohrung an der Rosenheimer Straße im Ortskern die Wassermassen zur bestehenden Flutmulde ableitet. Das zweite Szenario wäre eine neue, größere Verrohrung entlang der Rosenheimer Straße – sofern kein Rückhaltebecken an der Traunsteiner Straße möglich sein sollte. Dieses Vorhaben sei aufgrund der Bahnlinie baulich schwieriger.
Kosten sorgen für lange Gesichter
Als Schindler die Kosten vorstellte, ging ein Raunen durch den Saal. Je nach Variante für Antwort bewegen sich die Kosten zwischen 2,1 und 2,7 Millionen Euro. Die Variante 1 für Bad Endorf schlage mit 12,6 Millionen und die Variante 2 mit 9,5 Millionen Euro zu buche. Die Kosten für den Erwerb von Grundstücken der Anlieger seien dabei noch nicht eingerechnet.
Bürgermeister Alois Loferer ergriff als erster das Wort: „Es erschlägt“, resümierte er und wandte sich direkt an die Zuschauer. „Es wird nur gemeinsam gehen. Ich hoffe auf viele bereitwillige Grundstückseigentümer, sonst schaffen wir das nicht.“ Auch eine Kostenumlage an die Bürger könne er derzeit nicht ausschließen. Es folgten spezifische Fragen zu den Baumaßnahmen.
Viele Fragen bei den Räten
Josef Moosbauer und Bettina Scharold (beide CSU) baten, den westlichen Bereich um den Simsseeweg in die Planungen mit aufzunehmen, da dies ihrer Ansicht nach wichtig für die Verrohrung der Rosenheimer Straße nötig sei. Curt Wiebel (ABE) sah sich aufgrund der Menge an Informationen erschlagen: „Zuletzt haben wir das Thema vor einem Jahr auf den Tisch gehabt. Ich sehe mich nicht im Stande da eine Entscheidung zu treffen.“ Sein Fraktionskollege Dr. Horst Zeitler erkundigte sich nach der zeitlichen Dimension des Projekts: „Das klingt nach 30 bis 40 Jahren. Ich hoffe auf heftigen Widerspruch, aber der kommt nicht.“ Erneutes Raunen im Saal.
Georg Mitterer (SPD) zweifelte die Kooperationsbereitschaft der Bürger an. „Es ist ja schon ein Problem ein Quadratmeter Gehweg zu bekommen.“ Magdalena Restle (Grüne) bat um eine Klausur zu dem Thema und erhielt Zustimmung von den anderen Gemeinderäten. Bürgermeister Loferer schloss die Fragerunde, dass es vermutlich nicht nur bei einer Klausur bleibe. Er verwies auf die Dringlichkeit, den ersten Schritt zu gehen: „Wir könnten uns die Sperrung der Bahnlinie 2027 zu Nutze machen. Bis dahin muss die Planung aber stehen.“
Ernüchterndes Fazit bei den Hofhamern
Irmengard Ramthun und ihre Nachbarn ziehen nach der Sitzung ein ernüchterndes Fazit: „Wir sind geplättet.“ Sie hätten sich ausgetauscht und bezweifeln, dass die Lösungsansätze für Hofham ihnen etwas bringe. „Ohne Zweifel hilft es den Anliegern rund um den Gewerbepark und Bad Endorf. Aber unsere Straße ist vor allem vom wild abfließenden Wasser betroffen“, resümiert die Hofhamerin. Sie hofft daher weiter auf einen Dialog mit der Gemeinde und eine Lösung für die Unebenheit des Straßenbelags. „Und dann hoffen wir mal, dass mit dem Konzept irgendwann einmal unseren Kindern und Enkelkindern geholfen ist.“



