Kriminalhauptkommissar Wolfgang Moritz gibt Tipps
Falsche Polizisten oder Schockanrufe: So können sich Senioren in der Region vor Betrügern schützen
Rosenheim – Ob per Mail, Brief oder Telefon: Senioren sind für Betrüger ein beliebtes Ziel. Der Rosenheimer Kriminalhauptkommissar Wolfgang Moritz (64) hält deshalb seit mehr als 13 Jahren Vorträge, um Senioren vor Trickbetrügern zu bewahren. Im Interview spricht er über die verschiedenen Arten von Betrug, woran man die Täter erkennt und wie sich die Angehörigen verhalten sollten.
Sind sie schon einmal auf Trickbetrüger reingefallen?
Wolfgang Moritz: „Nein. Aber ich würde es auch nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass es mir passieren könnte. Die Trickbetrüger werden immer raffinierter, sind zum Teil sehr überzeugend und psychologisch geschult.“
Beispielsweise wenn sie vorgeben von der Polizei zu sein...
Moritz: „Diese Art von Betrug gibt es jetzt seit ein paar Jahren. Und es macht durchaus Sinn, dass die Senioren darauf reinfallen, denn gerade in diesem Alter ist das Vertrauen in die Polizei sehr groß. Wenn diese Menschen einen Anruf von einem „Beamten“ bekommen, hinterfragen sie nicht, ob da wirklich jemand von der Polizei am Telefon ist.“
Gibt es Beispiele?
Moritz : „Stellen Sie sich vor: Sie sind zu Hause, schauen aus dem Fenster und sehen ein Polizeiauto vorbeifahren. Am nächsten Tag ruft ein Beamter bei Ihnen an, erzählt von einem Einbruch und davon, dass es durchaus vorstellbar ist, dass sie das nächste Opfer sind. Die vermeintlichen Polizisten schlagen den Senioren deshalb vor, für kurze Zeit auf ihre Wertsachen aufzupassen. Für Senioren gibt es jetzt gleich zwei Indizien, dass der Fall stimmt: Zum einen haben sie ein Polizeiauto gesehen, zum anderen haben sie einen „Beamten“ am Telefon. Dass derjenige, der die Wertgegenstände schließlich abholt, so gar nicht wie ein Polizist aussieht, fällt den meisten überhaupt nicht auf.“
Und dabei sind es nicht nur die falschen Polizisten, vor denen man sich in Acht nehmen sollte.
Moritz: „Es gibt auch die weinenden Mädchen oder die vermeintlichen Krankenschwestern...“
Es gibt einen Krankenschwestern-Trick?
Moritz: „Wenn Sie es so nennen wollen. Die vermeintliche Schwester spricht die Opfer im Supermarkt an und erzählt ihnen, dass sie ja erst vor ein paar Jahren im Krankenhaus waren. In den meisten Fällen wird das zutreffen, denn welcher Senior war in den vergangenen Jahren nicht wenigstens einmal im Krankenhaus. Einige Tage später werden die Senioren von der gleichen „Krankenschwester“ erneut angesprochen. Es baut sich ein Vertrauen auf. Dann fragt die Frau, ob sich der Senior vorstellen könnte, auf ihre Wertgegenstände aufzupassen, während sie auf Kreuzfahrt ist.“
Lassen Sie mich raten: Es gibt keine Wertgegenstände.
Moritz : „Natürlich nicht. Aber das weiß der Senior nicht. Die beiden gehen also zu dem Senior nach Hause und die verstecken den Beutel mit den angeblichen Wertgegenständen natürlich genau dort, wie selbst auch ihre wertvollsten Sachen versteckt haben. Plötzlich klingelt es an der Tür. Die Seniorin schaut nach, wer da ist und diese wenigen Sekunden reichen für die Betrügerin aus, den Schmuck zu stehlen.“
Wie kommen die Betrüger überhaupt an ihre Opfer?
Moritz : „Sie schauen im Telefonbuch. Beliebt sind vor allem alte Vornamen und kurze Telefonnummern.“
Wie hoch sind die Chancen, dass Schmuck oder Wertgegenstände wieder auftauchen?
Moritz : „Sehr gering.“
Und das die Täter gefasst werden?
Moritz: „Auch das passiert eher selten. Die Täter sind in den meisten Fällen Teil einer ausländischen Bande aus Polen oder der Türkei. Der Krux: Sie sprechen akzentfrei deutsch, können auch Dialekt und kennen sich in der Region bestens aus.“
Haben die Fälle in den vergangenen Jahren zugenommen?
Moritz: „Das kann man nicht so genau sagen, unter anderem deshalb, weil die Dunkelziffer relativ hoch ist. Vielen Senioren ist es unangenehm, sich an die Polizei zu wenden, nachdem ihnen mehrere tausend Euro entwendet wurden. Hinzu kommt die Sorge darüber, wie die Angehörigen reagieren könnten.“
Haben Sie hier von negativen Erfahrungen gehört?
Moritz: „Ja. Oft wird den Senioren die Schuld gegeben. Sie werden angeschrien und – im schlimmsten Fall – zur Bestrafung in ein Heim gesteckt. Das ist falsch. Die Senioren sind die Opfer. Deshalb ist es wichtig, dass Angehörige ihnen niemals die Schuld geben. Zumal die Betrüger zum Teil auch damit drohen, dass ihre Angehörigen sterben, wenn sie nicht eine bestimmte Summe überweisen.“
Es hört sich an, als ob die Betrüger vor nichts zurückschrecken.
Moritz: „Das stimmt. Und es kommen immer neue Sachen dazu. Seit einigen Jahren gibt es beispielsweise den „Whatsapp-Trick“. In diesem Fall melden sich Familienangehörige unter einer falschen Nummer und verlangen eine bestimmte Geldsumme, weil beispielsweise ihr Auto kaputt gegangen ist oder sie dringend eine offene Rechnung begleichen müssen.“
Wie können sich Senioren davor schützen, Opfer eines Betrügers zu werden?
Moritz: „Es ist wichtig, sich nach solchen Anrufen mit Freunden oder der Familie zu besprechen. Wenn man dann immer noch unsicher ist, immer die Polizei anrufen. Wenn man schon während des Telefonats mit dem Betrüger skeptisch ist und bei der echten Polizei unter 110 anrufen will, muss unbedingt darauf geachtet werden, erst aufzulegen. Sonst kann es passieren, dass die Betrüger noch in der Leitung sind und alles mithören.“
Wozu raten Sie noch?
Moritz: „Es ist sinnvoll, gerade bei Menschen, die sich als ihr Enkel ausgeben, Fragen zu stellen, die nur ihr echter Enkel beantworten könnte. Ich rate Senioren auch immer dazu, sich ein Kennwort zu überlegen, das nur die Familienmitglieder wissen. Verträge, in denen es um Internetbanking geht, sollten nicht einfach so ausgefüllt werden. Nehmen Sie Kontakt mit ihrer Bank auf und geben Sie niemals ihre Pin heraus. Und noch ein Hinweis: Die Polizei würde Senioren niemals auffordern, ihr Geld unter einer Mülltonne zu verstecken. Und wir rufen auch nicht unter der 110 an.“
